«Die Geschichte von einem Gott, der mir Identität gibt»

Die Idee kam ihr im Jahr 2008, als sie zurück in die Türkei gezogen war, um mit ihren Eltern zu arbeiten. «Ich nahm an einem Fernkurs über Drehbuchschreiben teil.» Sie war inspiriert, ein Musical zu schrieben.

Ihre Mutter schlug ihr vor, eines über Ruth zu verfassen. «Ich war erstaunt über das Wirken Gottes in dieser gesamten Geschichte. Dass er zwei Frauen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt wurden, Schutz und Trost gewährt hat.» Sie kann es gut nachempfinden: «Da ich selbst aus zwei Kulturen stamme, habe ich immer mit dem Gefühl gelebt, dass ich nirgendwo hingehöre, auf der Suche nach jemandem, der mich akzeptiert. Und in Ruth hat mich die Art und Weise, wie sie von Boas betreut und akzeptiert wird, wirklich berührt, zumal es ein Spiegelbild dessen ist, wie Gott das für uns getan hat.»

Berührende Entschlossenheit

Sie fügt hinzu: «Der Teil der Geschichte, der mich wirklich getroffen hat und über den ich das erste Lied geschrieben habe, dreht sich um Ruths Entscheidung, bei ihrer Schwiegermutter Naomi zu bleiben. Nachdem sie sich auf eine Reise zurück in Naomis Heimat Bethlehem begeben haben, versucht Naomi, ihre beiden Schwiegertöchter in ihre Familien zurückzuschicken. Doch Ruth will sie nicht verlassen. Es gab eine Entschlossenheit und einen festen Willen, den ich in Ruth sah.» Das berührte Jay. «Es ist erstaunlich, dass sie aus Loyalität zu ihrer Schwiegermutter blieb. Ich glaube, sie hatte den Gott Israels, Naomis Gott, bereits kennengelernt. Naomi war wohl ihre einzige Verbindung zu dieser Wahrheit, und als sie mit ihr ging, verpflichtete sie sich gewissermassen, ihr Leben für Gott zu leben. Das macht Ruths Charakter unglaublich interessant.»

Ein Niemand an der Seitenlinie

Ruths Position als Aussenseiterin, die nicht ganz hineinpasst, schwingt mit Jays eigener Erfahrung mit. Ruth lässt eine ganze Kultur und ein ganzes Leben hinter sich, um mit ihrer Schwiegermutter in ein Land zu ziehen, in dem sie praktisch ein Niemand wird. Man schaut auf sie herab und lässt sie an der Seite zurück.»

«Wir streiten gerne über das Thema Einwanderung und Vorurteile. Was ich interessant finde, ist, dass die Bibel es einfach ausdrückt. Es gibt unzählige Verse in der Bibel, die davon sprechen, den Ausländer einzubeziehen, für den Ausländer zu sorgen. Boas ist ein guter Mann, weil er das Gesetz einhält und während der Ernte die Ränder des Feldes den Armen und Ausländern überlässt. Seine Entscheidung, das Gesetz zu befolgen, schützt Ruth und Naomi.»

«Ich fürchte, sie wird einen Topf zerbrechen»

«Es sind nicht nur die grossen Gesten, die zählen», erklärt Jay. «Ich ging einmal mit zwei meiner türkischen Freunde zum Haus ihres Verwandten, als ich hörte, wie einer von ihnen zum anderen sagte: 'Ich bin nervös, weil ich sie mitnehmen will.' Sie meinte mich. Sie dachten, ich höre nicht zu oder dass ihr Fachjargon zu umgangssprachlich sei, als dass ich ihn verstehen könnte. 'Warum?' fragte der andere. Sie antwortete mit einem türkischen Idiom: 'Ich fürchte, sie wird einen Topf zerbrechen' (was bedeutet, einen Fehler zu machen oder unangebracht zu sprechen).»

Das habe sie geschmerzt und nicht mehr losgelassen. «Meine Freunde hatten Angst, dass ich sie in Verlegenheit bringen würde, indem ich etwas gegen die Kultur tun würde. Ich machte sie nervös.» Immerhin war sie selbst in der Türkei aufgewachsen und lebte mittlerweile wieder im Land.

Ausländerin im eigenen Land

«Es ist eine kleine Sache, aber ich habe unzählige solche Momente als jemand erlebt, der in beiden Ländern ein Ausländer ist, und diese Augenblicke schmerzen. Sie lassen dich deine Kernidentität in Frage stellen, und als ich diesen Film über Ruth drehte, fühlte ich, dass ich dieses Element mit nach Hause nehmen und hoffentlich realistischer machen konnte. Es ist die Art von Dingen, die für viele Menschen auf der ganzen Welt immer realer wird.»

Jay bilanziert: «Ruth ist eine junge, verwitwete und damit alleinstehende Frau in einer Gesellschaft, in der Männer die Könige sind. Sie ist den Entscheidungen der Menschen ausgeliefert, und doch sehen wir zwischen ihr und Naomi eine Stärke, die die soziale Klasse und den Status quo überwindet.»

In England gedreht

Obwohl sie seit 2009 daran arbeitet, wurden die Dreharbeiten erst vor kurzem abgeschlossen. Ein Grossteil der Szenen wurde in Nord Yorkshire im Norden Englands gedreht.

Die endgültige Version des Films soll bis März 2019 fertig sein. Das ganze Projekt kam laut Jay Moussa-Mann mit einem «unglaublich niedrigen» Budget aus, das durch Investoren und persönliche Gelder zusammenkam. Der Film wird von «VisionVideo» koproduziert und vertrieben, zu dessen Werken auch «Das Kreuz und die Messerhelden» von David Wilkersons gehört.

Gott gibt Identität

Ihr Wunsch ist, dass der Film in Türkisch, Arabisch und anderen Sprachen synchronisiert wird. «Die Lieder würden gut in den Nahen Osten passen, weil sie ursprünglich auf Türkisch geschrieben wurden.»

In Bezug auf ihre Zukunft sagt sie: «Ich habe diesen Film noch nie als meine Visitenkarte als Regisseur oder den nächsten Schritt in meiner Karriere gesehen. Es ist einfach eine Geschichte, die ich liebe und die ich erzählen wollte, weil ich denke, dass sie ein Bild von einem Gott zeichnet, den ich kenne. Einem Gott, der mir Identität gibt in einer Welt, in der ich mich nie ganz akzeptiert fühl(t)e.»

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