Cohen: alt und postmodern

Der Sänger des «Hallelujah» ist tot

Ich muss gestehen – es ist eine späte Liebe. Ich lernte Leonard Cohen erst vor ein paar Jahren kennen, als mir jemand eine CD von ihm schenkte (Danke, Cla). Inhaltlich habe ich gemischte Gefühle, musikalisch fand ich ihn grossartig. Er hat dafür gesorgt, dass Millionen von Menschen «Halleluja» gesungen haben und noch immer singen. Persönliche Abschiedsgedanken von Reinhold Scharnowski.
Leonard Cohen verfasste das Lied «Hallelujah».
Leonard Cohen

Leonard Cohen war Kanadier und Jude von seinem religiösen Hintergrund her. Der Mann mit der wunderbaren tiefen Stimme war allerdings «gläubig» nicht in einem spezifisch religiösen, sondern einem spirituell-universalen Sinn. Ihm waren nicht Lehren, Religionen oder Ideologien wichtig, sondern seine Gefühle und Erfahrungen. «Ich weiss, dass es ein Auge gibt, das über uns allen wacht», sagte er 1985 in einer Reflexion über sein vielleicht bekanntestes Lied «Hallelujah».

«Vor dieser grossen Macht, die grösser als alles ist, was wir kennen, stehe ich in Bewunderung und knie in Respekt.» Über das Christentum sagte er einmal: «Ich liebe Christus. Ich sehe das Christentum als die welthistorische Mission bestimmter Ideen, die die Juden entwickelt haben. Die Christenheit ist eine mächtige Bewegung, und so haben diese Ideen die Welt durchdrungen. Das Christentum ist der missionarische Arm des Judentums. Wie Maimonides sagte: 'wir arbeiten alle für die kommende Welt'.» 

Nicht besonders gut aufgepasst

Wenn Cohen eine religiöse Erziehung genossen hat, hat er eventuell nicht besonders gut aufgepasst. Im Song «Hallelujah» beginnt er mit David, der dem Herrn singt, dann Bathseba, deren Schönheit ihn umwarf – um dann übergangslos bei Simson und Delilah weiterzumachen, die ihn an einen Küchenstuhl band, seinen Thron zerbrach und sein Haar abschnitt. Oberflächlich ein recht krudes Birchermüsli von biblischen Referenzen, zutiefst postmodern – irgendwelche Versatzstücke werden neu zusammengesetzt.

Aber was solls? Hauptsache «Hallelujah». Das Lied handelt ja eigentlich nicht von Religion, sondern von der Liebe und ihren Schmerzen. Für Cohen war «Hallelujah» eher eine Chiffre – «ein wunderbares Trotz-Wort, gegen allen Schmerz und alle Katastrophen unserer Welt», wie er es sinngemäss in einem anderen Interview ausdrückte.

Jetzt stehe ich vor dem Herrn der Lieder

«Lobet den Herrn» – das bedeutet Halleluja wörtlich, und das wird dank Cohen bis heute Millionen Mal in der Welt gesungen. Der letzte Vers dieses Liedes – das er übrigens selbst in den verschiedensten Versionen sang – möge über seinem Abschied stehen. 

I did my best, but it wasn't much
I couldn't feel, so I tried to touch
I've told the truth, I didnt come to fool you
And even though it all went wrong
I'll stand before the Lord of song
With nothing on my tongue but Hallelujah
Hallelujah, Hallelujah
Hallelujah, Hallelujah
Hallelujah...

Ich habe mein Bestes getan, aber das war nicht viel
Ich konnte nicht fühlen, darum versuchte ich, zu berühren
Ich habe die Wahrheit gesagt, ich bin nicht gekommen, euch zu täuschen.
Und auch wenn alles schiefgegangen ist,
werde ich vor dem Herrn der Lieder stehen
mit nichts auf meiner Zunge als Hallelujah.
Halleluja ….

Zur Webseite:
Die deutsche Übersetzung vom Lied

Zum Thema:
«Hallelujah» im Finale: Vikar und sein Chor sorgten in britischer Castingshow für Furore
«The Voice of Israel»: Araberin gewinnt mit «Hallelujah»

Datum: 12.11.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service