Buchrezension

«Herr Sturm und die Farbe des Windes»

«Eine fabelhafte Reise durch die Welt des Glaubens» ist der Untertitel des Romans von Jens Böttcher. Und auf eine solche lädt er in seinem neuen Buch ein. 400 Seiten voller Sprachwitz, Poesie und Gedankenanstössen. Wer «Sofies Welt» mochte, der wird dieses Buch lieben.
Jens Böttcher
Herr Sturm und die Farbe des Windes.

«Ich näherte mich der Adresse, die Herr Bischoff in seinem Antwortbrief angegeben hatte. Die Dämmerung beeilte sich derweil, ihren Job zu machen – wahrscheinlich wollte sie zu Hause sein, bevor es dunkel war. Es war kühl. Mein Kopf schmerzte …» So beginnt die Geschichte von Richard Sturm, einem erfolglosen Schriftsteller, der an den TV-Soaps, die er verfasst, mehr leidet, als er daran verdient.

Unterwegs mit Herrn Sturm

Keine Frage: Richard Sturm hat schon bessere Zeiten gesehen. Er raucht und trinkt zu viel, seine Freunde lassen sich an genau zwei Fingern abzählen und was sein Leben beherrscht, ist das Loch, das Tutu hinterlassen hat, die Liebe seines Lebens. In dieser Situation springt ihm eine Zeitungsanzeige ins Auge: «Besonderer Auftrag für interessierten Schriftsteller, der mit der Löschtaste umgehen kann. Exquisites Honorar.» Besonders der Nachsatz fasziniert ihn, also meldet er sich bei dem seltsamen Herrn Bischoff. Dieser möchte, dass er für ihn ein Buch über den «Glauben der Menschen» schreibt. Er erwartet dafür 12 Interviews mit vorgegebenen Personen, gibt ihm deren Adressen und einen dicken Vorschuss.

In der Tradition des philosophischen Bestsellers «Sofies Welt» von Jostein Gaarder aus dem Jahr 1993 schickt Jens Böttcher seinen Protagonisten damit in die Welt der Religionen. Die Interviews mit dem atheistischen Juden Professor Rosenholm, dem Esoteriker Bosche, dem Christen Berger und all den anderen Gesprächspartnern bilden dabei den Rahmen des Buches. Und sie werden zu echten Begegnungen mit den Menschen dahinter, ihren Sehnsüchten, ihrer Geschichte, ihrem Leben.

Die Handlung hinter der Handlung

Der Klassiker «Sofies Welt» bleibt bei einem Überblick über die Geschichte der Philosophie und der Frage stehen, was eigentlich Wirklichkeit ist. «Herr Sturm und die Farbe des Windes» gewinnt dagegen mit jeder Seite mehr an persönlicher Tiefe. Anfangs hat der Roman einige Längen in der eher akademischen Aufzählung von religiösen Systemen und der Beschreibung von teilweise verschwurbelten esoterischen Glaubensgebäuden. Doch Böttcher erzählt so poetisch und wortgewaltig, dass man als Leser trotzdem gut dranbleiben kann. Auch lässt die Handlung hinter der Handlung das Buch immer interessanter werden. Wer ist der seltsame Herr Bischoff eigentlich? Warum weiss er so viel? Was hat Richard Sturm so sehr verletzt? Findet er einen Ausweg für sich? Wie gehe ich als Leser mit den Defiziten und Verlusten in meinem Leben um? Ist mein Glaube mehr als ein Denkgebäude? Am Schluss des Romans bleibt vieles offen, doch als Leser habe ich nicht nur ein berührendes Buch gelesen, sondern neue Hoffnung gewonnen, dass Gottes Liebe und Friede nicht nur für die guten Zeiten meines Lebens gelten.

Der Autor

Jens Böttcher (49) bezeichnet sich selbst als «gefundenen Suchenden» und «bekennend nicht-fundamentalistischen melancholischen Christen». Er arbeitet als Sprecher und Autor für Radio, Fernsehen und unter anderem das Youtube-Programm «Tiefsehtauchen». Ausserdem ist er Autor verschiedener Bücher und zusammen mit dem «Orchester des himmlischen Friedens» als Musiker und Songschreiber unterwegs. Ein ausführliches Interview zu seiner Person und dem aktuellen Buch findet sich bei Hossa Talk.

Zum Buch:
Jens Böttcher: Herr Sturm und die Farbe des Windes  Buch bestellen (Schweiz / Deutschland

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Datum: 22.06.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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