Mit Stille habe ich ein
Problem: Kaum habe ich freie Momente, sprudeln bei mir Ideen. Dabei liegt darin ein grosses Potenzial. Dietrich Bonhoeffer dazu: «Stillsein ist eine
wunderbare Macht der Klärung, der Reinigung und der Sammlung.»
Kennen Sie das auch, dass Ihnen die besten Gedanken unter der Dusche kommen? Das geschieht, weil das
Gehirn, wenn es nicht beschäftigt ist, Informationen verknüpft. Plötzlich
entdeckt man Lösungen, die man vorher nicht sah. Man war einfach zu
beschäftigt, um gute Ideen zu entwickeln. Das Problem bei mir ist nur, dass ich
dann gleich Lust habe, die neuen Ideen umzusetzen. Dann ist es mit der Stille
natürlich wieder vorbei...
Der eigenen Seele auf die Spur kommen
Neben den guten Gedanken,
die in der Stille auftauchen, helfen stille Momente auch, der eigenen Seele auf
die Spur zu kommen. Wenn man zur Ruhe findet, spürt man, was einen bewegt.
Deshalb meiden manche Menschen die Stille. Sie halten sich ständig beschäftigt,
weil sie fürchten, dass sonst nicht zu bewältigende Gefühle an die Oberfläche
treten.
Diese Gefahr droht jedoch
nur, wenn man lange vieles verdrängt hat. Wer sich regelmässig Zeiten der Stille
gönnt, kann inneren Müll zeitnah entsorgen. Und sich, wo nötig, Trost und Hilfe
suchen. Wenn man das versäumt, staut sich vieles an. Für viele Menschen gehört
deshalb auch das Gebet zu Zeiten der Stille – das Aussprechen der Sorgen und
Lasten vor Gott, das Bitten um Hilfe und das innere Hören auf inspirierende
Impulse.
Erholung durch Stille
Und man erholt sich in der
Stille. Am besten für die Lebensenergie ist es, wenn man Ruhezeiten regelmässig
einplant. Ich mag das Konzept des Sabbats: «Am siebten Tage sollst du ruhen.»
Nicht als Zwang, sondern als Möglichkeit.
Wie die Ruhe gestaltet wird,
kann verschieden sein. Jeder Mensch hat andere Ruhemuster. Der eine kann
runterfahren, indem er aktiv ist, Sport treibt und sich auspowert. Für einen
anderen ist die vollständige Passivität der richtige Weg, um zur Ruhe zu
finden.
Eine Bekannte von mir sitzt
oft nur auf einem Stuhl und tut nichts. Gar nichts. Stundenlang. Das tut ihr
gut. Eine andere Freundin geht oft lange im Wald spazieren. Die neueste
Gehirnforschung hat belegt, dass Bewegung aktiv zum Abbau von emotionalen
Stress führt. Dem Raum zu geben, ist auf jeden Fall gut.
Konzentration auf etwas anderes oder die Seele baumeln lassen?
Autorin Kerstin Hack
Wieder andere brauchen
entspannte Begegnung mit anderen Menschen, um Stress abzubauen. Und dann gibt
es noch die Menschen, die Kraft schöpfen, indem sie sich intensiv auf etwas
anderes konzentrieren – sei es die Modelleisenbahn, ein Kunstwerk oder ein
Puzzle.
Mir selbst tut es nach
anstrengenden Zeiten gut, einen Tag nur zu trödeln. Ohne festen Plan hier und da etwas
Kramen, Aufräumen, Lesen, Schlafen, Teetrinken – das füllt meine Tanks
wieder auf.
Was für den einen wohltuend
ist, kann für einen anderen Menschen sehr stressig sein. Deshalb gibt es keine
Pauschalantworten, wie man am besten zur Ruhe findet. Es ist hilfreich, für
sich selbst zu entdecken, was das ist. Hauptsache ist, dass man regelmässig
Zeiten hat, in denen Körper und Seele regenerieren können. «Am siebten Tage
ruhte Gott» – das war keine schlechte Idee. Und es tut uns gut, wenn wir es ihm
nachmachen.
Wir können es geniessen,
nichts tun zu müssen. Der Computer bleibt aus, die Arbeit bleibt liegen. Die
Seele baumelt. Die Gedanken im Kopf und auch der Körper finden zur Ruhe. Es ist
eine Zeit der Freiheit.
Praxistipps:
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Plane: Was hilft dir, zur Ruhe zu
finden? Wann und wie kannst du kürzere und längere stille Zeiten in dein Leben
einbauen? Gönne dir am besten gleich nach dem Lesen dieses Artikels ein paar
Momente Ruhe.
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Notiere: Habe Schreibzeug
griffbereit, wenn du zur Ruhe kommen willst. So kannst du Gedanken notieren und
hast Kopf und Herz wieder frei.