Königsfelder Glasfenster in altem Glanz

Die Vogelpredigt des hl. Franziskus
Die Geburt Christi

Windisch - Vor kurzem ist die Erneuerung der Glasfenster der Klosterkirche Königsfelden im Aargau abgeschlossen worden. Sie dauerte fast 15 Jahre. Für die Wiederherstellung der elf farbigen Glasfenster steuerte der Lotteriefonds fünf Millionen Franken bei. Die gotischen Glasfenster von Königsfelden gelten neben den Glasmalereien des Berner Münsters als die bedeutendsten der Schweiz.

Geschichte

Das Kloster Königsfelden liegt unweit der Stammfeste Habsburg inmitten der römischen Ruinen von Vindonissa und stellt als habsburgischer Memorialbau ein bedeutendes Stück Familiengeschichte des Hauses dar. Anlass zur Gründung war die Ermordung König Albrechts am 1. Mai 1308 durch seinen Neffen Herzog Johann von Schwaben unweit des Reussübergangs von Windisch. Für das Seelenheil des Ermordeten gründete die königliche Witwe Elisabeth ein fürstliches Hausstift, das von den Habsburgern selbst Königsfelden benannt wurde.
Die Örtlichkeit ausserhalb einer Stadt ist für eine Bettelordensniederlassung ungewöhnlich und erklärt die seltene Konzeption der Anlage als franziskanisch-klarissisches Doppelkloster. 1311 besiedelten die ersten sechs Mönche den Konvent, die Einschliessung der Nonnen erfolgte ein Jahr später. Dem privilegierten Nonnenstift gebührte von Anfang an der Vorrang. Nach dem Tode der Gründerin 1313 nahm deren Tochter Agnes, frühverwitwete Königin von Ungarn, das Kloster von 1317 an in ihre Obhut und hatte wohl wesentlichen Anteil am Bau der Kirche und der Schaffung des Fensterzyklus. Nach ihrem Tod 1364 setzte der allmähliche Niedergang ein.
Mit der Eroberung des Aargaus durch Bern 1415 brach die Verbindung zum Stifterhaus; 1528 säkularisierte Bern im Gefolge der Reformation das in Selbstauflösung befindliche Kloster und nutzte die Gebäulichkeiten als Landvogteisitz und Gutsbetrieb. 1804 richtete der junge Kanton Aargau seine Heil- und Pflegeanstalt (heute Psychiatrische Klinik) darin ein.

Das Kloster

Ursprünglich war die Kirche beidseits von Klostergevierten eingefasst. Nördlich lag der Franziskanerkonvent (die Grundrisse sind heute sichtbar gemacht), von dem lediglich Archiv und Schatzgewölbe dem Abbruch 1869 entgangen sind. Südlich stehen noch Teile des Nonnenstifts und der westlich vorgelagerte kleine Wirtschaftshof mit verschiedenen Flügeln. Diese Bauten wurden in bernischer Zeit neuerrichtet oder stark umgestaltet, so namentlich die Landschreiberei mit markantem Treppenturm und Renaissanceportal.

Die Kirche

Nach dem Schema oberrheinischer Bettelordenskirchen mit basilikalem Querschnitt, flachgedecktem Langhaus und gewölbtem Chor entstand unter durchlaufendem First zwischen 1310 (Grundstein) und 1330 (Weihe) ein Bau von kristalliner Klarheit (restauriert 1983/86). Im Langhaus scheiden achteckige Pfeiler Haupt- und Seitenschiffe und tragen übergangslos die sieben spitzbogigen Arkaden, deren östlichstes Paar etwas weiter gespannt ist und den aus Ueberresten rekonstruierten Lettner aufnimmt. Im Mittelschiff befindet sich das habsburgische Erbbegräbnis, ein schwarzer Marmorkenotaph der Zeit um 1320. Davor führt ein Abstieg in die Gruft mit ehemals elf Bestattungen (seit 1807 in St. Paul in Kärnten).
Der lichtdurchflutet aufragende dreijochige Chor mit Fünfachtelschluss bildet einen Gegensatz zum kastenartig geschlossenen, lagernden Langhaus. Wanddienste tragen die in skulptierten Schlusssteinen mündenden Kreuzrippen. Wie teilweise auch am Langhaus bildet das aussen und innen durchlaufende Sohlbankgesims das einzige horizontal gliedernde Element. Die Masswerke der dreilanzettigen Fenster entsprechen sich paarweise und stehen stilistisch an der Wende von der Hoch- zur Spätgotik.

Die Glasmalereien

Stifter der Chorfenster waren die Angehörigen des ermordeten Königs Albrecht I. Donatorenbilder ermöglichen die Eingrenzung der Entstehungszeit zwischen 1325 und 1330. Trotz grossen Einbussen auf der Südseite ist kein Fenster vollständig verloren und ein Bildprogramm von seltener Geschlossenheit erhalten geblieben: Im Chorscheitel die Passion Christi, seitlich begleitet von der Menschwerdung und der Erscheinung nach dem Tod.
Nach Westen folgen sich paarweise gegenüberstehend Vorläufer und Nachfolger Christi, Johannes der Täufer und der Apostel Paulus (kombiniert mit dem Martyrium der hl. Katharina resp. Marientod und -verherrlichung). Das dritte Fensterpaar mit den Aposteln (Vorbilder der Franziskaner) beschliesst die Evangelienthematik. Die Heiligenlegenden der letzten beiden Fensterpaare sind über Kreuz angeordnet: Die Ordensgründer Franziskus (8) und Klara (11), sowie nordseitig die hl. Anna (zusammen mit Maria, Lieblingsheilige der Klarissen) und südseitig Nikolaus (Landesschutzpatron des Stifters Rudolf von Lothringen). Das Programm mit mannigfachen, teils gemeinsamen Beziehungen von Stifterfamilie und Orden ist wohl von Ordenstheologen und habsburgischen Hofgelehrten zusammen aufgestellt worden.
Eine urkundlich nicht fassbare, führende Werkstatt mit stilistischen Einflüssen aus dem Gebiet Oberrhein/Strassburg und Konstanz/Bodenseeraum hat mit dem Zyklus einen Höhepunkt der europäischen Glasmalerei des 14. Jahrhunderts geschaffen, bei dem überliefertes Können sich mit modernsten Elementen verbindet: bahnenübergreifende Bildmedaillons, perspektivische Bildräumlichkeit, differenzierte Farbigkeit.
Mit Ausnahme des Obergadens (farblose Rautenverglasung) weisen die Fenster im Langhaus Ornamentverglasungen und Reste figürlicher Scheiben auf, die vor allem im Masswerkbereich mit nachgeschaffenen Ornamentmotiven farblich geschlossen wurden.

Datum: 16.07.2002

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