Sandy Pattons Jubiläum

In der Schweiz fand sie den Gospel

Die in Michigan (USA) geborene, afroamerikanische Sandy Patton feierte ihren 70. Geburtstag und beschenkte sich selber mit einem frischgeschriebenen Album «The Saga of Reflective Perspectives». Es erzählt die musikalische Geschichte, wie sich die Populärmusik vom 19. hinein ins 20. Jahrhundert entwickelte.
Sandy Patton
Sandy Patton (ganz rechts) mit Stevie Wonder

Ihr eigenes Leben hat auch einiges zu erzählen.Seit 25 Jahren in Bern lebend, hat Sandy Patton den Jazz in der Schweiz gefördert und selber den Gospel hier neu entdeckt. Livenet hat die wache und powervolle Sängerin in der Schweizer Hauptstadt getroffen und im «Exklusiv-Interview» von Rückblick und Zukunfts-Visionen erfahren.

Livenet: Ein aktuelles Top-Thema; wie war Ihre Einwanderung damals, und wie erleben Sie die Schweiz heute?
Sandy Patton: Mit 27 Jahren war ich das erste Mal in der Schweiz und hatte im Kursaal am Berner Jazz-Festival gesungen. Das war 1977. In den 1980ern hatten wir Gala-Konzerte und später organisierte der Schweizerhof in Bern regelmässig Jazz-Konzerte. Dann lebte ich im legendären Häxe-Hüsli im Matte-Quartier. 1992 begann ich, an der Swiss Jazz-School in Bern zu unterrichten.

Niemand hat mich rassistisch behandelt; alle waren sehr höflich und offen, oder zumindest wurde es nicht laut ausgesprochen. Jeden Morgen zünde ich eine Kerze an und danke dem Herrn, dass ich meinen Traum leben darf; von und für die Musik zu leben. Gleichzeitig würde ich niemals in den USA wohnen wollen. Ich hatte ein Haus, wollte es jedoch nicht behalten und verkaufte es. Die Regierenden bringen es fertig und jagen alles in die Luft. Also, wenn Sie noch dahin reisen wollen, gehen Sie solange das Land noch existiert.

In der Schweiz empfand ich niemals Angst. Selbst als bei mir ein Einbruch verübt wurde, blieb die Ruhe, aber sobald ich in den Staaten aus dem Flugzeug aussteige, fühle ich mich nicht mehr sicher. Ein Unterschied zu damals? Die Preise steigen. Speziell wenn du pensioniert bist und nicht so viel Einkommen hast, merkst du das.

Welche Sounds und Lieder packen Sie am meisten?
Ich bin mütterlicherseits in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Viele Onkel spielten Instrumente und meine Mutter sang. Wir hörten viel klassische Musik und in den 1950ern und 60ern Jazz im Radio; bevor der Motown-Sound kam. Einmal brachten mir meine Eltern ein Geschenk vom «Lionel Hampton-Konzert» mit, und einige Jahre später durfte ich selber mit ihm an Konzerten singen.

Gospel hatte mich in der Kindheit noch nicht so gepackt. Unsere Familie war in einer konservativen Methodisten-Kirche, doch die Baptisten hatten fetzigen Sound und groovigen Gospel. Vorbilder waren natürlich Mahalia Jackson oder ein Paul Robeson – Ol' Man River (Showboat – 1936) – der eigentlich Opernsänger war, und auch sehr politisch. Meine Freundin Bernita Bush hat mich dann so richtig auf den Gospel gebracht – hier in der Schweiz.

Sie singen und leben Gospel, welches ist Ihre Hauptbotschaft und Ihr Lieblingsbibelvers?
«Wenn du wirklich glaubst, ist alles möglich und du bist nie allein.» Und der Psalm 23, den wir auch singen. Du betest nicht für Materielles, für Dinge, sondern für Möglichkeiten, Arbeit und so weiter, und der Herr war immer treu und hat geantwortet. Ich wusste schon immer, dass ich ein Kind Gottes bin.

Sie waren die erste Grandmother der Berner Band «Grand Mother's Funck», wie war die Zusammenarbeit mit diesen Musikern?
Eine Studentin fragte mich für die erste CD an. Dann haben wir in Prag aufgenommen: Bad von Michael Jackson and Ray Charles mit «Hard times». In Burgdorf war dann die CD-Veröffentlichung mit Verstärkung und allem Drumunddran. Das war einfach zu heftig für meine Stimm-Bänder, das war ich nicht gewohnt und musste leider aufhören.

Mit dem CD-Release am 8. März haben Sie zugleich ihren 70. Geburtstag gefeiert. Was möchten Sie noch erleben?
Ja, das CD-Projekt hatte schon 2015 mit einem Trio gestartet. Wir hatten dann einen Bruch, aber durch die bereits vorhandenen Sponsoren musste ich weitermachen und eine neue Band organisieren. Gitarrist und Multitalent Slawomir Plizga arrangierte dann die bekannten Klasssikstücke mit Bezug zu neuen Kompositionen neu für das Streichquartett. Und jetzt durften wir die Premiere feiern – in ausverkauftem Haus.

Ich bin Gott täglich dankbar, noch hier zu sein. Mit 60 sterben immer wieder Leute, und da steigt dann die Dankbarkeit. Selber habe ich meinen Ehemann in Marseille verloren.

Meine Visionen: Ich plane, noch mit dem eigentlich unbekannten Komponisten von «Hello darling» und anderen weltberühmten Liedern eine Zusammenarbeit. Er ist auch von Miami. Dazu gebe ich noch Privatunterricht und mache Konzerte, bin meine eigene Produzentin, Organisatorin und Putzfrau. Und ja, ich liebe Worte, bin wohl nicht ganz unintellektuell und mag auch kreative Wortspielereien wie den neuen CD-Titel «The Saga of Reflective Perspectives». Zum Beispiel zur CD «Painting Jazz, Vol.2» habe ich einige selbstgeschriebene Lieder beigesteuert.

Schluss-Zitat:

Zweifle nie am Glauben: Einige der besten Dinge kann man nicht sehen oder anfassen – aber sie werden zu dir kommen! Zweifle nie am Glauben!

Zur Person:

  • Geboren in Inkster (Michigan), wohnhaft in Bern
  • Sängerin des Jazz, Gospel
  • Während ihres Studiums an der Howard University begann sie professionell als Musikerin zu arbeiten
  • Zusammenarbeit mit Lionel Hampton, Dizzy Gillespie, Cab Calloway, Jimmy Woode, Al Grey etc.
  • Sie ist weiterhin an Einspielungen von Grand Mother's Funck, Rainer Glas, Peter Schärli und Martin Schrack beteiligt und singt auch symphonische Gospel im Duett mit Esther Feingold
  • Sie war von 1995 bis 2013 Professorin für Jazzgesang an der Swiss Jazz School bzw. der Hochschule der Künste Bern
  • Album Nr.1: Waltz Forever, My Love (1996) plus gegen 10 weitere Alben

Am 22. März 2018 tritt Sandy Patton im Kellertheater LaMarotte auf. Die Band unternimmt eine musikalische Reise in das 18. und 19. Jahrhundert. In der damaligen Populärmusik widerspiegelte sich das Schaffen klassischer Meister wie Chopin, Ravel, Fauré, Debussy, Rachmaninoff und anderen. Deren Einfluss auf die Jazzmusik lässt sich bis heute noch erkennen. «The Saga Of Reflective Perspectives» ist das Jubiläumsprojekt zur Feier des 70. Geburtstags der international bekannten Sängerin und Pädagogin Sandy Patton. Adresse: Centralweg 10, 8910 Affoltern am Albis

Gewinnspiel

Unter allen, die eine E-Mail an redaktion@livenet.ch schreiben, wird die CD «The Saga of Reflective Perspectives» von Sandy Patton verlost. Teilnahmeschluss ist am 28. März 2018. Bitte vermerken Sie Ihren Namen und die Postadresse.

Zur Webseite:
Sandy Patton

Zum Thema:
Gospel als Lebensberufung: Bernita Bush: Sie singt nicht nur zur Weihnachtszeit

Ein besonderes Duo: Black Gospel trifft auf weissen Jazz
Sommergospel mit Afro-Touch: Gute Stimmung und Grooves für Herz, Bein und Hüften

Datum: 22.03.2018
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service