Sensible Auslegung gefragt

Kein «Wunder von Harlem»

Bei einer schweren Gasexplosion im New Yorker Stadtteil Harlem wurden letzte Woche zwei Wohnhäuser völlig zerstört. Dabei starben sieben Menschen, 64 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Jetzt geht eine sehr unweise, aber christlich klingende Pressemeldung durch die Welt: «Das Wunder von Harlem: Bibel übersteht Gasexplosion».
Bilder von nach der Gasexplosion in Harlem

Die 80 Jahre alte Bibel wurde bei den Bergungsarbeiten fast unversehrt aus den Trümmern der beiden zusammengestürzten Wohnblöcke geborgen. Das ist allein wohl kaum eine Nachricht wert, denn sicher haben auch andere Gegenstände das Unglück unversehrt überstanden. Aber in christlicher Ausdeutung des Fundes unterstreicht ein Pastor gegenüber den New York Daily News: «Das Gebäude ist eingestürzt, aber das Wort hat überlebt.»

Die menschliche Seite

Wie sich solch ein Satz wohl als Betroffener anhört? Oder als Angehöriger? Klingt er nicht wie «Ihr Mann ist zwar beim Einsturz ums Leben gekommen, aber freuen Sie sich mit: Das Wichtigste wurde gerettet: eine Bibel …»? Es ist schon mehr als unsensibel, in einer Situation wie dieser mit zahlreichen Toten und Verletzten davon zu reden, dass ein Buch – per se ein lebloser Gegenstand – «überlebt» hat. Selbst, wenn es sich bei dem Buch um eine Bibel handelt.

Die theologische Seite

Die christliche Sicht, dass Gottes Wort lebendig ist, wird von vielen Bibelabschnitten gestützt. «Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert …» unterstreicht zum Beispiel der Schreiber des Hebräerbriefs. Doch in allen Bezügen dieser Art geht es entweder um Jesus Christus selbst als das lebendig gewordene Wort Gottes oder um die quasi lebendige Kraft der Bibel. Nie geht es um ein einzelnes Buch.

Gut, dass Gott anders denkt …

Gottes Wort ist lebendig und hat so manchen Angriff überstanden. Doch nach diesem Unglück in New York können Christen eigentlich nur das tun, was Jesus jetzt tun würde: Mit den Trauernden weinen, die Verzweifelten trösten, für sie da sein und ihnen helfen. Unwahrscheinlich, dass Jesus stattdessen in den Trümmern nach einer Bibel suchen würde …

Datum: 19.03.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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