Pfarrer Dr. Heini Schmid

Freudig auf der Kanzel – mit 90

Johannes Heinrich «Heini» Schmid, ehemaliger Honorarprofessor an der Uni Bern, wird im Juli 90. Er schreibt noch Bücher und predigt. Was treibt ihn dazu an? Wir bringen einen Ausschnitt aus einem idea-Interview.
Pfarrer Heini Schmid
Heini Schmid mit seiner Frau Maja

idea Spektrum: Sie stehen mit 90 noch immer auf der Kanzel und verkündigen das Evangelium mit Leidenschaft. Was treibt Sie an?
Ich freue mich einfach, dass ich immer noch Anfragen zum Predigtdienst bekomme. Von daher brauche ich keinen besonderen Antrieb, denn das Evangelium soll verkündigt werden. Es soll weitergegeben werden. Es ist ein Geschenk, wenn man das in meinem Alter überhaupt noch darf.

Was kostet es Sie heute, einen Gottesdienst zu leiten und zu predigen?
Ein Gottesdienst ist jedes Mal ein Wagnis. Es handelt sich in einem gewissen Sinn um eine Geburt. Von da her besteht eine grössere Ungewissheit als bei einem Referat oder einer Vorlesung, bei denen man einfach etwas herunterlesen kann. Eine Predigt bedeutet eine grössere Anstrengung und braucht eine wirkliche Hingabe an den Herrn, weil nur durch ihn und seinen Geist etwas geschehen kann.

Worauf legen Sie besonderen Wert bei Ihren Predigten?
Es ist mir ganz fest daran gelegen, dass ich Anweisungen geben kann für den Alltag, fürs konkrete Leben. Und ich möchte das Zentrum des Evangeliums, nämlich Jesus Christus, so predigen, dass die Menschen merken: Aha, das hat auch mit kleinen und grossen Sachen aus meinem Alltag zu tun!

Wie lange bereiten Sie sich auf eine Predigt vor?
Das ist ganz unterschiedlich. Man kann das auch nicht einfach mit Stunden und Minuten angeben. Meistens weiss ich ja Wochen voraus, dass ich drankomme. So schafft das gewissermassen in mir. Ich lege es auch immer wieder dem Herrn hin. Von da her kommt es auch, dass ich nie die gleiche Predigt zweimal halte. In Hauptwil ­habe ich am 2. November zum Thema Segen gepredigt. Zum gleichen Thema habe ich jetzt auch in Matzingen eine Predigt gehalten, doch da kam sie ganz anders heraus.

«Vom Segen der späten Jahre» heisst ein bemerkenswertes Buch des heute 97-jährigen Billy Graham. Worin sehen Sie den Segen Ihrer späten Jahre?
Meine Frau und ich empfinden jeden Tag als grosses Geschenk. Wir sind dankbar, dass wir noch beieinander sein dürfen und in einem so schönen Haus hier in Wil wohnen können. Wir dürfen gemeinsam erfahren, dass unser Herr nahe ist und uns durch sein Wort stärkt. Es macht uns immer wieder lebendig. Ich sehe den Segen Gottes nicht etwa als eine Art Reserve, sondern er wird uns immer wieder neu geschenkt.

Welches Geheimnis steckt hinter Ihrem hohen Alter und hinter Ihrer erstaunlichen Vitalität?
Von Geheimnis würde ich nicht sprechen. Meine Frau ist eine Enkelin des Arztes Dr. Bircher-Benner. Auch ihr ­Vater war Arzt an der Bircherklinik in Zürich. Zur Erneuerung der damaligen Ernährungsgewohnheiten war für ihn das Bibelwort aus 1. Mose 1,29 massgebend: «Und Gott sprach: Siehe, ich gebe euch alles Kraut, das Samen trägt, auf der ganzen Erde, und alle Bäume, an denen samenhaltige Früchte sind; das soll eure Speise sein.» So angeleitet, geben wir acht auf die Gesundheit, essen wenig Fleisch, sorgen täglich für Früchte und Rohkost und wo möglich für genug Bewegung im Freien, die heute aber merklich langsamer ist als früher. Dass wir geistig noch lebendig sind, ist vor allem ein Geschenk unseres Gottes. Lebenslange, oft intensive geistige Tätigkeit von uns beiden mag da mitgeholfen haben.

Was planen Sie für Ihre nächsten Jahre?
(zögert, lächelt) Die nächsten Jahre – das ist schon etwas weit gedacht. In meinem Alter lebt man mehr von Tag zu Tag. Mein Verleger Victor Winteler in Riehen möchte gerne noch ein letztes Buch von mir herausgeben. Er hat in seinem Verlag ArteMedia schon eine sogenannte Werkausgabe gemacht, bei der es vor allem um überarbeitete Vorlesungen ging. Er möchte noch einen vierten Band herausgeben. Und da will ich mich nun daranmachen.

Zum Autor

Johannes Heinrich Schmid wurde am 12. Juli 1925 in Lichtensteig im Toggenburg geboren. In Affoltern am Albis aufgewachsen. Nach seiner theologischen Ausbildung leistete er vier Jahre Missionsdienst für die Schweizer Allianz-Mission in Angola und war dann 15 Jahre Pfarramt in Hauptwil TG. Seine Dissertation schrieb er über das Existenzdenken von Sören Kierkegaard. 1978 habilitierte er sich in Systematischer Theologie und lehrte danach fünf Jahre als Privatdozent und 13 Jahre als Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Er ist Mitbegründer der AfbeT (Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie) und Autor zahlreicher theologischer Bücher.

Datum: 13.02.2015
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: Idea Spektrum Schweiz

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