Was hilft der Wirtschaft und den Menschen?

Die Dringlichkeit seiner Bewältigung ergibt sich vor allem dadurch, dass Arbeitslosigkeit primär ein menschliches Problem darstellt. Arbeitslosigkeit kann bei den Betroffenen zur Sinn- und Orientierungskrise führen. Arbeitslose fühlen sich nutzlos, denn in der Leistungsgesellschaft ist nur derjenige etwas "wert", der Leistungen erbringt. Das Übermaß an Zeit kann als Leerlauf empfunden werden. Jugendliche reagieren darauf oftmals mit Aggressionen, ältere Menschen neigen zu Resignation und Depression. Mangelnde finanzielle Absicherungen rufen zusätzliche Konflikte hervor.
Diese offensichtliche Not arbeitsloser Menschen darf der christlichen Gemeinde nicht gleichgültig sein. Durch ihre Bindung an den Herrn ist sie dazu berufen, sich der "Mühseligen und Beladenen" (Matthäus 11,28) anzunehmen. Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass sie sich Klarheit über Möglichkeiten zur Überwindung von Arbeitslosigkeit verschafft.

Konjunkturelles Auf und Ab

Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist vor allem wichtig, Arbeitslosigkeit ursachengerecht zu bekämpfen. Sie kann durch konjunkturelle Schwankungen der Wirtschaftstätigkeit entstehen. Mit Auf- und Abschwüngen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und Produktion sind - zeitverzögert - Schwankungen der Arbeitsnachfrage verbunden.

Eine konjunkturell hervorgerufene Arbeitslosigkeit kann mit einer antizyklischen Ausgaben- und Einnahmenpolitik des Staates bekämpft werden. Investitionsprogramme können zum Beispiel dazu beitragen, dass die wirtschaftliche Aktivität angeregt und zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Möglich wäre es, die Einkommens- und Körperschaftssteuer zu senken, Investitionen durch Zulagen und Zinssubventionen zu begünstigen oder Abschreibungen zu erleichtern. Mit Hilfe von Beschäftigungsprogrammen können im öffentlichen Sektor Stellen geschaffen werden, so zum Beispiel im Gesundheitswesen, in Kultureinrichtungen, in der Kinder- und Altenbetreuung. Ferner können Arbeitsplätze durch Lohnkostenzuschüsse billiger gemacht werden.

Zu viel ausgegeben

Beschäftigungs- und Investitionsprogramme sind nicht unproblematisch, denn sie verursachen erhöhte staatliche Ausgaben. Werden diese durch Steuererhöhungen finanziert, reduziert sich das Einkommen der privaten Haushalte oder die Gewinne der Unternehmen. Bei einer Verschuldung des Staates steigt hingegen das Zinsniveau und verschlechtert das Investitionsklima. Problematisch ist ferner, dass Investitionshilfen die Investitionsausgaben in zeitlicher Hinsicht verlagern. Bei Lohnsubventionen ergeben sich Probleme durch "Mitnahmeeffekte".

Dem Staat ist es darüber hinaus in der aktuellen Rezession kaum möglich, Investitions- und Beschäftigungsprogramme durchzuführen. Er hat es versäumt, in der Hochkonjunktur zu sparen, um in der Rezession die Ausgaben erhöhen zu können.

Es wird behauptet, konjunkturelle Arbeitslosigkeit ließe sich auch mit einer expansiven Geldpolitik bekämpfen. Durch eine Erhöhung der Geldmenge sinke der Zins und Kredite würden billiger; Unternehmer dehnten ihre Produktion aus und stellten zusätzliche Arbeitskräfte ein. Dagegen ist kritisch einzuwenden, dass eine expansive Geldpolitik auch Lohnsteigerungen verursacht, zu einer erhöhten Kostenbelastung führt und - in der Folge - Inflation auslöst.

Ständiger Wandel

Die Dynamik des Wettbewerbs führt dazu, dass permanent neue Produkte und Produktionsverfahren entwickelt werden und Marktstrukturen sich verändern. Insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer hat Hochlohnländer darauf verwiesen, traditionelle Produktbereiche aufzugeben und in neue technologie- und wissensintensive Felder vorzudringen. Der Strukturwandel wird begleitet von einer stetigen Entlassung und Neueinsteilung von Arbeitskräften.

Die Bewältigung des strukturellen Wandels ist in vielen westlichen Industrieländern zum Problem geworden. Durch protektionistische Wirtschaftspolitiken werden vom Strukturwandel bedrohte Wirtschaftszweige vor der Auslandskonkurrenz geschützt und konserviert. Da kein Zwang zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen besteht, entstehen verkrustete, starre ökonomische Strukturen; die Stützung der veralteten Sektoren erfordert darüber hinaus zunehmende Eingriffe des Staates in die Wirtschaft. Langfristig gehen errungene Vorteile im Wettbewerb verloren, Arbeitslosigkeit entsteht.

Unflexible Tarifpartner

Problematisch in Deutschland ist darüber hinaus, dass die Tarifpartner wenig Bereitschaft zeigen, auf Veränderungen flexibel zu reagieren. So sind zum Beispiel die Tariflöhne nach unten kaum bewegbar, Arbeitszeiten weitgehend reguliert. Auch Regulierungen aus sozialen Gründen (etwa Kündigungsschutz) senken die Anpassungsflexibilität der Unternehmen. Ein Aufweichen dieser Starrheiten erscheint dringend erforderlich. Notwendig ist des weiteren, die Ordnung des Tarifsystems zu reformieren. Dabei sollte dem Prinzip Rechnung getragen werden, dass derjenige, der die Macht zur Gestaltung besitzt, auch die Verantwortung für die Folgen seines Handelns zu tragen hat. Nach diesem Grundsatz sind die Tarifpartner an den Folgen ihrer Politik zu beteiligen. Möglich wäre es, die Arbeitslosenversicherung auf die Tarifpartner zu übertragen. Dabei müssten die Tarifpartner zum Beispiel zwischen einer Erhöhung der Löhne um 5 Prozent bei erhöhten Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung um 7 Prozent und einer geringeren Steigerung der Löhne um 3 Prozent bei geringeren Arbeitslosengeldzahlungen von 3 Prozent abwägen. Bei hoher Arbeitslosigkeit würden keine hohen Lohnforderungen durchgesetzt, da die Vorteile, die mit hohen Löhnen einhergehen, durch hohe Leistungen der Arbeitslosenversicherung zunichte gemacht werden.

Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass sich eine strukturelle Arbeitslosigkeit nicht mit konjunkturpolitischen Maßnahmen im oben beschriebenen Sinne bekämpfen lässt. Notwendig ist darüber hinaus, dass auch Arbeitnehmer auf den strukturellen Wandel reagieren und sich durch Weiterbildung an Veränderungen des Arbeitsmarktes anpassen.

Arbeitszeit reduzieren?

Eine Arbeitszeitverkürzung kann verschieden durchgeführt werden:

- Es könnte die Wochen Arbeitszeit reduziert werden (35-Stunden-Woche).

- Denkbar wäre auch eine Beschränkung von Überstunden oder eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit (Vorruhestandsregelungen).

- Schließlich ist auf die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung hinzuweisen.

Arbeitszeitverkürzungen halten häufig nicht das, was man sich von ihnen verspricht. In Unternehmungen führen sie zu großen Planungsproblemen: So werden zum Beispiel bei der Senkung einer 40-Stunden-Woche auf 35 Stunden viele kleine Anteile unterschiedlicher Arbeitsstellen frei, die unmöglich von einem Neueingestellten bewältigt werden können. Bei schlechter Auftragslage werden eher die Kapazitäten niedriger gefahren, als dass neue Arbeitskräfte eingestellt werden. Da es wegen des Kündigungsschutzes schwierig ist, nicht mehr benötigte Arbeitskräfte zu entlassen, wird man auch versuchen, auf Überstunden auszuweichen. Eine massive Arbeitszeitverkürzung enthält darüber hinaus die Gefahr, dass Arbeitnehmer ihre gewonnene Freizeit dazu nutzen, einen zweiten Beruf auszuüben oder "schwarz" zu arbeiten.

Diskursive Strategien, mit denen Arbeitslosigkeit auf überbetrieblicher Ebene durch Verhandlungen zwischen Staat, Arbeitgeber und Gewerkschaften reduziert werden soll, sind wenig erfolgversprechend. Erfolge sind nur zu erwarten, wenn mit den Gesprächen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Da auf betrieblicher Ebene der Faktor Arbeit einen Kostenfaktor darstellt, können Arbeitsplätze nur geschaffen werden, wenn sie rentabel sind.

Datum: 27.03.2002
Autor: Werner Lachmann
Quelle: Chrischona Magazin

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