Publizist öffnet Horizonte

«Gott ist unkaputtbar» - echt?

Christian A. Schwarz, einer der profiliertesten Gemeindeforscher weltweit, hat ein neues Projekt gestartet: Eine Enzyklopädie von Büchern zu Erneuerungsfeldern des Glaubens. Als Einstieg in seine Gedanken kam jetzt das Buch «Gott ist unkaputtbar» heraus. Worum geht es?  
Christian A. Schwarz (Bild: Facebook)
Buchcover «Gott ist unkaputtbar»

Nein, dies ist keine Anleitung, wie Gemeinden besser, grösser oder erfolgreicher werden. Es geht um viel mehr. Christian Schwarz gibt nichts weniger als «12 Antworten auf die Relevanzkrise des Christentums». Wow. Seine These: «Wer will, dass das Christentum bleibt, wie es ist, will nicht, dass es bleibt».

Bonhoeffer als Angelpunkt

Das Denken von Dietrich Bonhoeffer und sein Ruf nach einem «religionslosen» Christentum ist für Christian Schwarz Ausgangs- und Angelpunkt seiner Überlegungen. Bonhoeffer entwarf (vor 70 Jahren!) die Vision einer Kirche in einer «mündig gewordenen Welt» - für Schwarz eine «Botschaft von bezwingender Aktualität».

Verändertes «Beteiligungsverhalten»

Der Gemeindeforscher unterlegt es – wie die meisten seiner Überlegungen – mit Zahlen und Untersuchungen: Christen besuchen weltweit heute nicht mehr in dem Masse die Gemeinde, wie es noch vor acht Jahren der Fall war. Statt sich hier bedroht zu fühlen, ist es die These von Schwarz, «dass die globalen Verwerfungen neue Chancen eröffnen, genau das zur Geltung zu bringen, worum es im Christentum eigentlich geht». In einem späteren Kapitel fordert er Kirchen dazu heraus, die 10 Prozent Zeit, die ein Christ bestenfalls in christlichen Räumen verbringt, dazu zu nutzen, ihn für die restlichen 90 Prozent welt- und dialogtauglich zu machen – keine neue, aber eine aktuellere Forderung denn je.

An den Rändern offen

Wenn man Sinn und Zweck dieses Buches verstehen will, ist es hilfreich, sich die Botschaft des Christentums nicht als geschlossenen Kreis, sondern als ein weites Feld mit einem Zentrum vorzustellen, dem dreieinigen Gott und der Person Jesu Christi. An den Rändern gibt es Grauzonen und offene «Fenster» – Bereiche, die oft als blinde Flecken vernachlässigt werden und die es zu erforschen und zu nutzen gilt. Einige dieser Bereiche, die dem Christentum zu neuer Relevanz verhelfen könnten, sind nach dem Autor:

  • Gott ist nicht nur Person, sondern auch Energie. Christian Schwarz bezeichnet diese Seite Gottes als «Realität, die im westlichen Christentum nahezu unbekannt ist». Es wird nicht ganz klar, wie sich der Ansatz von der – durchaus bekannten – Kraft und Wirkung des Heiligen Geistes unterscheidet, aber die Betonung ist wichtig und interessant.

  • Es gilt, den «östlichen Flügel» des Christentums wiederzuentdecken. Damit kommen Mystik, Schönheit und Liturgie mehr ins Blickfeld – eine Öffnung, die sicher viele Menschen im Westen anspricht.

  • Wir müssen mit «fundamentalistischen Tendenzen» aufräumen und die «Wir-Ihr-Trennung» überwinden – zwei sehr hilfreiche Kapitel, wenn es um das Verhältnis zu Nicht-Christen geht, deren Spiritualität Christian Schwarz als Anknüpfungspunkt sehr ernst nimmt. 

Ist eine Birne grün oder eine Frucht?

So unsinnig wie diese Frage sind nach Schwarz viele Diskussionen im Bereich «Glaube und Naturwissenschaft». Er fordert auf, diese «Kategorieverwechslung» zu beenden und beiden Bereichen ihre Gültigkeit zu geben, damit sie in fruchtbarem Dialog stehen können. Natürlich geht der Autor nicht auf Detailfragen z.B. zur Schöpfung ein – die Crux liegt ja oft im Detail – aber sein Anliegen ist, dem unseligen Konkurrenzverhältnis von Glaube und Wissenschaft ein Ende zu bereiten, indem er beiden ihren Gültigkeitsbereich zuweist.

Intelligente Lektüre

Das Buch ist kein typisches «how to», sondern erfordert Denken – differenziertes, offenes, neugieriges und kritikfähiges Denken. Christen, die ihren Glauben als den «biblischen» verteidigen und sich in Wirklichkeit nur nicht aus ihrer theologischen Wohlfühlzone herauswagen, werden gesund heraus-gefordert. Man muss Schwarz' Gabe – und manchmal auch seinen Hang – zur Systematisierung von komplexen Zusammenhängen und der Reduktion auf einfache grafische Darstellungen mögen. Aber er schlägt wichtige Schneisen. Die Formulierungen sind glasklar und schnörkellos, es gibt keine langweiligen Passagen. Nicht jeder wird alle angesprochenen «Entwicklungsfelder» gleich gewichten, aber das Buch liefert Anstösse und Herausforderungen genug, um lange Zeit daran zu arbeiten.
Prädikat: besonders wertvoll.

Zum Buch:
«Gott ist unkaputtbar»

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Datum: 06.03.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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