Jesus war kein gewöhnlicher Rabbi

Dan Brown klärt seine Leser auf, dass es zur Zeit des Neuen Testaments für einen Juden, insbesondere für einen frommen Rabbiner, undenkbar gewesen sei, nicht zu heiraten (Seite 337). Tatsächlich wurde die Ehe in der gesamten Geschichte des Judentums grundsätzlich positiv gewertet. Anders als im späteren Katholizismus waren auch Priester und religiöse Lehrer verheiratet. Nie aber war die Ehe verpflichtende Vorschrift für fromme Israeliten.
Jesus - Frau

Berichte über alttestamentliche Propheten wie Elia erwecken durch die Art ihres Dienstes den Eindruck, als lebten sie ohne Frauen (1. Könige 17+18; 2. Könige 1). Jeremia soll auf Befehl Gottes ehelos bleiben, um sein Volk auf die drohende Verschleppung hinzuweisen (Jeremia 16,2ff). Auch im späteren Judentum werden unverheiratete Rabbinen genannt. Im Neuen Testament scheint Johannes der Täufer ohne Frau in der Wüste gelebt und gepredigt zu haben (Matthäus 3,1ff; Lukas 3,1ff). Von Paulus, der immerhin pharisäischer Gelehrter war, wissen wir aus seiner bisher unbestrittenen Selbstaussage, das er unverheiratet war (1. Brief an die Korinther 7,1.7ff; 9,5), ohne dass sein Zivilstand für Juden oder Christen zum Problem geworden wäre. (…)

Dan Brown kann auf keinerlei zeitnahe Quellen verweisen, die eine Ehe Jesu belegten, weder aus jüdischem, noch aus heidnischem oder christlichem Hintergrund. Dabei finden sich in den antichristlichen Polemiken jener Zeit durchaus Spekulationen über einen irdischen Vater Jesu, über manipulierte Wunder oder eine künstlich inszenierte Auferstehung. Hinweise auf Jesu Ehefrau hingegen finden sich nicht, obwohl eine noch machtlose Kirche kritische Stimmen nicht hätte unterdrücken können.

Erst relativ spät tauchen vage Andeutungen über eine mögliche Ehe auf. Spätere christliche Generationen bemühten sich, die wissensmässigen Lücken über Kindheit, Jugend und Privatleben Jesu durch fromme Phantasie zu füllen. Da die Ehe in jener Zeit zwar nicht vorgeschrieben, doch aber Normalfall bei den meisten Christen war, wurde Jesus zuweilen auch eine Frau angedichtet. Auf der Suche im Neuen Testament standen diesbezüglich nur wenige Frauen zur Auswahl, so dass sich Spekulanten schon bald auf Maria Magdalena als Ehekandidatin einigten.

In manchen neueren Publikationen wird - entsprechend gegenwärtigen Partnerschaftsvorstellungen - mit der Purpurhändlerin Lydia noch eine zweite Lebensabschnittsgefährtin Jesu ins Gespräch gebracht. Für beide Beziehungen existieren allerdings keinerlei ernstzunehmende historische Belege... Trotzdem behauptet Brown: Die Ehe zwischen Jesus und Maria Magdalena sei „eine historisch verbürgte Tatsache” (S. 335).

Mehr zum Thema:

Autor: Michael Kotsch
Auszug aus: Sakrileg - Geheime Evangelien? Logos, Lage, 2005

Datum: 11.05.2005

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service