Das Evangelium nach George Lucas

"Wir können alles auf die Leinwand bringen": Regisseur George Lucas und sein neuer, schwer bewaffneter Bösewicht
Ankunft auf Tatooine
Meister Yoda
Jedi Ritter

105 Millionen Dollar soll er gekostet haben, der zweite Teil der Star Wars-Saga. Und für dieses Geld bekommt man in "Episode II - Angriff der Klonkrieger" zumindest in tricktechnischer Hinsicht alles geboten, was heute digital möglich ist.

Star Wars ist längst ein Mythos, eine moderne Legende. Bewundern muss man den Weitblick, den Drehbuchautor Georg Lucas bereits zu Zeiten von den ersten drei Teilen von "Krieg der Sterne" walten liess. Für ein geringeres Regiehonorar behielt er damals alle Verwertungsrechte - und inzwischen haben nur schon die drei alten Star-Wars-Filme 4,5 Milliarden Dollar in seine Kassen geschwemmt.

Das Gemetzel geht weiter

Um es vorwegzunehmen: die Computertechnik in dem Film ist imponierend. Die Simulationstechnik macht revolutionäre Fortschritte. Bald wird die am Computer erzeugte Wirklichkeit echter aussehen als die fehlerhaft-unvollkommene vor unserer Haustür. Star Wars ist ein Albtraum von einem Computerspiel im Megaformat. Reicht es, wenn Gott ein Computer ist? Wie perfekt das zugeht, wenn Grossrechner nicht nur irgendeine Welt, sondern einen kompletten Kosmos erschaffen, das führt George Lucas einem verzückten Kinopublikum vor. Sein Gott, der Computer, schuf nun die Fortsetzung des Kinokosmos; wenn auch nicht in sieben Tagen, so doch binnen dreier Jahre. Ein Krach-Bumm-Zisch der Extraklasse: Unglaubliches, Niegeahntes, Ungeschautes zeigt er uns. Hinsichtlich Effektprotzerei und Gigantomanie setzt dieser Film neue Massstäbe.

Ausschliesslich digital wurde gedreht, jede Einstellung am Rechner erarbeitet. Die vielformigen Fahr- und Flugzeuge und schreckgesichtigen Weltraumwesen, sie alle entstanden rein virtuell. Sogar dort, wo der Film als Realfilm daherkommt, ist er Trickfilm. Die Augen gehen einem betrachtend über, pausenlos, alle paar Sekunden aufs Neue. Der Nervenkitzel ist vom Feinsten, die Spannung enorm.

Doch damit erschöpt sich bereits das Positive. Aufs ganze gesehen gehört der Film in die Kategorie: pädagogisch besonders schädlich. Nicht, weil hier Gewalt gezeigt wird, sondern wie sie gezeigt wird, ist das Problem: schmerzlos, seelenlos. Episode II ist auch ein Film der totalen Mobilmachung. Man rüstet für den Endkampf mit dem Reich des Bösen. Die Bösen ("Klonkrieger"!), maschinenhaft entindividualisiert, kann man massenweise abschlachten, aber es gibt so viele von ihnen, man kommt mit dem Liquidieren gar nicht nach.

Die Geschichte von Episode II ist schnell erzählt: Gleich im ersten Drittel des Films stürzen sich Anakin und Obi-Wan in eine atemberaubende Verfolgungsjagd, in deren Verlauf sie sich ungerührt in schwindelerregende Tiefen stürzen, als wüssten sie im voraus um die Unmöglichkeit ihres Todes. Anakin und Obi-Wan werden zum Schutz der Senatorin Amidala abgestellt. Die Galaktische Republik droht zu zerfallen, und die "dunkle Seite der Macht" bedroht Freiheit und Demokratie. Sie wird repräsentiert durch eine übermächtige "Handelsförderation", gelenkt von galaxisweit operierenden Grosskonzernen.

Der Krieg der Sterne ist offenkundig ein Wirtschaftskrieg, wie gehabt. Aber warum, um alles in der Welt, die Monopolkapitalisten-Föderation unbedingt den harmlosen Planeten Naboo erobern wollen, bleibt im Dunkel verlorener Drehbuch-Seiten verborgen.

Bizarre Spiritualität

Was fasziniert die Menschenmassen so daran, dass sie gar von einer Star-Wars-Religion sprechen, und das trotz der schlechten Kritiken, die jeder Film über sich ergehen lassen musste?

In einem Interview räumte zwar George Lucas ein, dass Glaube und Hoffnung sicherlich zentrale Themen in seinen Filmen seien. Doch so weit wie ihm das Filmemacher, Francis Ford Coppola, vorgeschlagen hatte, wolle er nun doch nicht gehen: gleich eine eigene Religion zu gründen. Es sei sicher nicht seine Absicht, eine Ersatzreligion zu liefern. Wenn man sich den Star-Wars-Kult allerdings genauer anschaue, musste Lucas zugestehen, könne man schon zu diesem Schluss kommen. "Ich muss aber zugeben, dass die Begeisterung der Leute für mich manchmal sehr bizarre Formen annimmt."

Die Wirklichkeit hat ihn längst eingeholt: Es gibt seit neustem Buddhisten, Juden, Katholiken, Protestanten, Moslems und Jedi. Mit einer E-Mail in Neuseeland fing alles an: Darin wurden Leute ohne Konfessionszugehörigkeit aufgefordert, bei einer Volkszählung im Britischen Königreich ihre Religion mit "Jedi" anzugeben. Bei mehr als 8000 Einträgen müsse Neuseeland nämlich "Jedi" als offizielle Religion anerkennen. Dasselbe Spiel folgte in Australien. Mit einem Bussgeld von 1000 Dollar versucht dort die Regierung, diesem dem Star-Wars-Wahn Herr zu werden.

Der E-Mail-Aufruf ging auch nach Grossbritannien. Dort mussten sich mindestens 10000 Menschen als "Jedi"-religiös eintragen. Das geschah dann auch. Das Formular, auf dem man seine Religioneintragen konnte, wurde um die Zeile "Jedi" erweitert. Neben anderen, alteingesessenen Religionen gab es nun ganz offiziell dieses Extrafeld "Jedi". Begeistert nehmen Star-Wars-Fans diese neue Option auf.

Ein Brite äussert sich voller Enthusiasmus zu dieser Jedi -Aktion: "Ich finde den Gedanken toll: Wenn in zehn Jahren jemand in die Statistik guckt, dann sieht er, dass ein bestimmter Bevölkerungsanteil 'Jedi' ist. Wir fühlen uns als Jedi-Ritter", teilt Luke Housego per E-Mail den Lesern des Magazins Wired mit: "Star Wars gibt uns Spiritualität. Es ist genauso, wie über die Bibel, den Koran oder die Torah nach einem höheren Selbst zu suchen. Mystik habe ich von Obi-Wan gelernt, nicht von Johannes dem Täufer."

Science Fiction Epos als Ersatz-Religion?

Natürlich ist es unter Film-Autoren kein Geheimnis, dass man seine Zuschauer dann am betroffensten macht, wenn man im kommerziellen Film mythologische bzw. religiöse Elemente einsetzt.

Das Hauptthema aller Star-Wars-Filme ist immer der Kampf zwischen Gut und Böse. Sowohl die gute Seite als auch die böse Seite sind erfüllt von "der Macht", die sie jeweils unterschiedlich nutzt und einsetzt. "Die Macht" ist die eigentlich Grundlage des Films, sozusagen sein Ethos. Sie bestimmt den Lauf der Dinge im Star-Wars-Universum und befähigt Menschen bzw. andere Wesen, spezielle Fähigkeiten zu entwickeln: "... sie umgibt uns, durchdringt uns, sie hält die Galaxis zusammen ... sie ist überall." Das klingt fast schon biblisch und christlich. Wie die Macht in Star Wars ist Gott immer um einem, umgibt die Menschen, spendet Kraft und Hoffnung (vergleiche Psalm 139).

Die Botschaft in den Filmen lautet: Die "dunkle Seite der Macht" ist derart mächtig, dass sie auch den besten Menschen zu korrumpieren vermag. Der Auserwählte soll das Böse nicht bezwingen, da das Böse immer existieren wird und nicht zu bezwingen ist. Er soll vielmehr den Ausgleich schaffen zwischen Gut und Böse. Die zwei Mächte sollen im Einklang miteinander stehen.

Einer der zentralen Sätze der Star-Wars-Saga lautet: "Möge die Macht mit euch sein ...!" Dieser Satz begegnet einem immer bei entscheidenden Übergängen und fehlt in keinem Star-Wars-Film. Die Tatsache, dass dieser Segensspruch in den Star-Wars-Filmen aufgenommen wurde, zeigt, dass das Bedürfnis der Zuschauer nach hoffnungsvollem, Trost spendendem Segen sehr gross ist. Man könnte auch von einer wachsenden Segensbedürftigkeit und einem ausdrücklichen Verlangen nach dem (nicht nur) kirchlichen Zuspruch von Segen in den verschiedensten Lebenssituationen sprechen.

Die Macht stellt die zentrale Grösse in den Star-Wars-Filmen dar. An der Beziehung der Protagonisten zur "Macht" entscheidet sich das Geschick der ganzen Galaxis. Die Macht ist eine Gottheit ohne Geschichte. Sie ist nicht eine Zusammenfassung der Taten Gottes, wie es die christliche Theologie in der Trinitätslehre zum Ausdruck bringt, sondern vielmehr eine esoterische Gottheit. Wer an ihr partizipiert, kann Laserschwerter oder Raumschiffe schweben lassen, sich also über die Gesetze des Raumes hinwegsetzen. Ausserdem gibt die "Macht" die Möglichkeit, nicht von der "Macht" erfüllten Menschen den eigenen Willen telepatisch aufzuzwingen. Mittels dieser Fähigkeiten ist der, der die Macht bewirken kann, den anderen Menschen überlegen.

Religiöse Parallelen

Die Jedi-Ritter sind auf die gute Seite der Macht eingeschworen. Sie tragen braune Kutten über ihrer eher einfach wirkenden Kleidung und haben immer die berühmten Laserschwerter bei sich. Ihre Erzfeinde sind die Vertreter der Macht des Bösen, die Sith, die stets in schwarzen Kutten zu sehen sind und meist als Einzelgänger in Erscheinung treten.

Es gibt noch weitere religiöse Parallen. Die eigentliche Hauptfigur der ersten drei Star-Wars- Filmen verkörpert der Junge Anakin Skywalker. Er ist von einer starken Aura umgeben, und die Macht ist, wie alle zu spüren glauben, besonders stark in ihm. Man hält ihn sofort bei seiner ersten Begegnung für den vor langer Zeit prophezeiten Auserwählten, den Erlöser, der die Macht wieder ins Gleichgewicht. Eine meist wenig wahrgenommene Szene in Episode I zeigt, wie Ankins Mutter erklärt, dass ihr Sohn das Ergebnis einer jungfräulichen Geburt sei.

Obwohl Anakin ein Sklavenjunge ist, so wie die unterdrückten Juden biblischer Zeit, und ein Talent für die Mechanik hat, das sich mit dem Talent des jungen Jesus für die Tischlerei messen kann, wird er auch, wie im tibetischen Buddhismus, als der Auserwählte bezeichnet.

Christentum und Taoismus, Technologie und Mystizismus - Lucas liefert ein religionsgeschichtliches Mischmasch und greift dabei auch in die Mottenkiste Hollywoods. Das Rennen der Streitwagen aus Ben Hur (Episode I) kommen bei ihm ebenso vor wie die Schlachtenszenen aus Spartacus.

Auch im aktuellen Film (Episode II) nimmt ähnliche Anleihen auf. Da wird ein paradisischer Planet gezeigt, dessen Regierung in einem überdimensionalen Marmor-Vatikan tagt. In einem Kolosseum des Bösen werden im Stile von Quo Vadis die gefangenen Hauptfiguren einem aussichtslosen Kampf ausgeliefert, und der Wohnort des Hauptschurken erinnert an Vorstellungen der Hölle aus dem Mittelalter.

Die Philosophie des Films spiegelt sich in der Aussage Jodas wider, sie lautet: "Leid führt zu Wut. Wut führt zu Hass und Hass führt zu unsagbarem Leid." Jedis haben zwar ihren Gefühlen zu vertrauen, da sie auf Grund ihrer Verbindung zur Macht mehr zu fühlen vermögen, als das Auge oberflächlich zu sehen vermag. Furcht gehört aber nicht zu den Gefühlen, von denen ein Jedi sich leiten lassen darf. Denn Furcht ist das Mittel, mit dem die dunkle Seite der Macht Einfluss auf einen Menschen gewinnt. So ist das "Fürchte dich nicht!" (analog zur Weihnachtsbotschaft in Lukas 2,10) eine wesentliche Botschaft des Films.

Fazit :

· Die "Macht" stellt eine göttliche Erscheinung dar.

· Es gibt einen Auserwählten, der die Christusrolle einnimmt und trotz seiner Abkehrung von der "guten Macht" schliesslich erlöst wird.

· "Fürchte dich nicht" ist eine zentrale Aussage der Star-Wars-Religion.

· Der Glaube an das Gute und der niemals enden wollende Kampf zwischen Gut und Böse dominieren den Film.

· Heilige der christlichen Religion sind in dem Star-Wars-Universum wiederzuerkennen (wie z.B. Anakins Mutter/Heilige Maria).

· Religiöse Riten werden aufgenommen (Lebensschuld, Feuerbestattung).

· Der Film fordert zur Toleranz im Umgang mit anderen Menschen auf.

· Der Segen, ein wichtiger Aspekt jeder Religion, bekommt auch hier eine bedeutete Rolle zugeordnet.

Wenn man nun diese Punkte auf sich wirken lässt, kann man auf jeden Fall sagen, dass es George Lucas geglückt ist, sein Science-Fiction-Universum mit den unterschiedlichsten religiösen Aspekten zu verweben und dabei ein in sich geschlossenes und "glaub-würdiges" Universum zu schaffen, in dem auch die Religion ihren festen Platz einnimmt. Der wird zwar in unserer Zeit immer mehr in Zweifel gezogen. Aber nachdem dieses Filmkonzept so hervorragend aufgeht und mit höchster Wahrscheinlichkeit auch weiterhin aufgehen wird, kann man sicher sein, dass Religion an sich nichts von ihrer Faszination verloren hat und dass das Bedürfnis nach religiösen Themen und zugesprochenem Segen nicht nachgelassen hat. Und dass das Böse auch in dem besten Menschen steckt (nach Georg Lucas) und dass deshalb jeder der Erlösung bedarf (nach Jesus). Hier dürfte die Schnittstelle zwischen Drehbuch und Bibel liegen.

Datum: 23.05.2002
Autor: Bruno Graber
Quelle: Jesus.ch

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