Bibel TV auf Sendung

Maren Hoffmann Rothe moderiert "Bibel TV - das Magazin", das auf NBC läuft. Interview am Schluss.

Hamburg. Mit Lesungen, Ratesendungen und Spielfilmen rund um das Thema Christentum will der Spartenkanal Bibel TV seit Dienstag Zuschauer vor den Fernseher locken. Den ersten deutschen Spartenkanal für Christen sollen nach Hoffnung der Anbieter künftig täglich 50.000 bis 100.000 Menschen einschalten. Dies ist nur mit einer digitalen Satellitenschüssel auf dem Dach möglich. Das sind nach Angaben der Programmchefs 1,7 Millionen Haushalte in Deutschland. Auf Predigten will der Sender bewusst verzichten. Denn Geld bekommt er von der gemeinnützigen «Bibel TV Stiftung» und diese wiederum von katholischen, evangelischen und freikirchlichen Einrichtungen.

Bei Pop statt Predigten sollen auch Kirchenmuffel einschalten. Möglich ist das nur denen, die eine digitale Satellitenschüssel auf dem Dach haben. Das sind nach Angaben der Programmchefs 1,7 Millionen Haushalte in Deutschland.

Viel Programm - keine Predigten

Die Zuschauer von Bibel TV erwartet vieles - nur keine Predigten. Auf die hat der Sender bewusst verzichtet. Nicht aus Angst, dass zu viele Zuschauer wegzappen könnten, versichert Sprecher David Wessler, sondern aus Rücksicht auf kirchliche Empfindlichkeiten: "Eine Predigt beinhaltet da einfach zu viele Auslegungsfragen", sagt Wessler. "Bevor wir uns zanken, wollen wir lieber das vermitteln, was uns eint."

Einend sind nach Ansicht von Geschäftsführer Henning Röhl, der zuvor als MDR-Chef wirkte: Bibel-Lesungen, Bibel-Dokus, Bibel-Ratesendungen, Bibel-Zeichentrickserien, Bibel-Spielfilme und vor allem Musik, natürlich christliche. Mit dem Musikprogramm "Jericho" will der Sender einen grossen Teil der 24-stündigen Sendezeit bestreiten.

Eine Stunde Klassik pro Woche

Dabei werden mehr Sakro-Pop, -Rock oder -Hiphop zu hören sein als klassische Choräle. Nur eine Stunde Klassik pro Woche sieht die erste Programmplanung vor, aus ganz weltlichen Gründen: Mehr könne sich der Kanal derzeit nicht leisten, erklärt Wessler, denn moderne Songs seien viel preiswerter. Ebenfalls aus Kostengründen wird ein Grossteil des 24-Stunden-Religionsprogramms aus Wiederholungen und eingekauften Konserven bestehen. Ein bis zwei Stunden neues Material am Tag und unter zehn Prozent Eigenproduktionen, lautet nach Wesslers Angaben die Kalkulation.

Losgehen soll es am ersten Tag um sechs Uhr früh mit Bibel-Kino: "Der Jesus Film", eine Verfilmung von Jesu Leben. Zum Frühstück um acht Uhr folgt "Bibel TV - Die Bibel" mit Bibel-Clips und Bibel-Quiz, später gibt es eine Dokumentfilm über das Tote Meer, zwischendurch immer wieder Musik, mittags liest eine Sprecherin 15 Minuten aus der Bibel vor

Kritische Stimmen

Auf Distanz zum digitalen Fernsehkanal Bibel TVist die Vollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz gegangen. Sekretär Hans Langendörfer (Bonn) erklärte, dass man erstaunt über die Gesellschafter sei, die in letzter Zeit den Eindruck erweckt hätten, dass Bibel TV von der katholischen Kirche unterstützt werde. Dies sei nicht der Fall, zumal man das Konzept “nicht durchschaue”. Man wolle zunächst abwarten, wünsche dem Projekt aber “viel Erfolg”. In der offiziellen Pressemitteilung zum Abschluss der Vollversammlung in Fulda heisst es: “Bibel TV ist eine insbesondere im evangelikalen bzw. in freikirchlichen Gruppierungen beheimatete Initiative. Die katholische Kirche ist weder Gesellschafter, noch war sie bei der Gründung von Bibel TV beteiligt.” Allerdings hält die katholische Astratel Radio- und Televisions-Beteiligungsgesellschaft ebenso wie die evangelische Orbitel Medien GmbH 12,75 Prozent der Anteile an der Trägergesellschaft, der “Bibel TV Stiftung”. Die Mehrheit hat die Rentrop-Stiftung des Bonner Verlegers Norman Rentrop. Zu den weiteren Gesellschaftern gehören auch evangelikale Institutionen wie der Evangeliums-Rundfunk und die Vereinigung Evangelischer Freikirchen.

Warnungen und Euphorie

Während der Rundfunkbeauftragte der katholischen Bischofskonferenz, David Hober, davor warnte, der Sakro-Kanal drohe "eine Form von Ghettofernsehen" zu werden, hat Bibel TV auch uneingeschränkt euphorische Stimmen zu seinem Start eingefangen. "Eine super Möglichkeit", frohlockt zum Beispiel der brasilianische Ex-Bayern-München-Fussballer Jorghinho: "Bei uns in Brasilien sind solche Projekte gescheitert, aber Deutschland braucht wirklich Jesus Christus."

Bedarf vorhanden?

Der Zuschauer kennt Frauenfernsehen, Wetterfernsehen, Sportfernsehen, Einkaufsfernsehen, Musikfernsehen, Nachrichtenfernsehen. Es gibt kaum eine Sparte, für die nicht schon ein entsprechender Sender entworfen wurde. Nun also kommt Bibel TV dazu. Die Idee klingt zunächst sympathisch. Doch gibt es Bedarf nach einem weiteren Programm, nach einem, das vorwiegend Wiederholungen zeigt?

Christliches im Videoclip

Fast die Hälfte der Sendezeit wird mit Musik in der Rubrik "Jericho" gefüllt. Dazu liess Geschäftsführer Henning Röhl (59), früher Chefredakteur von "ARD aktuell" und zuletzt Fernsehdirektor des MDR, bei der offiziellen Vorstellung seines Spartenkanals die "kleine Sensation" heraus: "Wir wollen ein christliches VIVA oder MTV werden!" Schliesslich, so Röhl, begeistere die christliche Musik immer mehr junge Menschen. Diese dürfen sich auf Konzerte, Videoclips und Künstlerporträts, auf Kirchenchoräle und Kindergruppen, auf Klassik, Ethno, Rock und Pop freuen. Aber freuen sich Jugendliche wirklich über längst gesehene Videoclips von christlichen Pop-Bands wie Sixpence None The Richer ("Kiss me"), über knallharten Rock der geläuterten Ex-Knackis und jetzt "Reborn Christians" namens P.O.D.? Auch wegen seltener Gospel-Songs von Elvis Presley und Live-Übertragungen von kirchlichen Musik-Grossveranstaltungen dürften Teenager ihre Eltern kaum bedrängen, eine Digitalanlage zu kaufen.

Musik-Konserven sind aber günstig und das Budget von Bibel TV ist extrem klein. Entsprechend gross wird der Anteil an Wiederholungen sein. "Wir müssen aus wenig viel machen", sagt Röhl, "und Wiederholungen haben einen fast meditativen Charakter." Geld könne man mit Bibel TV nicht machen, die Kosten sollen aber wieder eingespielt werden. 750000 Euro darf Röhl im Jahr für sein Programm ausgeben - ein Bruchteil dessen, was ein herkömmliches Programm im analogen Fernsehen heute locker verschlingt.

Deutschlands Bundespräsident Johannes Rau indes zögert noch mit Vorschusslorbeeren: "Denn einen Spartenkanal", erklärte der Theologen-Sohn, "kann man eigentlich nur beurteilen, wenn man ihn gesehen hat."

Audio-Beitrag

Quellen: ERF/idea.de/Kipa/Berliner Zeitung/Livenet

Datum: 02.10.2002

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