Jordan Peterson: «Ich bin erstaunt über meinen eigenen Glauben»
Jordan Peterson (Bild: Wikimedia / CC BY-SA 2.0)
Nach vielen Monaten schwerer Krankheit ist Jordan Peterson
mit einem neuen Buch wieder da – und offenbar näher dem christlichen Glauben
denn je.
«Ich handle, wie wenn es Gott
gäbe – und ich habe Angst, dass das stimmen könnte.» Das war lange das
«Glaubensbekenntnis» des gefeierten kanadischen Youtube-Stars, Dozenten und
Psychotherapeuten Jordan Peterson (58), den die New York Times für einen der
einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart hält. An ihm scheiden sich auch
die Geister wie selten: Für die einen ist er Advokat für Redefreiheit,
liberaler Denker und Ethiker – Kritiker werfen ihm vor, reaktionär zu sein und
patriarchalische Ideale zu fördern.
«Nur zu 5 Prozent»
Monatelang war es still um
Jordan Peterson. Er kämpfte mit seiner mentalen Gesundheit, einer
Autoimmunkrankheit und einer Tranquillizer-Sucht, die
er in Russland auskurierte. In bewegenden Videos beschreibt er offen, transparent
und verletzlich, wie sehr es mit ihm bis an die Grenzen ging – und darüber
hinaus. Er ist immer noch nicht gesund und funktioniert nach eigenen Aussagen «nur zu 5 Prozent». Dieser Prozentsatz reichte offenbar für sein neues Buch, das Anfang März erschien:
«Beyond Order: 12 More Rules for Life» (auf Deutsch ab
18. Mai)
Neue
Offenheit für Christus
Jonathan Pageau
Die Frage, ob er an Gott
glaube, hatte Peterson wiederholt als «privat» bezeichnet und sich geweigert, sich in eine Box einordnen zu lassen und zu glauben, dass es nur einen
Retter gebe, obwohl viele seiner Aussagen eine grosse Nähe zur christlichen
Lehre und Ethik erkennen lassen. In einem bewegenden Youtube-Gespräch mit
dem orthodoxen christlichen Künstler Jonathan Pageau bekannte Peterson nun eine
tiefere Offenheit für Jesus. «Der Unterschied – wie C.S. Lewis es gut
herausgestellt hat – zwischen diesen mythologischen Göttern und Christus ist
der, dass er auch historisch existiert hat. In Christus hat man also beides:
die Figur von Christus als Person, die wirklich lebte, plus den Mythos.
Christus ist die Vereinigung dieser beiden Dinge.» Und er fuhr fort: «Das
Problem ist, dass ich das wahrscheinlich glaube, und ich bin über meinen
eigenen Glauben erstaunt, ich verstehe das nicht» und fing an zu weinen. «Ich
habe einige Male erlebt, wie sich die objektive Welt und die Welt des Unsichtbaren
berühren, synchron sind. Ich habe das oft in meinem Leben beobachtet, also kann
man es nicht leugnen.»
Die unsichtbare Welt der
Moral, die uns sagt, wie wir handeln sollen (a narrative sense of the world),
ist nach Peterson «sehr real, auch wenn es nicht die objektive Welt ist. Diese
beiden Welten kommen in Christus zusammen, das scheint mir seltsam plausibel.
Ich weiss noch nicht, wie ich damit umgehen soll, es ist zu erschreckend. Ich
weiss nicht, was mit dir geschieht, wenn du das völlig glaubst.»
Pageau erklärte daraufhin,
dass, wenn Menschen «handeln, wie wenn Gott existiert», die erste Reaktion
nicht Moral, sondern «Aufmerksamkeit und Anbetung» ist – dass Gott also nicht unsere Anständigkeit, sondern unsere Anbetung sucht.
Hindernisse
für einen vollen Glauben
Hier wird Peterson erneut sehr
ehrlich und bekennt zwei wesentliche Probleme, die ihn (noch) daran hindern,
aus seinen Überzeugungen die vollen Konsequenzen zu ziehen. Einmal habe Jesus
(in Matthäus Kapitel 11 Vers 30) gesagt, dass «sein Joch leicht sei» und Freude
bedeute. Angesichts permanenter Schmerzen scheine diese Idee der Freude
ziemlich grausam für ihn – obwohl er und besonders seine Frau durch Krankheit
und den Krebs seiner Frau «ziemlich religiös geworden sind, vor dem Essen Danke
sagen und überhaupt für eine unglaubliche Menge von Segnungen unglaublich
dankbar sind». Trotzdem habe er Mühe mit seinen permanenten Schmerzen – obwohl
das letzte Kapitel seines neuen Buches heisst «Sei dankbar trotz deines
Leidens». Pageau wies in diesem Zusammenhang auf den Tod Jesu am Kreuz hin, in
dem tiefe Geheimnisse verborgen seien.
Ein anderes Problem ist für
Peterson die Tatsache, dass viele Christen und christliche Institutionen nicht
so handeln, dass sie glaubwürdig Zeugnis der Wahrheit ablegen: «Wirklich? Du
glaubst, dass Jesus der Sohn Gottes ist und du handelst so? Und du willst, dass
ich dir deinen Glauben abkaufe?» Hier wies Pageau auf den Prozess der
fortschreitenden Heiligung hin, den Prozess der Erlösung, der mit der Zeit passiert
und die Menschheit nicht auf einen Schlag von all ihren Sünden befreit, während
wir noch auf der Erde sind.
«Der
widerstrebendste Bekehrte»
Livenet ruft auf, für Jordan Peterson zu beten
in seinem Kampf mit der Wahrheit des Christentums und auch für seine weitere physische Heilung. Es sei daran erinnert, dass auch C.S. Lewis sich erst nach
langen intellektuellen Kämpfen 1929 als «der widerwilligste Bekehrte in ganz
England» Gott ergab, zuerst Theist wurde und erst später zur vollen Erkenntnis
Christi kam.
Übrigens: Unter den Hunderten von Reaktionen auf das oben erwähnte Video ist auch die folgende: «Dieses Video hat eine geistliche Erweckung in mir bewirkt, die ich noch nie erlebt habe. Es hat mich zu Gott und zu Christus gebracht. Ich bin 51 Jahre alt und habe mich nie als Christ identifiziert. Ich habe an diesem Wochenende angefangen, die Bibel zu lesen, zum ersten Mal als Erwachsener. Ich kann nicht ausdrücken, wie dankbar ich für diese beiden Männer bin!»