«Meine Aufgabe ist es, Menschen zu Jesus zu ziehen»
pro: Ihre Alben habe alle eine Farbe, das aktuelle ist das blaue Album. Welche Bedeutung hat das Farbenspiel?
Sefora
Nelson: Farben ziehen mich in der Inkubationsphase an. So nenne ich
das, wenn ich mit den Themen schwanger gehe. Und zurzeit ist das Blau.
Die Weite des Horizonts zum Beispiel und die Kombination mit
durchsichtig. Wasser ist ja auch nicht blau, aber wir sehen es so. Der
Himmel ist eigentlich auch nicht blau. Interessanterweise stehen die
Farben immer auch in Verbindung mit den Liedern, die ich schreibe. Bei
diesem Album sind es die Themen Zeit, Weite, Ewigkeit, Loyalität,
Freundschaft. Und ich wollte, dass dieses Album mal so ein richtig
cooles Album wird. Das davor war ja das Hymnen-Album mit den Wurzeln und
den Holzfarben: Eher nach unten gerichtet auf mein Glaubensfundament.
Und dieses Mal steht über dem Album: «Gott, bist du gross! Du bist Alpha
und Omega.»
Was ist die Kernaussage des neuen Albums «Du bist»?
Jedes
Lied hat seine eigene Botschaft. Wie eine Predigt. Ich sehe mich ja als
singende Predigerin. Ein Lied ist ein Thema. Wie zum Beispiel in «Adieu»: Abschied von einem lieben Menschen. Ich kann das Album
unmöglich in einer Aussage zusammenfassen. Wir haben den Titel «Du bist»
gewählt wegen des Satzes «Du bist Alpha und Omega». Gott ist Grösse und
Souveränität. Ein verstecktes Thema, das sich durch das Album zieht, ist
Demenz. Weil dieses Gefühl von Zeit bei Menschen mit Demenz
verschwimmt. Und im Gegensatz dazu ist und bleibt Gott. Menschen kommen
und gehen aus unserem Leben, aber er ist.
Wie entstehen Ihre Songs?
Aus
dem, was passiert und was meine Seele zum Schwingen bringt. Vorgestern
habe ich zum Beispiel eine Frau getroffen, die ich bestimmt schon zehn
Jahren nicht mehr gesehen hatte. Wir haben gewisse Dinge in der Bibel
verschieden gesehen. Wir haben beide nach bestem Wissen gesagt:«Ich
kann es gar nicht anders sehen, ich verstehe das so.» Dann sind unsere
Wege auseinandergegangen. Nach zehn Jahren haben wir uns wiedergesehen
und dann haben wir geredet und uns sind die Tränen runtergelaufen, weil
wir uns so vermisst haben. Wir lieben uns so, sind aber trotzdem noch in
unserem Prozess der verschiedenen Sichtweisen. Dann hat sie einen Satz
gesagt, der mich schier umgehauen hat: «Wir sehen uns spätestens am
Ziel.» Ich bin ins Auto gestiegen, mir sind die Tränen runtergelaufen
und ich habe gedacht: Was für ein schönes Bild. Du kannst nicht mit
jedem Menschen den Weg gemeinsam gehen, aber wenn wir beide Jesus im
Zentrum haben, sehen wir uns spätestens im Ziel. Dann fiel mir ein:
Darüber gibt es noch gar keinen Song! Direkt im Auto habe ich mir schon
die Melodie und die Verse überlegt.
Was möchten Sie mit Ihrer Musik erreichen?
Früher
hat man mir gesagt: «Sing. Rede nicht. Du bist zum Singen geboren.»
Dann habe ich gedacht, ich sage aber noch kurz was zu meinen Liedern.
Die Zuhörer meinten dann: «Die Lieder waren toll, aber das, was du
gesagt hast, hat mich total berührt.» Wenn ich ich bin und ich Gott Gott
sein lasse, erlebe ich es, dass Menschenherzen weich werden. Und meine
Aufgabe ist es dann, die Menschen nicht zu mir zu ziehen, sondern zu
Jesus. Wir treffen uns alle am Kreuz.
Sie hatten vor einiger Zeit ein Sabbatjahr. Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag danach verändert?
Auch
wenn man etwas gelernt und eingesehen hat, ist es erstaunlich, wie
schnell man wieder in «business as usual» zurückfällt. Da muss ich
wirklich aufpassen. In meinem Jahr mit Gott und ohne Termine habe ich
aber gelernt, Zeit zu geniessen. Zeit mit Gott zu geniessen und ihr auch
den Stellenwert zu geben, der ihr gebührt. Ich glaube, ich bin besser
geworden darin, Dinge abzusagen oder eben nicht zuzusagen. Wenn zum
Beispiel eine Anfrage für einen Auftritt auf einen bestimmten Termin
festgelegt ist, ich da aber ein Familienwochenende eingeplant habe. Da
muss ich dann dranbleiben und den Auftritt nicht zusagen. Und Zeit mit
Gott zu haben, ist mir wichtig geworden. Es kann bei mir nur sprudeln,
ich kann nur geben, wenn ich wirklich an der Quelle war.
Sie hatten letztes Jahr ein besonderes Konzert im Stuttgarter Rotlichtviertel. Wie kam es dazu?
Das
Konzert im Rotlichtviertel war so besonders. Ich bin im Kuratorium des
Hoffnungshauses Stuttgart und wurde eingeladen. Es war ein ganz kleines
Konzert. Es war so schön, wie offen die Frauen mit mir geredet haben.
Sie haben mir im Konzert Fragen gestellt und mich direkt in ihre Mitte
genommen. Ich wurde buchstäblich von allen Seiten angefasst. Ich hatte
ja meinen Hut auf und eine Frau sagte: «Zeig mir mal, wie hoch deine
Stirn ist. Und wie ist dein Haarverlauf?» Sie wollten wissen, wie ich
bin. Und dann haben sie angefangen, sich zu öffnen. Es gibt ja auch
aktive Prostituierte da.
Ich hatte nach dem Konzert einen kleinen CD-Tisch aufgebaut und jede Frau hat eine CD geschenkt bekommen. Eine kam zu mir und ich sagte: «Na, schöne Frau?» Da hat sie mich mit ihrer tiefen Stimme – man hörte die Spuren von Alkohol und Drogen – fast angeschrien: «Hör auf, das stimmt gar nicht.» Ich sagte: «Doch, du bist so schön!» Und ihr Mann daneben meinte, sie habe immer gehört, sie sei nicht schön, und könne das deshalb auch nicht glauben. Er kam später mit der CD für sie zu mir und sagte: «Schreib bitte noch rein: 'Für die schönste Frau der Welt.' Denn sie braucht Mut.» Also bei diesem Konzert ist wirklich was passiert...
Ausserdem sind Sie im vergangenen Dezember im EU-Parlament in Brüssel beim Europäischen Gebetsfrühstück aufgetreten.
Der
Termin im Parlament war ganz anders als der im Rotlichtviertel. In
Brüssel haben sie gesagt, ich hätte einen guten Zugang zu Politikern.
Obwohl ich mich da gar nicht gut auskenne. Es waren bestimmt 700 Leute
dort. Es war eine gewaltige, internationale Atmosphäre. Das war wirklich
schön, weil ich ja sehr international bin. Ich habe italienische Wurzeln
und in verschiedenen Ländern gelebt, spreche fünf Sprachen und mein Mann
kommt aus der Karibik. Im EU-Parlament war ich genau richtig, hatte ich
das Gefühl. Ich konnte ein Lied in vier verschiedenen Sprachen singen:
Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch. Es kamen danach Anfragen
aus Korea, Indien und bis hinauf aus dem Weissen Haus.
Wie entspannen Sie vom Musikgeschäft?
Ich
wusste das eine lange Zeit nicht. Bei mir war das ein Prozess. Zurzeit
gehe ich gern ins Freibad, frühmorgens oder spätabends, und schwimme
einfach. Und zwar richtig viel, ein paar Kilometer. An einem Tag gehe
ich dann in die Frauensauna und mache manchmal eine Anwendung. Ich liebe
Wellness. Wenn ich nicht singen würde, hätte ich vielleicht ein Spa
aufgemacht. Ein Komplex mit Naturschwimmbad, Moorpackungen, Massagen …
Alles ganz natürlich. Und schön müsste es sein. Ruhe. Ich entspanne
nicht, wenn ich ins Kino gehe. Oder wenn ich zu einem Fest gehe, wo
viele Leute sind.
Sie haben Familie, sind aber viel unterwegs. Wie vereinen Sie das Tour- und das Familienleben?
Wir
haben die Regel, dass ich jedes zweite Wochenende zu Hause bin. Und
unter der Woche bin ich regulär auch zu Hause, ausser an Tagen wie heute
mit Presseterminen. Wenn man meine Kinder fragt, sagen sie: «Mama, du
bist aber oft weg.» Das tut mir immer ein bisschen weh. Aber ich bin
immer noch mehr da als jedes andere Elternteil, das regulär ins Geschäft
oder Büro geht zum Arbeiten. Jetzt gerade hatte ich allerdings das neue
Album selbst produziert. Da ist man doch mal hier und da eine Woche am
Stück weg. Ich träume davon, ein Management zu haben und eine
Sekretärin, damit ich zu Hause auch wirklich da bin. Aber ob ich das
hinkriege, die Büroarbeit abzugeben, ist nochmal eine andere Frage.
Welche Musik hören Sie privat?
Ich
bin kein grosser passiver Musikhörer. Da muss ich schon aktiv nach etwas
suchen oder mir fällt in einem Film Musik auf, die ich dann
recherchiere. Was ich aber doch passiv mache: Chillout-Playlists hören,
die es ja vorgefertigt gibt. Da hört man noch Leute im Hintergrund und
wie jemand einen Kaffee zubereitet. Das finde ich richtig cool. Das
erinnert mich an meine Zeit in Chicago, wo man sich in einen Starbucks
setzt und dort arbeitet. Das hat für mich was Globales. Und Kaffee, oh
my goodness, ist so schön! Das ist Lebensqualität. Da kocht man nebenher
und die Musik läuft und man denkt sich: Yeah, that's nice.
Welche Farben für weitere Alben sind noch übrig?
Sobald
ich dabei bin, ein Album abzuschliessen – das ist eigentlich schon bei
der Mixphase –, kann ich mich bereits ein Stück von dem Thema
verabschieden, was für den Rest der Welt neu ist. Dann kommen bereits
die nächsten Ideen, obwohl man eigentlich mal Ruhe und Pause haben
möchte. Aber bei einem kreativen Menschen ist das wohl so. Ich könnte
mir ein Weihnachtsalbum gut vorstellen in der Farbe Silber mit
Schneeflocken und mit mir im Wald. Ich könnte mir vorstellen, mit einem
Knabenchor zusammenzuarbeiten, alte und neue deutsche Lieder mit
reinzunehmen und alles ganz schlicht umzusetzen, auch für den säkularen
Markt. Wir Nelsons gehen in der Weihnachtszeit voll auf. Bei uns werden
dann Sterne an jedes Fenster gehängt, draussen werden die Winterblumen
mit Kugeln und mit Lichtern geschmückt. Und wir suchen da immer nach
schöner Musik. Um Jesus und seine Geburt muss es gehen, aber auch um die
Winterzeit.
Dann schreibe ich ab und zu Kinderlieder. Eine Einschlaf-CD könnte ich mir vorstellen. Manche Kinder benutzen meine CDs zum Einschlafen, mein Sohn auch. Eine Kinder-CD, ganz einfach mit Ukulele und drei Akkorden pro Lied, fände ich toll. So, dass man sie auch in Krabbelgruppen nachspielen kann. Ein Kinderbuch ist schon lange am Werden, da fehlt mir aber noch der Illustrator. Ein Buch mit ganz sanften Farben, wodurch Kinder zur Ruhe kommen.
Zum Originalartikel auf PRO:
PRO Medienmagazin
Hier kommen Sie zum neusten Album von Sefora Nelson:
«Du bist»
Hier können Sie Liedausschnitte vom Album «Du bist» hören:
Zum Thema:
Christliches Hip-Hop-Duo: «O'Bros»: «Wir haben sogar Morddrohungen erhalten»
Ihr Glaube trägt sie: Taube Sängerin bei «America's got Talent»
Sängerin von «Härz»: Carrie Underwood ist ihr grosses Vorbild
Datum: 23.08.2019
Autor: Swanhild Zacharias
Quelle: PRO Medienmagazin / www.pro-medienmagazin.de