Da Vinci Code: recherchiert oder gesponnen?

Passion
Sakrileg
Dan Brown
Hank Hanegraaff

Als Mel Gibson den Film Die Passion Christi drehte einen Streifen, der in den Grundzügen den neutestamentlichen Berichten über Jesu Tod folgt - wurde er sofort angegriffen. Leon Wieseltier, der Feuilleton-Redakteur von The New Republic, bezeichnete Die Passion Christi als "ein abstossendes, masochistisches Fantasiewerk, (als) sakrales, im Tod des Hauptdarstellers endendes Machwerk", das "zweifellos antisemitische Züge" trägt.1 Maureen Dowd beschuldigte Gibson in einem Artikel in der New York Times, er unterstütze religiösen Eifer im Namen dessen, was Menschen heilig sei.2 Und Andy Rooney - bekannt wegen seiner TV-Sendung 60 Minutes - charakterisierte Gibson als "einen echten Spinner", der nur den Hintergedanken verfolge, Geld zu verdienen.3

Ganz anders verhält es sich mit Dan Brown und seinem Werk Sakrileg4. Dieser Roman stellt die neutestamentlichen Evangelien als "Erfindungen" und die Göttlichkeit Christi als frommes Märchen dar. Nach seiner Veröffentlichung wurde Brown sofort als brillanter Historiker gefeiert. Library Journal charakterisierte sein Werk als "überzeugende Mischung aus geschichtlicher Darstellung und fesselnder Spannung", als "Meisterwerk", das "zur Pflichtlektüre gehören sollte".5 Publisher´s Weekly bezeichnete es "als in je-der Beziehung sorgfältig recherchierten Thriller über religiöse Geheimgesellschaften, antike Vertuschungen und brutale Rache".6 Und der Bestsellerautor Nelson DeMille nannte Sakrileg "total genial".7

Warum erhält Die Passion Christi vernichtende, Sakrileg aber glänzende Kritiken? Wieso werden Gibsons Motive verunglimpft, während Browns Beweggründe scheinbar über jeden Verdacht erhaben sind? Weshalb wird die Verfilmung der Passion Christi als "abstossendes, masochistisches Fantasiewerk" bezeichnet und Jesu angebliche Ehe mit Maria Magdalena als durch Recherchen belegte wesentliche Tatsache propagiert? Die Antwort mag Sie überraschen. Sie liegt nicht in der Tatsache begründet, dass es in unserer zunehmend säkularisierten Kultur salonfähig geworden ist, abfällige Bemerkungen über Christus und die von ihm ins Leben gerufene Gemeinde zu machen. Vielmehr hat sie mit einer grossen Umkehrung der Werte zu tun. Fiktion - wie z.B. die Vorstellung, dass der christliche Glaube kreiert worden sei, um Frauen zu unterdrücken - wird in cleverer Manier als Tatsache an den Mann gebracht, während Tatsachen - wie die Göttlichkeit Christi - bewusst als Erfindungen ausgegeben werden.

Fast allen Behauptungen, die Brown in Sakrileg macht, liegen mehrere Aussagen zugrunde, die er auf S. 9 unter der Überschrift "FAKTEN UND TATSACHEN" noch vor dem eigentlichen Beginn des Romans präsentiert. Der bedeutendste "Fakt", der sich dort findet, wird folgendermassen dargelegt:

"Die Prieure de Sion, der Orden der Bruderschaft von Sion, wurde im Jahr 1099 gegründet und ist eine Geheimgesellschaft, die bis heute existiert. Im Jahr 1975 wurden in der Pariser Nationalbibliothek Dokumente entdeckt, die unter der Bezeichnung Dossiers Secrets bekannt geworden sind und aus denen hervorgeht, dass eine Reihe berühmter Männer der Prieure angehörten, darunter Sir Isaac Newton, Sandro Botticelli, Victor Hugo und Leonardo da Vinci."

Auf den ersten Blick scheint dies ziemlich harmlos zu sein. Doch Brown benutzt diesen "Fakt" (der in Wirklichkeit völlig aus der Luft gegriffen ist), um Jesus Christus, die Historizität der Evangelien und die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens zu diskreditieren. Brown stellt die Prieurd de Sion (oder "das Priorat von Zion") als Geheimgesellschaft dar, die darauf aus sei, den Skandal der Ehe Christi mit Maria Magdalena zu vertuschen. Ebendiese Maria wäre die wahre Führerin der Kirche gewesen, wenn sie nicht kurzerhand (d.h. durch ihre angebliche Ehe mit Christus) in apostolische Spitzenämter vorgedrungen wäre, die von einer männerdominierten Kirche geschaffen worden waren. Wie wir sehen werden, beruht ein Grossteil dessen, was Brown als Wahrheit ausgibt, auf einer fiktiven Darstellung aus der Feder eines Antisemiten, der vorbestraft ist. Dennoch ist Brown nach seinen eigenen Worten von der Seriosität seiner Behauptungen so sehr überzeugt, dass er nicht einen einzigen Tatbestand ändern würde, wenn er ein Sachbuch zum gleichen Thema schreiben sollte.8

Die Tatsache, dass Sakrileg viele Falschdarstellungen enthält, beweist natürlich nicht, dass der christliche Glaube wahr ist. Daher bestehen die nachfolgenden Artikel aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden Browns "Fakten" im Schnelldurchlauf untersucht. Es geht um die genaue Prüfung der Frage, ob die in Sakrileg gemachten Behauptungen historisch zuverlässig sind. Der zweite Teil ist apologetischer Natur: Darin wird dargelegt, dass die Bibel nicht menschlichen, sondern göttlichen Ursprungs ist. Ausserdem werde ich zeigen, dass Jesus Christus Gott in Menschengestalt und der christliche Glaube unter den Religionen der antiken Welt nachweislich einzigartig ist. Eines möchte ich klarstellen: Niemand sollte mit dem Eindruck zurückbleiben, dass sein Glaube durch die haltlosen Behauptungen und Lügen, die im Roman "Sakrileg" unter dem Deckmantel der Wahrheit präsentiert werden, untergraben worden ist!

Mehr zum Thema: Artikelserie Sakrileg Fakten

Autor: Hank Hanegraaff
Quelle: Dan Browns Sakrileg, Hank Hanegraaff & Paul L. Maier, CLV , ISBN 3-89397-553-5

Fussnoten:
1 Leon Wieseltier, "The Worship of Blood: Mel Gibson's Lethal Weapon", New Republic, 26. Februar 2004, http://www.tnr.com/.
2 Maureen Dowd, "Stations of the Cross", New York Times, 26. Februar 2004, http://www.nytimes.com/.
3 Andy Rooney, 60 Minutes (CBS), Sendung vom 22. Februar 2004.
4 Dan Brown, Sakrileg (Bergisch Gladbach: Gustav Lübbe Verlag, 2004).
5 Jeff Ayers, Library Journal (1. Februar 2003), S. 114.
6 Publisher's Weekly (18. März 2003), S. 76.
7 Brown, hintere Umschlagseite der US-amerikanischen Originalausgabe des Romans unter dem Titel The Da Vinci Code.
8 Dan Brown, Interview mit Charles Gibson, Good Morning America, ABC, 3. November 2003. Das folgende Gespräch zwischen Charles Gibson und Dan Brown ist diesem Interview entnommen. Es wurde in derselben Sendung ausgestrahlt. CHARLES GIBSON: "… Es handelt sich hier um einen Roman. Inwiefern würde die Darstellung anders ausfallen …, wenn Sie ein Sachbuch darüber schreiben würden?" DAN BROWN: "Meiner Meinung nach überhaupt nicht. Ich habe als Skeptiker mit den Recherchen zum Roman ›Sakrileg‹ begonnen. Dabei rechnete ich ganz damit, bei meinen Recherchen zum Buch diese Theorie widerlegen zu können. Doch nun, da ich zahlreiche Reisen nach Europa unternommen und ca. zwei Jahre lang recherchiert habe, bin ich wirklich davon überzeugt. Und es ist bedeutsam, daran zu denken, dass dies ein Roman über eine Theorie ist, die schon lange durch die Geschichte geistert" (Aufzeichnung der ABC News). Ausserdem trat Brown in Primetime Live (Monday): Jesus, Mary and Da Vinci, ABC, auf - einer Sendung, die ebenfalls am 3. November 2003 ausgestrahlt wurde. Darin sagte er in einem Gespräch mit Elizabeth Vargas: "Ich habe als Skeptiker begonnen. Als ich mit den Recherchen zu ›Sakrileg‹ begann, habe ich wirklich gedacht, dass ich einen Grossteil dieser Theorie über Maria Magdalena, das heilige Blut und all das Zeug widerlegen könne. Vergeblich! Nun bin ich davon überzeugt" (Aufzeichnung der ABC News).

Datum: 05.03.2006
Quelle: Fossilien: Stumme Zeugen der Vergangenheit

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service