Christliche Autoren von Endzeit-Büchern in den USA verdienen Millionengagen

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Amerika – das Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Dass dieses Klischee nicht immer aus der Luft gegriffen ist, kann der christliche Buchautor Tim La Haye seit kurzem auf seinem Bankkonto ablesen. Der zur Bertelsmann-Gruppe gehörende Verlag Bantam Dell zahlte dem ehemaligen Pastor und Missionswerksleiter 45 Millionen Dollar Vorauskasse. Eine solche Summe hat der Verlag noch nie für einen Autor im voraus ausgegeben. Die Gegenleistung dafür ist denkbar einfach: La Haye soll das tun, was ihm Spass macht und was er in den letzten Jahren immer erfolgreicher getan hat: Endzeitromane schreiben.

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Ein christlicher Autor gehört zu den bestbezahlten Schreibern der Welt! Er zählt somit zur ersten Garde der Autoren und darf sich auf einer Stufe mit Top-Autoren wie John Grisham oder auch Tom Clancy fühlen. Für den 75jährigen Tim La Haye war es vor einigen Monaten offensichtlich Zeit, noch einmal neue Wege zu gehen. Er trennte sich von seiner christlichen Agentur und wechselte zur in Hollywood beheimateten Artists Management Group. Diese verhalf ihm zu dem Megageschäft mit Bertelsmann. Der unerwartete Geldsegen ist aber nicht vom Himmel gefallen, sondern ist die logische Konsequenz einer Entwicklung, die in den USA vor etwa 15 Jahren ihren Anfang nahm. Im Jahr 1986 veröffentlichte ein bis dato völlig unbekannter christlicher Autor namens Frank Peretti mit “Die Finsternis dieser Welt” einen Roman, der den Weg für christliche Bücher in die säkularen Buchregale ebnen sollte. In den achtziger Jahren waren christliche Romane noch verpönt, aber Peretti schaffte es, die Leser mit einem biblischen Thema, der Endzeit, zu faszinieren. Mit der “Left Behind”-Serie (dt. “Finale”) von Tim La Haye und Jerry B. Jenkins wird diese Entwicklung seit 1995 auf imposante Weise fortgeführt.

Megaseller über die Endzeit

Die ursprünglich als Trilogie geplante Endzeitserie wurde inzwischen auf zwölf Bände ausgedehnt, von denen neun in den USA erschienen sind. Gesamtauflage der verkauften Exemplare: 50 Millionen. Auch in Deutschland erleben die Bücher starken Zuspruch. So konnte sich der Verlag “Projektion J” (Asslar), bei dem die Serie unter dem Titel “Die letzten Tage der Erde” mit inzwischen acht Bänden erschienen ist, über bisher 170.000 verkaufte Exemplare freuen – inklusive der Lizenzausgaben, die über den zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden Blanvalet-Verlag vertrieben werden.

Die Bücher beschäftigen sich auf spannende Weise mit der Endzeit und den Ereignissen nach der Entrückung. La Haye kam die Idee auf einer seiner zahlreichen Flugreisen. “Ich überlegte mir,” erzählt er, “was wohl passieren würde, wenn die Entrückung jetzt passiere und die Hälfte der Passagiere von einem auf den anderen Moment nicht mehr im Flugzeug wäre.” Ob er dabei auch an den Piloten gedacht hat, verschwieg er.

Tim La Haye war zu dieser Zeit Pastor einer stark wachsenden Kirche in San Diego und hatte mehr als 40 Sachbücher geschrieben. Seine Themen: Familie, Sexualität, Prophetie, der Wille Gottes, Temperamente usw. Immerhin waren einige dieser Bücher in 32 Sprachen übersetzt worden und alle zusammen kamen allein in den USA auf über 13 Millionen verkaufte Exemplare. La Haye gründete nebenbei noch eine Missionsgesellschaft, mehrere christliche Schulen und eine Prophetenschule. Darüber hinaus gehört er bis heute zu den beliebtesten Rednern auf Konferenzen in den USA und Kanada, die sich mit den Themen “Prophetie und Endzeit” beschäftigen. Die einflussreiche Zeitschrift “Evangelikales Studien Bulletin” ordnete La Haye und seine ebenfalls schreibende Gattin Beverly zu den “Schlüssel-Führungspersonen der religiösen Rechten der letzten 20 Jahre” ein, vor Billy Graham und anderen prominenten Evangelikalen.

“Der Erfolg hat viele Väter”

Ein Teil des momentanen Erfolgs der christlichen Bücher liegt in der Professionalisierung der christlichen Buchbranche Amerikas in den letzten 25 Jahren. So sind z.B. Agenturen entstanden, die als Bindeglied zwischen Autoren und Verlagen fungieren und die Interessen auf einen Nenner bringen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Erfolg von Tim La Haye auch mit einer Agentur zusammenhängt. Rick Christians von der Agentur “Alive Communications” brachte den bis dahin schon sehr erfolgreichen Autor mit einem anderen Erfolgsautoren zusammen: Jerry B. Jenkins. Jenkins war ebenso wie La Haye kein unbeschriebenes Blatt mehr, hatte er doch bereits über 90 eigene Bücher veröffentlicht. Unter anderem arbeitete er als Schreiber für Billy Graham und hatte als Redakteur und Vize-Präsident des Moody Bibel Institutes (Chicago) reichlich Erfahrungen, wie man die Botschaft unter die Leute bringen kann. Als Journalist arbeitete er für mehr als 60 überregionale Tageszeitungen. So kannte er sowohl den christlichen als auch den säkularen Bereich sehr gut.

Klinken putzen

Für die “Finale”-Serie musste die Agentur zu Anfang viele Klinken putzen, denn zahlreiche christliche Verlage lehnten den ersten Roman ab, bevor der ehemalige Bibelverlag Tyndale zugriff. Ein Glücksgriff, wie sich herausgestellt hat. Die Serie ist die bestverkaufte Romanserie aller Zeiten. Tyndale war bis 1998 ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 40 Millionen Dollar. Inzwischen hat sich dieser Umsatz vervierfacht. Für den Vorsitzenden der christlichen Buchvereinigung CBA, Bill Anderson, ist der Boom christlicher Bücher, der sich auch in dem Mega-Erfolg des “Gebet des Jabez” niederschlägt, ein Zeichen von Gottes Segen: “Auf seine eigene Weise hat Gott diese Bücher für unsere Zeit ausgewählt. Wir haben alle das Gefühl, Teil eines grösseren Plans zu sein, den Gott mit uns hat, und wir freuen uns, dass Gott diese Bücher dazu benutzt.”

Kein Mauerblümchen-Dasein mehr

Die breite Öffentlichkeit hatte erst vor knapp zwei Jahren Notiz von den Büchern genommen, als der achte Band “Das Zeichen” die Bestsellerlisten erklomm. Da waren aber in christlichen Kreisen allein schon 20 Millionen Exemplare verkauft. Es folgten Notieren auf den vorderen Plätzen der Bestsellerlisten der New York Times, des Wall Street Journal, USA Today, Publishers Weekly und Chicago Tribune. “The Indwelling” hielt sich immerhin sechs Wochen ununterbrochen auf Platz 1 der New York Times.

Die säkularen Medien zeigen sich verwundert über die Erfolge christlicher Autoren. So konstatiert das Fachmagazin “Publishers Weekly” in einer der März-Ausgaben: “Zum ersten Mal haben es zwei christliche Bücher geschafft, die Jahresverkaufslisten anzuführen.” Sowohl das “Gebet des Jabez” als auch der neunte Band der “Finale”-Serie (“Die Entweihung”) belegten die ersten Plätze der allgemeinen Topseller-Listen beim Sachbuch und bei den Romanen. Der in den USA im Oktober letzten Jahres veröffentlichte Titel “Die Entweihung” sprengte alle Rekorde der christlichen Buchbranche. Mit einer für christliche Verlage schwindelerregenden Startauflage von drei Millionen Exemplaren wurde er innerhalb weniger Wochen zum Megaseller. “Endlich sind wir aus dem Ghetto raus!”, freut sich die Lektorin des Verlages. “Wir werden von der Welt und von den Medien wahrgenommen.”

Die Endzeit sieht anders aus

Ein Effekt des Anschlags auf das Welthandelszentrum am 11. September war, dass sich die Bestellungen für die Apokalypse-Thriller einen Tag nach der weltweiten Erschütterung über den Terror verdoppelten. Die Sehnsucht nach der Endzeit scheint unermesslich zu sein, und alles, was sich damit beschäftigt, scheint einen wahren Boom zu erleben.

Doch neben den imposanten Erfolgszahlen gibt es auch deutliche Kritik sowohl in den USA als auch in Deutschland an den Inhalten der Bücher. So werden Theologen nicht müde in dem Hinweis, dass Romane nicht der Wirklichkeit entsprechen und, so reisserisch sie sich auch lesen mögen, auf eine falsche Fährte führen können. Gerade beim Thema Endzeit kann das fatale Folgen haben, denn die Sehnsucht und der Informationsbedarf nach dem, was vor uns liegt, sind unersättlich. Da besteht die Gefahr, dass sich Fiktion und wirklich biblische Inhalte so stark vermischen, dass sie kaum noch auseinanderzuhalten sind.

Einige Beispiele, auf die Kritiker hinweisen: “Eine grosse Anzahl von Verwandten und Freunde von Christen werden nach der Entrückung noch gerettet.” Das impliziert die Möglichkeit, mit einer Entscheidung für Jesus lange zu warten. Der 2. Thessalonicher-Brief sagt etwas anderes. (2. Thess. 2,8-11). In Band 4 “Die Ernte” wird Satan als “Herr des Wetters” beschrieben. In Psalm 104 dagegen wird eindeutig Gott selbst als Herr aller Dinge beschrieben. Im ersten Buch wird beschrieben, dass schwangere Frauen, die keine Christen sind, ihrer Embryos beraubt werden, die gerettet sind, während die Frauen “unschwanger” auf der Erde zurückbleiben müssen. Es gibt demnach eine “Errettung der Embryos”. Nette Idee, aber nicht aus der Bibel.

Gefahr für Gemeinden?

Die von dem Links-Evangelikalen Jim Wallis gegründete Vereinigung “ Gäste” sieht durch den grossen Erfolg der Bücher eine Gefahr für das theologische Verständnis innerhalb der Gemeinden. “Der Einfluss, den diese Bücher auf die Gemeinden haben, ist kaum vorstellbar. Viele nehmen die Bücher für bare Münze und glauben, dass sich die Endzeit genauso abspielt, wie sie in den Romanen beschrieben wird. Die Folge davon ist eine Jenseitsbezogenheit, die die Augen für die Gegenwart verschliesst. Auch entsteht der Eindruck, die Bibel sage doch, dass alles immer schlechter und schlechter werde. Warum also sollten wir uns noch sozial engagieren?”, fragt der Buchautor Tom Sine in einem sehr kritischen Artikel zum amerikanischen Endzeitglauben. An verschiedenen Beispielen zeigen auch andere Kritiker, dass sich die biblische Lehre von den letzten Dingen doch an manchen Punkten deutlich von den Romanen unterscheidet.

“Was soll’s”, sagen die begeisterten Leser der Endzeit-Thriller. “Selten haben uns christliche Bücher so begeistert und endlich macht das Lesen christlicher Bücher mal so viel Spass!” Gut geschrieben sind die Bücher ohne Zweifel, doch es ist sicher nicht verkehrt, deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich um Romane handelt, deren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen ist. “Gerade das aber”, so die Kritiker, “ist ja das Problem. Fiktion und biblische Wahrheiten werden so vermischt, dass es schwierig ist, das eine von dem anderen zu trennen.”

Was bleibt zurück?

Ein weiterer Kritikpunkt hat mit der Vermarktung der christlichen Bücher zu tun: “Je erfolgreicher christliche Bücher auf dem allgemeinen Buchmarkt sind, desto stärker steht auch das Geld im Vordergrund. Der Inhalt tritt hinter der Marktfähigkeit zurück”, so die Kritiker dieser Entwicklung. Immerhin hat der Tyndale-Verlag über zehn Millionen Nebenprodukte verkauft, die mit dem Inhalt gar nichts mehr zu tun haben, wie z.B. Bildschirmschoner oder auch Postkarten.

Trotz aller Kritik: In den USA passiert zur Zeit das, wonach sich christliche Verlage in Deutschland sehnen. Christliche Literatur erscheint auf den allgemeinen Bestsellerlisten und wird daher in fast jedem Buchladen des Landes geführt. Die Magnetkraft und Dramatik der Offenbarung in der effektsicheren Auslegung von Autoren wie Frank Peretti, Tim La Haye und Jerry B. Jenkins hat es möglich gemacht. Das “Gebet des Jabez” von Bruce Wilkinson ist inhaltlich schon anders gelagert. Vielleicht werden weitere Bücher folgen. Hier eröffnen sich bisher ungeahnte Möglichkeiten, christliche Inhalte in eine säkularisierte Welt zu tragen. Die Bedingungen für diese Erfolge sind aber ein nahezu perfektes Zusammenspiel zwischen Autoren, Agenturen, Verlagen und Vertriebspartnern.

Datum: 29.05.2002
Autor: Stephan Volke
Quelle: idea Deutschland

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