Wie die Ego-Gesellchaft unsere Zukunft verspielt

Die Autorin Susanne Mayer

Susanne Mayers Plädoyer für eine neue Familienkultur. Die Zeit-Redaktorin Susanne Mayer schildert die Situation in Deutschland. Wir meinen, dass sie in der Schweiz nich so viel anders ist.

Das Leben mit Kindern erscheint heute als private Marotte, als teures Hobby, aufregend und schön, aber karrierehemmend. Eltern gelten als Menschen, die das zu spät merken. Ob bei der Steuer, im Beruf oder in der Rente - unsere Gesellschaft belohnt und fördert Kinderlosigkeit. Alles funktioniert so, als gäbe es schon keine Kinder mehr.

Kinder systematisch aus unserer Gesellschaft verdrängt

In ihrem mitreissenden Plädoyer für eine neue Familienkultur, Deutschland armes Kinderland, fordert die ZEIT-Redakteurin Susanne Mayer einen radikalen Umbruch, um den gesellschaftlichen Kollaps zu verhindern: Massive Privilegien für Familien, volle Bürgerrechte für Kinder, ein radikaler Umbau des Sozialsystems oder Elternteilzeit bei 90% Lohn! Denn Kinder sind systematisch aus unserer Gesellschaft verdrängt worden: ökonomisch, räumlich und verkehrspolitisch, zeitlich und sozial.

Ihre Analyse ist aufrüttelnd: In vielen deutschen Grossstädten scheint es, als gäbe es keine Familien mehr. Schon heute leben in Deutschland rund sechs Millionen Kinder weniger als 1970. Über 50% der Menschen leben in Single-Haushalten und müssen ihr Einkommen mit niemandem teilen. Wer hingegen ein Kind grosszieht oder gar mehrere Kinder hat, gerät schnell in die Armutsfalle. Zwar predigt die Politik, wie bereichernd Kinder seien, zwar wissen alle, dass unsere Sozialsysteme ohne die nachwachsende Generation zusammenbrechen werden, doch in der gesellschaftlichen Realität sorgen die krassen Benachteiligungen von Eltern dafür, dass sich besonders junge gebildete Frauen immer seltener für das Risiko Kind entscheiden.

Familien benachteiligt

Die finanzielle Benachteiligung von Familien ist immens: Ausbildungskosten für Kinder sind nicht steuerlich abzugsfähig (während Kosten für berufliche Weiterbildung oder Arbeitszimmer geltend gemacht werden können), das Kindergeld ist lächerlich niedrig („Wer zweimal im Monat ins Theater geht, hat mehr staatliche Subventionen erhalten - nämlich € 90,- pro Karte - als Eltern Kindergeld bekommen“, so die Autorin), das steuerfreie Existenzminimum für Kinder ist nur halb so hoch wie der Freibetrag für Erwachsene, obgleich Kinder im Winter die gleiche Raumtemperatur benötigen, öfter Kleidung brauchen und Kinderstühle und Autositze mehrmals ausgetauscht werden müssen, Familien zahlen unverhältnismässig viel in die Sozialversicherungen ein, wie das Bundesverfassungsgericht schon vor einiger Zeit bemängelt hat.

Aber auch in anderen Bereichen fordert die Autorin ein völliges Umdenken. Susanne Mayers aufrüttelnder Bericht verharrt nicht bei der Bestandsaufnahme und Analyse des Skandals, sondern zeigt ohne parteipolitische Scheuklappen mögliche Auswege aus der Krise: Das Ziel ist eine neue Kultur des Zusammenlebens, für die alle gesetzlichen Übereinkünfte, Gesetze, Sozialsysteme, Verkehr, Schule und Nachbarschaft auf den Prüfstand müssen.

Susanne Mayer arbeitet als Redakteurin für die Wochenzeitung DIE ZEIT und lebt mit ihren zwei Kindern in Hamburg. Viele Veröffentlichungen zum Thema Familienpolitik, Kindheit, Frauenpolitik und Bildung. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Theodor-Wolff-Preis für Nachwuchsjournalisten und zweimal mit dem Emma-Journalistinnenpreis ausgezeichnet.

"Deutschland armes Kinderland"
Autorin: Susanne Mayer
Eichborn-Verlag Frankfurt

Quelle: Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit (HBF)

Datum: 28.11.2002

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