Zersägt und verschleppt

Die vier Apostel und Dürers Bekenntnis zur Reformation

Albrecht Dürer wurde vor 550 Jahren geboren. Der Ausnahmekünstler aus Nürnberg ist bekannt für seine (damals) provozierenden Bilder. Zu seinem Spätwerk gehören «Die vier Apostel». Sie spiegeln seine Auseinandersetzung mit der Reformation wider – und sie haben eine spannende Geschichte.
Portrait von Albrecht Dürer (Bild: Wikipedia)
Das Gemälde «vier Apostel»

Es sollte sein letztes Monumentalwerk sein. Ein gutes Jahr vor seinem Tod malte Albrecht Dürer (1471–1528) die zwei zusammenhängenden und knapp überlebensgrossen Bilder von Johannes, Petrus, Markus und Paulus. Er wollte die Bilder der Stadt Nürnberg als eine Art persönliches Vermächtnis schenken und bat nur darum, das Werk «bey gemainer Statt zu sein gedechtnuß zu behalten und in frembdte händt nit kommen zu lassen» (Sonntagsblatt). Der Stadtrat bestand allerdings darauf, wenigstens ein Ehrenhonorar von 100 Gulden dafür zu zahlen – immerhin zwei Jahresgehälter damaliger Normalverdiener. Doch die Gemälde sollten nicht lange in Nürnberg bleiben.

Dürer und die Reformation

Dürer war immer mehr gewesen als ein Künstler. Stellvertretend für Nürnberg – seine Stadt – war er 1518 auf dem Augsburger Reichstag und kam spätestens dort mit den Ideen Martin Luthers in Kontakt. Er besorgte sich dessen Schriften, las darin und schrieb in einem Brief an Georg Spalatin darüber: «Und hilft mir Gott, dass ich zu Martin Luther komme, so will ich ihn mit Fleiss abkonterfeien und in Kupfer stechen zu einem dauernden Andenken des christlichen Mannes, der mir aus grossen Ängsten geholfen hat.» Zur persönlichen Begegnung mit Luther kam es trotz dieser befreienden Wirkung auf Dürer nie. Doch scheinbar hatte die Reformation trotzdem grossen Einfluss auf ihn. Er bekam durch die Bauernkriege deren Schattenseiten mit, aber genauso die rettende Botschaft durch den persönlichen Kontakt mit Luthers Weggefährten Philipp Melanchthon.

Ein persönliches Bekenntnis

Dürer nahm an den Nürnberger Religionsgesprächen 1525 teil. Danach wurde die Reformation in Nürnberg offiziell eingeführt. Kurz darauf schuf er seine «vier Apostel» für die Stadt. Dürer orientierte sich in der Darstellung an gängigen Heiligendarstellungen. Doch es ist bestimmt kein Zufall, dass Petrus (als Inbegriff der katholischen Kirche) fast völlig hinter Johannes verschwindet, und Markus hinter Paulus (dem Wegbereiter der reformatorischen Gedanken Luthers) kaum eine Rolle spielt (vgl. Becket «Die Geschichte der Malerei» nach Wikipedia).

Persönlich wird die Darstellung der vier Apostel auch durch Inschriften, die Dürer unter den Bildern anbrachte. Es sind biblische Zitate aus der damals neuen Lutherbibel, die besonders die «weltlichen regenten» auffordern, die Bibel zu achten und sich vor «falschen prophetten» genauso in Acht zu nehmen wie vor ethisch-moralischem Verfall und kirchlicher Verkommenheit.

Zersägt und verschleppt

Bald darauf starb Dürer, wahrscheinlich an den Spätfolgen einer Malariaerkrankung. Und seine Mahnung zu den Folgen religiösen Eifers und politischer Machtansprüche zeigte sich besonders an diesen Gemälden. Im Dreissigjährigen Krieg erpresste der katholische bayerische Kurfürst Maximilian I. die Herausgabe der «vier Apostel». Er wollte das Werk gern in München haben und liess die Nürnberger wissen, dass er ein Nein als «einen sondern hohen Despect» betrachten würde. Die protestantischen Nürnberger waren auf den Frieden mit Bayern angewiesen und erwähnten die «anstössigen» Bibelverse darunter. Maximilian liess sich die Bilder trotzdem ausliefern, die Texte wurden abgesägt und zurückgeschickt.

Seit 1922 sind die Bibeltexte wieder unter den Gemälden montiert, doch entgegen Dürers Wunsch befinden sich seine Bilder immer noch in der Alten Pinakothek in München – als eine Art Beutekunst. Eine Rückgabe scheint auch zu Dürers 550. Geburtstag nicht geplant zu sein.

Bleibendes Zeugnis

Für die einen sind «Die vier Apostel» ein historisches Gemälde. Andere sehen darin die humanistische Darstellung der vier Temperamente: Johannes als Sanguiniker, Petrus als Phlegmatiker, Markus als Choleriker und Paulus als Melancholiker. Dass die beiden Bildtafeln darüber hinaus auch eine glaubensmässige Botschaft haben, unterstrich vor ein paar Jahren die Krimiserie «Pfarrer Braun» mit Ottfried Fischer in der Hauptrolle. In der Folge «Das Erbe von Junkersdorf» geht es unter anderem darum, dass ein Lutherportrait gefunden wurde, das die beiden Apostelbilder Dürers zu einem Triptychon der Reformation vervollständigt. Diese Story ist vollkommen fiktiv. Gleichzeitig fängt sie den Geist des Spätwerks von Dürer ein: auf diesen Luther und einen Glauben, der frei macht, wollte er hinweisen.

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Datum: 22.02.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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