Mouhanad
Khorchide ist Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität
Münster. Er kämpft für eine grundlegende Reform des Islam, wobei ihm das
moderne reformatorische Christentum als Vorbild dient.
Mouhanad Khorchide (Bild: Screenshot Youtube)
Der 1971 in Beirut geborene und heute in
Deutschland lebende Mouhanad Khorchide ist überzeugt, dass der Islam zur Zeit
Mohammeds wesentlich menschenfreundlicher war als heute und einem positiveren
Gottesbild folgte. Doch die allmähliche Verknüpfung mit der weltlichen Macht
bzw. die Vereinigung von religiöser und weltlicher Macht im Kalifat habe den
Islam im ursprünglichen Gewand verfälscht. Dies zeige auch ein Vergleich des
Koran mit späteren Schriften und Gesetzessammlungen wie der Scharia. Sein im
Herder Verlag erschienenes Buch klagt daher auch die Repräsentanten des
heutigen orthodoxen und politischen Islam an. Es trägt den Titel «Gottes
falsche Anwälte» und den Untertitel «Der Verrat am Islam».
Die Verfälschung des ursprünglichen Islam
Die Hauptthese Khorchides lautet: «Bei dem
Islam, wie er sich heute den meisten Muslimen wie Nichtmuslimen präsentiert und
wie er von vielen Gläubigen praktiziert wird, handelt es sich um eine
manipulierte Version dieser Religion.» Die Erklärung dazu formuliert er in
einer weiteren These: «Nachdem Mohammed im Jahr 610 begonnen hatte, den Islam
als Botschaft der Freiheit und der Selbstbestimmung des Menschen zu verkünden,
imitierten autoritäre Herrscher bereits ab 661 eine Gegenbewegung: Aus dem
selbstbestimmten Menschen sollte nun ein Objekt des Gehorsams und der
Unterwerfung werden. Diese Gegenbewegung bestimmte nicht nur damals, wie sich
der Islam entwickelt hat, ihre Auswirkungen reichen bis heute tief in die
muslimischen Gesellschaften und die Köpfe vieler Muslime.
Die eigentliche Gefahr: der politische
Islam
Buchcover «Gottes falsche Anwälte»
Dieser Islam zeige sich heute nicht nur in
fundamentalistischen Formen von Salafismus und Dschjhad, sondern auch in einem
politischen Islam, der für Europa noch gefährlicher sei als der extremistische
Islamismus. Denn seine Vertreter fielen nicht durch Äusserlichkeiten auf,
sondern schienen gut integriert. Dem politischen Islam gehe es nicht darum, den
Islam in seiner ethischen und spirituellen Dimension zu verstehen, sondern mit
einem juristischen Regelwerk im Namen des Heiligen die Gesellschaft zu regieren
und zu kontrollieren. Er sieht es als Fehler, wenn die Politik sich mit
konservativen und politischen Islam-Repräsentanten arrangieren will. Denn diese
verfolgten eine Agenda, die den heutigen Rechtsstaat und die westliche
Demokratie abschaffen wolle.
Kampfbegriff «islamophob»
Er wirft auch den Medien vor, sich bereits
den Wortschatz des politischen Islam gebeugt zu haben, wenn sie Begriffe wie
Islamophobie einführen und «Islamkritiker» in ein schlechtes Licht stellen. Oder
wenn sie sich der Kritik am «weissen Mann» anschliessen. Als islamophob gelten
nach seiner Beobachtung inzwischen auch Leute, die den politischen Islam
kritisieren, wie der Autor dieses Buches selbst erfahren hat.
Von einer Reform des Islam träumen nicht
nur Bassam Tibi, der für einen Euro-Islam einsteht, oder die Politiologin Elham
Manea, sondern auch Khorchide. Er erkennt im ursprünglichen Islam Werte wie
Gottes- und Menschenliebe, die Befreiung des Menschen zu selbstbestimmten
Subjekten und «andere nichtverhandelbare humanistische Werte». Er nähert sich
damit einem modernen, reformierten Christentum. Die Frage stellt sich, ob er
damit nicht seine aufgeklärte Weltsicht in den Koran projiziert.
Für eine ehrliche Radikalkur
Für eine Reform des Islam spricht sich auch
der Islamkenner Kurt Beutler aus (Livenet berichtete). Auch nach seinen Beobachtungen hat der arabische Islam den
Koran verfälscht, der zum Beispiel auf zahlreiche biblische Bücher und Personen
verweist, die aber von heutigen Islam nicht anerkannt werden. Für eine Reform
des Islam müsse man daher noch hinter den Koran zurückgehen, so Kurt Beutler.
Denn der Islam beinhalte bezüglich dem Umgang mit dem Koran zahlreich
Widersprüche. «Es
braucht eine ehrliche Radikalkur, die hinter Mohammed zurückgeht», ist Kurt
Beutler überzeugt.