Wem bin
ich wichtig? Bin ich überhaupt jemandem wichtig? Irgendwann stellt sich jeder
Mensch diese Fragen, denn die Sehnsucht nach Annahme und Liebe ist universell.
Was aber passiert, wenn mir diese Annahme verweigert wird? Wenn mein Liebestank
leer bleibt? Wenn ich verletzt werde? Darum geht es im Buch «Abgelehnt und doch
geliebt» von Birgit Fingerhut. Und sie zeigt heilsame Wege aus diesen
Erfahrungen heraus.
Birgit Fingerhut
Geliebt zu werden ist ein menschliches
Grundbedürfnis. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass ich für meine Leistung
gelobt werde. Victor Hugo meinte dazu: «Es gibt nichts Schöneres, als geliebt
zu werden, geliebt um seiner selbst willen oder vielmehr trotz seiner selbst.»
Und die Bibel unterstreicht: «Gott dagegen beweist uns seine grosse Liebe
dadurch, dass er Christus sandte, damit dieser für uns sterben sollte, als wir
noch Sünder waren» (Römer, Kapitel 5, Vers 8).
Gedanken wie diesen geht Birgit Fingerhut (62) in ihrem Buch «Abgelehnt und
doch geliebt» nach. Sie denkt darüber nach, was mit einem Kleinkind geschieht,
dem seine Eltern schon vor der Geburt immer wieder versichern, wie gewollt und
geliebt es ist – und nach der Geburt nicht damit aufhören. Und sie beschreibt
Phänomene wie die Suche nach Anerkennung durch «Likes» in den sozialen Netzwerken.
Und wenn
der Liebestank leer ist?
So wie ich nichts von einem Bankkonto abheben kann,
auf das nichts eingezahlt wurde, kann ich auch kaum ein stabiles und
ausgeglichenes Leben führen, wenn mein «emotionaler Tank» nicht immer wieder
gefüllt wird. Im zweiten Kapitel ihres Buches geht Birgit Fingerhut auf
Ablehnungserfahrungen und ihre Folgen ein. Das Gefühl von Wertlosigkeit, das
Streben nach Hochleistung, um Anerkennung zu erhalten, das Auffallen um jeden
Preis, um wahrgenommen zu werden – diese und weitere Symptome beschreibt die
Autorin einfühlsam. Den meisten Leserinnen und Lesern wird sie damit nichts
Neues sagen. Sie hält ihnen vielmehr einen Spiegel vor und zeigt ihnen die
eigene Realität. Aber beim Lesen merke ich gleichzeitig: Ich bin nicht allein
mit meinen Defiziten.
Alles
neu?
Knapp die Hälfte des Buches widmet die Autorin den
«Hilfen im Umgang mit Ablehnungserfahrungen». Zunächst einmal grenzt sie sich
von den Therapeuten ab, die achselzuckend meinen, dass echte Veränderung kaum
möglich ist, wenn jemand schwer verletzt durchs Leben geht. Sie hält vielmehr
fest: «Ich habe eigene Erfahrungen gemacht, die mir zeigen, dass es möglich
ist, nach einem Heilungsweg an erlebte Verletzungen zurückzudenken, ohne
weitere Schmerzen spüren zu müssen […]. Die negativen Erfahrungen der
Vergangenheit müssen mich nicht für den Rest meines Lebens bestimmen. Ich darf
heil werden. Ich darf loslassen. Ich kann aus der Opferrolle herausfinden.» Und
sie betont das biblische Versprechen von Jesus aus Offenbarung, Kapitel 21,
Vers 5: «Ja, ich
mache alles neu!»
Wie kann
Heilung geschehen?
Heilungsschritte
gehen wollen
Zunächst einmal ist es wichtig, dass ich mich der Realität stelle: Ich bin
verletzt und brauche Heilung. Und dann muss ich mich auch tatsächlich auf den
Weg machen, aus meiner Opferhaltung herauskommen und Hilfe suchen.
Gespräch suchen Das Bewältigen von echten
Defiziten im Leben funktioniert in der Regel nicht allein. Ich kann (und
sollte!) auf seelsorgerliche und therapeutische Angebote zurückgreifen.
Tatsächlich ist hier professionelle Hilfe gefragt. Schade, dass das Buch keinenLink zu entsprechenden Angeboten bietet.
Tränen zulassen und
klagen Ich brauche mich nicht trotz
aller Schwierigkeiten zu freuen. Ich darf trauern, klagen, anklagen. So wie
David in Psalm 56, Vers 9 erkennt:
«Du zählst alle meine Klagen. Sammle alle meine Tränen in einem Gefäss.» Bei
Gott bin ich mit meinen Verletzungen gut aufgehoben.
Weitere Schritte Im Buch folgen noch etliche
biblisch und therapeutisch fundierte Schritte. Bei aller Kürze werden sie nie
platt in der Darstellung. Sie atmen gleichzeitig Gottes unbegrenzte
Möglichkeiten und meine eigenen, manchmal sehr kleinteiligen Aktionen. Aber sie
sind hilfreich, konkret und helfen mir dabei, Gottes Perspektive in mein Leben
hinein zu buchstabieren.
Ist das
Kunst oder kann das weg?
Buchcover «Abgelehnt und doch geliebt»
Diese provokative Frage wird manchmal in Bezug auf
sehr abstrakte Kunstwerke gestellt. Doch sie hat ihre Berechtigung bis in
meinen Alltag hinein. Wie nehme ich mich selbst wahr? Sollte ich eher entsorgt
werden? Oder bin ich ein Kunstwerk? Birgit Fingerhut plädiert für das
Kunstwerk. Und sie erzählt am Schluss ihres Buches die bekannte Geschichte von
Michelangelo, der in einem Steinbruch einen bereits verschandelten und
verworfenen Marmorblock kaufte und daraus seinen «David» formte, weil er ihn
schon darin sah, wo alle anderen nur Abfall erkannten. Wir mögen Ablehnung
erfahren haben und auch weiterhin erfahren, aber für Gott sind wir seine
geliebten Kinder. Diese zentrale und wichtige Botschaft entfaltet die Autorin
eindrücklich in ihrem Buch.
Birgit Fingerhut (62) ist verheiratet und hat zwei
erwachsene Kinder. Sie engagiert sich als Internetcoach bei Gottkennen.de und begleitet dort Menschen, die Antworten auf ihre Lebensfragen suchen. Die
gefragte Rednerin für Frauenfrühstückstreffen verarbeitet ihre Vorträge zu Büchern
mit praktischen und seelsorgerlichen Themen. «Abgelehnt und doch geliebt» ist
leicht lesbar, aber trotz seiner Kürze fundiert und hilfreich.
Birgit Fingerhut: Abgelehnt und doch geliebt! Vom
Umgang mit Ablehnungserfahrungen, Verlag Gottfried Bernard, Solingen 2019, ISBN
978-3-941714-64-9, 96 Seiten, EUR 7,-.