Keusch und geschwätzig – der umstrittene Film "The Da Vinci Code"

Keusch und geschwätzig
Da Vinci Code - Sakrileg
Finde Robert Langdon
So kommt eine Verfolgungsjagd
Nachts am Arbeitsplatz

Louvre-Direktor Jacques Saunière wird nachts an seinem Arbeitsplatz ermordet. Seine letzten Lebensminuten nutzt er, um der Nachwelt eine Botschaft zu hinterlassen: Er zieht einen Kreis auf den Boden und legt sich zum Sterben nackt und mit ausgestreckten Armen und Beinen hinein.

An was erinnert das? An das weltberühmte Bildmotiv von Leonardo Da Vinci natürlich, zumal wir im Louvre sind. Aber das wäre zu einfach. Damit beginnt der zurzeit heftig umstrittene Film «The Da Vinci Code - Sakrileg» nach dem Bestseller-Roman von Dan Brown, der heute in die Kinos kommt.

Der Sinn verschlüsselter Botschaften besteht darin, sich nur wenigen zu erschliessen. Saunière, so der Auslöser von Dan Browns Verschwörungs-Plot, will eigentlich nur seiner Enkelin Sophie (Audrey Tatou) etwas sagen. Ihr allein aber traut er die Entschlüsselung seines Codes nicht zu, weshalb er sie anweist, mit Robert Langdon (Tom Hanks) einen amerikanischen Wissenschaftler zu kontaktieren.

Plumpe Botschaft

Das tut er wiederum auf erstaunlich plumpe Weise: «Finde Robert Langdon», lautet die letzte Zeile seiner geheimnisvollen Botschaft. Der Kommissar (Jean Reno), der an den Tatort eilt, hat jedoch sein eigenes Entschlüsselungssystem. Das besagt, dass das Mordopfer in seinen letzten Momenten der Nachwelt hinterlassen wollte, wer der Mörder ist. Also: Finde Robert Langdon!

So kommt eine Verfolgungsjagd in Gang, wie sie geeigneter fürs Kino kaum sein könnte: Sophie und Robert hasten den Hinweisen von Grossvater Saunière hinterher, ihnen dicht auf den Versen einerseits die französische Polizei unter der Führung von Jean Reno und andererseits die Hintermänner des Mordes an Saunière, deren dunkler Gesinnung Alfred Molina seine Glutaugen leiht. Dies ist wahrlich ein spannender Ausgangsstoff.

Mix aus Vermutungen und Fiktion

Spannung allein aber hätte Dan Browns «The Da Vinci Code - Sakrileg» allenfalls zum gut verkauften Saisonroman gemacht - aus dem Film wäre dann vielleicht ein schönes B-Movie geworden, eine Hommage auf «Charade», in dem Audrey Hepburn mit Hilfe eines smarten Amerikaners eine Art Schnitzeljagd durch Paris macht. Doch «Sakrileg» ist vom Bestseller zu einem der meist diskutierten Bücher avanciert. Kurz vor dem Filmstart erreichte die Kontroverse neue Höhepunkte. Browns Mix aus Vermutungen und Fiktion zufolge waren Jesus und Maria Magdalena ein Paar und hatten Kinder, deren Nachkommen noch heute leben.

Über die mangelnde literarische Qualität der Vorlage ist man sich einig. Es muss daher der süffisante Mix aus Verschwörungstheorie und angeblich unterdrückten Fakten aus der Geschichte des Christentums sein, der Wissenschaftler, Kirchenmänner und Feuilletonisten zu Gegendarstellungen provoziert. Denn dass es in «Sakrileg» um Dinge geht, die die Grundfesten des Christentums erschüttern könnten, ist Fachleuten zufolge stark übertrieben.

In Ron Howards Filmversion wird zwar bedeutungsvoll geraunt. Doch was im Buch durchaus mit blutigen und grausigen Details beschrieben wird, erscheint in der Umsetzung auf der Leinwand entschärft. Ganz offensichtlich wollte man keinesfalls jenes Nischenpublikum anziehen, das etwa Gefallen daran findet, wie Paul Bettany als Albino-Mönch Silas sich nackt vorm Spiegel die Peitsche gibt.

Geschwätziger Film

Werktreu ist der Film dagegen in anderer Hinsicht. Browns von Kritikern als eher kunstlos bewertete Schreibe reiht endlos Sätze in direkter Rede aneinander. Drehbuchautor Akiva Goldsman («Beautiful Mind») hat von diesen Dialogen erstaunlich viel übernommen und «The Da Vinci Code - Sakrileg» damit zu einem ungeheuer geschwätzigen Film gemacht, der unfreiwillig die grossen Schwächen der Vorlage mehr betont als verdeckt.

Schlimm sind die Szenen, mit denen die Erzählungen über Jesus und Maria Magdalena, über die Tempelritter und den Orden von Sion illustriert werden. Wie in den modischen History-Formaten des Fernsehens sieht man hier Laiendarsteller vor provisorischer Kulisse agieren: Maria Magdalena fasst sich an den schwangeren Bauch - dazu elegische Musik. Damit der Zuschauer die zeitlichen Ebenen nicht verwechselt, sind diese Nachinszenierungen in Zeitlupe und grobkörnigen Farben gehalten.

Zu grosse Erwartungen

Auf diese Weise wird den wunderbaren Schauspielern in den Nebenrollen viel Raum zur Entfaltung genommen. Ob Paul Bettany, Alfred Molina, Ian McKellen, Jean Reno oder Jürgen Prochnow - keiner erhält genug Gelegenheit, um wenigstens Freude am Chargieren zu zeigen. Und die Beziehung von Audrey und Tom bleibt keuscher als selbst der Vatikan es wünschen könnte. Durch die von den Produzenten willentlich angeheizte weltweite Kontroverse sind die Erwartungen an den Film unverhältnismässig gestiegen. Erfahrene Kinogänger rechnen in solchen Fällen immer mit einer gewissen Enttäuschung.

Mehr zum Thema: www.jesus.ch/da_vinci_code

Autorin: Barbara Schweizerhof

Datum: 17.05.2006
Quelle: Epd

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service