Kolumne: Ich, ein Königskind

In letzter Zeit war ich umzingelt von solchen Momenten. Und dabei machte ich eine ganz tiefe Erfahrung. Ich begriff nämlich das erste Mal, dass in meinen Adern königliches, blaues Blut fliesst. Das hat nichts mit meinem Namen zu tun. Ich heisse weder Von Grafenried noch Sir Wunderlin oder sonst was. Trotzdem bin ich ein Königskind!

Die Krönung

Wie ich das gemerkt habe? Eigentlich war es mir ja schon immer klar, seit ich ein Kind Gottes geworden bin. Es war eben vor allem mein Verstand, der mir dies beteuerte. Aber vor drei Wochen spürte und sah ich innerlich, wie mir mein König liebevoll eine wunderschöne goldene Krone auf das zersauste Haar setzte. Was für ein Gefühl! Oh, die Brust schwellte auf und ich bin mir sicher, mein Hals ist um etliche Zentimeter gewachsen! Wahrhaftig, dieser Vater nannte mich seine Tochter!

Dummerweise haben die anderen mein Krönchen nicht sehen können. So habe ich es ihnen halt immer wieder erzählt. Wir sind höchst privilegierte Menschen. Hinter uns steht der allmächtige Herrscher über Himmel und Erde. Da kann keiner mehr gegen uns sein!

Die Kraft in uns

Was bedeutet das jetzt genau, blaues Blut zu haben? Ganz einfach: In uns steckt dieselbe Kraft und Macht wie in unserem König. Und von der sollten wir ruhig einmal etwas Gebrauch machen. Wir haben oft so Angst, wir würden dann enttäuscht werden, es klappe nicht und wir müssten uns schämen. Ich glaube, das ist keine Eigenschaft von königlichem Blut. Das ist unsere Hülle, unser Fleisch, unser Verstand.

Wertvolles blaues Blut

Zum Glück durchdringt das Blut jede kleinste Faser unseres Körpers. Schlussendlich müssen jedoch wir bestimmen, ob wir unserem Verstand oder aber unserem Vater Untertan werden wollen. Denn der König will die Kinder in die Welt hinaussenden, damit sie anderen erzählen können, wie wertvoll dieses blaue Blut ist.

Packen wir also unseren goldenen Haarschmuck und machen uns auf, um Menschen zum König zu führen! Er hat noch so viele Krönchen zu verteilen!