Andrea Nahles

"Mein Idol ist Jesus"

Sie ist stellvertretende Vorsitzende der SPD und sitzt im deutschen Bundestag: Andrea Nahles. Dass sie gläubige Christin ist, hat sie bisher kaum öffentlich thematisiert. Doch in politischen Debatten spielen ihre christlich geprägten Grundwerte eine grosse Rolle. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Zeitschrift Kontinente hat sie sich zu Ihrem Glauben geäussert.
«Christsein ist nicht das Ritual, sonntags in die Kirche zu gehen»: Andrea Nahles.

Welche Rolle spielt der Glaube für Sie?
Die Entscheidung, aktive Christin zu werden, habe ich einige Jahre vor dem Entschluss getroffen, in der SPD aktiv zu sein. Mit neun Jahren bin ich Messdienerin geworden, mit 14 in eine ökumenische Jugendgruppe gegangen. Das waren frühe Prägungen, sie haben meinen Wertekodex bestimmt. Und daraus leite ich mein politisches Engagement ab.

Beeinflusst der Glaube Ihre Arbeit?
Ich habe meinen Glauben nie vor mir hergetragen. Das ist für mich etwas, womit ich nicht hausieren gehen muss - und möchte. Aber es gibt Fragen, wo ich mich definitiv auch über die Fraktionsgrenzen als Christ positioniere, bei der Stammzellendiskussion oder bei der Frage, ob Gott in die EU-Verfassung soll. Das sind Punkte, bei denen ich mir sagen muss: Ja, da musst du dich jetzt als Christin bekennen. Andererseits trage ich ungern meine christliche Verankerung auf der Fahne durch die Gegend, weil ich finde, dass Politik einem auch viel an Privatheit und Ressourcen zur eigenen Stärkung nimmt: Ich habe wenig Zeit, den Akku auch mal wieder aufzuladen. Dabei hilft mir die Religion. Und deshalb möchte ich daraus für mich persönlich nicht allzu sehr eine öffentliche Angelegenheit machen.

Bei der CDU/CSU machen drei Prozent der Bundestagsabgeordneten keine Angaben zu ihrer Konfession, in der SPD 42 Prozent.
Wenn Abgeordnete keine Angaben zur Religion machen, dann ist das ihr gutes Recht. Ich bin kein Missionar. Viele Leute wollen heute nicht mehr Mitglied einer Kirche sein. Ich erwarte allerdings, dass das religiöse Bekenntnis und das aktive Leben des Glaubens akzeptiert werden. Und ich bin überzeugt: Christsein kann nie folgenlos bleiben, nicht privat und nicht politisch. Ich wäre nie in der SPD gelandet, wenn ich nicht zuvor eine christliche Prägung erfahren hätte. Ich habe mich in der SPD eher in der Gefolgschaft von Jesus Christus wiedergefunden, und zwar wegen dem Parteiprogramm und dem, was die SPD verkörpert. Christsein ist nicht das Ritual, sonntags in die Kirche zu gehen.

Verbindet der Glaube Politiker über die Parteigrenzen hinweg?
Man weiss im Bundestag voneinander, dass man sich christlich verortet. Aber nichts gegen die Kollegen aus dem Bundestag: Ich möchte manchmal mit Leuten zusammen sein, die überhaupt keine Politik machen. Nach meiner Ministrantenzeit bin ich in einen ökumenischen Jugendgesprächskreis gegangen. Wir treffen uns seit 22 Jahren zweimal im Jahr. In dieser Gruppe sind Freunde von mir, Leute, die ich vor allem kenne, weil ich mit ihnen eine Form von Religiosität lebe.

Auf die Frage nach einem linken Idol haben Sie einmal "Jesus" genannt.
Ich habe mich mit keiner Person der Zeitgeschichte, wenn man es mal so nennen will, so auseinandergesetzt wie mit Jesus von Nazareth. Wenn man mich fragt, was meine Beweggründe sind, mich über den eigenen Tellerrand hinaus mit anderen Leuten zu beschäftigen, hat das zunächst mal überhaupt keinen politischen Impetus. Das ist etwas, das ich von meinen Eltern mitbekommen habe, da herrschte ein gelebter christlicher Geist. Und was heisst schon "linkes Idol"? Wenn man überhaupt was sagen kann: Es ist nicht leicht, Christus zu folgen, er ist absolut anspruchsvoll, der Kerl, und nebenbei - er ist auch radikal, was die Gerechtigkeitsfrage angeht.

Macht Politik eigentlich Spass?
Ja, natürlich. Man erlebt in der Politik seine Gegenwart viel intensiver. Man ist in seiner Zeit nicht nur der Zuschauer im Ohrensessel. Ich finde diese Arbeit wirklich interessant und spannend, und manchmal ist sie sogar befriedigend. Und man braucht wesentlich mehr Geduld, als ich gedacht habe, als ich in die SPD eingetreten bin. Politik ist nichts für Grashüpfer…

Was ist Ihr Lieblingskirchenlied?
"O Jesu, all mein Leben bist Du." Ein altes, trauriges Lied, das mir schon als Kind sehr zu Herzen gegangen ist.

Quelle: FAZ, www.kontinente.org

Datum: 15.06.2009
Autor: Miriam Hinrichs

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