Fachtagung Resilienz

Widerstandskraft in Zeiten schwerer Belastung

650 Personen erfuhren in Sursee Ermutigendes zum Thema «Wachsen im Leiden». Drei Referate und verschiedene Workshops zeigten die vielfältigen Möglichkeiten, wie Menschen mit Belastungen an Körper und Seele umgehen und wie sie als Gewinner daraus hervorgehen können.
Junge Frau am Strand an einem windigen Tag
Monika Riwar
Delia Schreiber

«Wachsen können wir nur durch Leiden. Aber lieber leiden als wachsen vermeiden.» Das Zitat von Anna Hirzel-Langenhan brachte auf den Punkt, was die Referenten aus medizinischer, theologischer und psychotherapeutischer Sicht zum Thema Resilienz aufzeigten. Samuel Pfeifer erläuterte, warum Belastungen auch stark machen können.

Er nannte Paradoxa der Resilienz. «Zeit lässt sich nicht forcieren. Deshalb: Nimm dir Zeit! Ergib dich in den Rhythmus des Lebens, den Gott in deinem Leben zulässt.» Die zweite These: Vernunft tröstet nicht. Es genüge nicht, sämtliche Fakten zu kennen und sich gut zuzureden. Es sei daher wichtig, nicht nur auf den Verstand zu bauen, sondern sich auch im Herzen ansprechen zu lassen und der Seele in harten Zeiten Gutes zu tun. «Gib die Hoffnung nicht auf, auch wenn manche Versprechungen und Wünsche nicht in Erfüllung gehen», ermutigte Samuel Pfeifer. Und ein weiterer Punkt: Lerne im Dunkeln zu gehen – du bist nicht allein!

Begrenzung gehört zum Leben

Die Seelsorgerin Monika Riwar ergänzte Samuel Pfeifers Ausführungen aus theologischer Sicht. Begrenzung sei ein Wesensmerkmal der Schöpfung. «Der Versuch des Menschen, diese zu überwinden, war zerstörerisch. Der Baum der Erkenntnis war nicht für den Menschen gedacht, der Mensch ist und bleibt ein Angewiesener», betonte sie. Der Tod begrenze irdisches Leben, daher sei ein «Leben im Überfluss» auch so zu verstehen, dass es über diese Grenze hinausreiche. Es fliesse über unser zeitliches Gefäss des Lebens von Geburt bis Tod hinaus. Andererseits kam Gott in der Gestalt Jesu zu uns, und damit fliesse das wahre Leben von aussen in das Gefäss hinein. «Es geht nicht darum, etwas zu haben, sondern jemanden zu haben», betonte Monika Riwar.

Gemeinschaft hilft heilen

Delia Schreiber ist Psychologin und macht sich stark für Patientenkompetenz. Wie Monika Riwar ist es auch ihr wichtig, Ratsuchenden auf Augenhöhe zu begegnen. «Wir haben nicht nur zu geben, wir lernen gegenseitig voneinander.» Daher seien Patienten die wahren Experten auf ihrem Gebiet. Sie seien es auch, die schliesslich den Gewinn entdecken könnten, der aus Leidenszeiten entstehe. Der Kreislauf von Diagnose, Ab- und Auflehnung, Einverständnis, Aufbruch in eine neue Normalität sei dabei nicht zu umgehen. «Eine Brustkrebs-Patientin erklärte mir, diesen Weg hätte sie nicht gewählt. Aber die Lebensqualität, die sie schliesslich errungen habe, gäbe sie nie mehr her.» Auch Angehörige sind vom Prozess, den eine Krise auslöst, betroffen und müssen schliesslich eine neue Normalität akzeptieren.

Glaube, Beziehungen, Sinn

Wie andere Referenten erwähnte auch Delia Schreiber die Logotherapie des jüdischen Arztes Viktor Frankl. Frankl formulierte drei Faktoren, die das Überleben schwerer Schicksalsschläge möglich machen: Glaube, gute Beziehungen und Lebenssinn. Sein Verlangen, seinen Studenten die Wahrheit dieser Thesen mitzuteilen, die er in Auschwitz schmerzlich selber überprüfen konnte, liessen Frankl die Haft überstehen.

Alles hat seine Zeit

«Es gibt eine Zeit für alles, auch eine Zeit für das Leiden», führte Delia Schreiber aus. «Auch das Auf und Ab der Gefühle ist normal.» Manchmal sei es noch zu früh für tröstende Worte. «Gefühle sind Indikatoren für das, was in uns ist», zitierte sie Josef Campbell. «In der Höhle, vor der du dich fürchtest, ist der Schatz, den du suchst». Doch allein sei es schwierig, Gefühle zu deuten oder Schätze zu entdecken. Die Hirnforschung belege, dass Gemeinschaft den Heilungsprozess begünstige – Gemeinschaft mit Gott, mit sich selbst und mit ermutigenden Gleichgesinnten.

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Datum: 11.06.2015
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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