Ethische Verantwortung als Lust und Last

Ethik

Die Lehrkräfte und Schüler der ersten „Akzentklasse Ethik/ Ökologie“ der Kantonsschule Hottingen in Zürich haben sich im Rahmen des regulären Lehrplans fächerübergreifend mit Logik und Nachhaltigkeit befasst. Nach dem ersten Jahr mit dem Pionierprojekt ziehen alle Beteiligten eine positive Zwischenbilanz, wie die NZZ1 kürzlich in einem Beitrag feststellte.

Nach einer intensiven Vorbereitungsphase unter der Leitung der beiden Lehrkräfte Sabine Kappeler und Markus Lerchi2 wird seit Mitte August 04 die erste Akzentklasse mit 26 Schülern geführt3. In den Fächern Geographie und Biologie haben die Schüler den 1992 am Umweltgipfel in Rio de Janeiro formulierten Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ und die Forderung nach der Lokalen Agenda 21 behandelt. In beiden Fächern wurden die CO2-Problematik und das Kreislauf-Prinzip der Natur anhand von konkreten Beispielen thematisiert. In der Geographie kamen die Grenzen des Wachstums zur Sprache. Die Jugendlichen diskutierten das Bild des „ökologischen Fussabdrucks“. Dieser addiert den jährlichen Konsum von natürlichen Ressourcen durch eine Bevölkerung und wandelt diesen Wert in die entsprechende Fläche um. In den USA beträgt der ökologische Fussabdruck pro Person 9,5, in Afghanistan 0,3 Hektaren. Die Schweiz nimmt mit 5,3 Hektaren weltweit Rang 17 ein. Die sozialen und ökologischen Folgen des Tabakanbaus in den Entwicklungsländern und die Rolle der Tabakkonzerne stiessen bei den Schülern ebenfalls auf grosses Interesse.

Den parallel zum Ökologieakzent gesetzten Ethikakzent gestaltete die Projektleiterin der Akzentklasse, Mathematiklehrerin Sabine Kappeler, zum Thema Logik, dem sich die Fächer Deutsch und Französisch angeschlossen hatten. In der Mathematik lernten die Gymnasiasten formallogische Argumente erkennen. In den Deutschstunden wurde anhand von Aussagen, zum Beispiel zur Solidarität zwischen reichen und armen Ländern, vorgeführt, dass ein formal richtiges Argument noch lange kein gutes Argument ist. So wurde den Schülern klar, dass die Ethik eine wissenschaftliche Disziplin ist, mit der sich Handlungen und Standpunkte begründen lassen. „Sie ist die Grundlage für alles Übrige – für die Wirtschaft wie die Ökologie“, halten sie fest.

Konsequenzen noch unklar

Uneinig sind sich die Jugendlichen über die persönlichen Konsequenzen, welche die intensiv geführten Diskussionen nach sich ziehen könnten. Klar ist für sie, dass im Bewusstsein der Grenzen der Ausbeutbarkeit des Planeten haushälterisch mit den natürlichen Ressourcen umgegangen werden muss. Doch während einige den eigenen ökologischen Fussabdruck verkleinern wollen, zweifeln andere an der Wirksamkeit des persönlichen Verzichts. Es sei zwar naheliegend, im Kleinen anzufangen, zumal ein ökologisches Konsumverhalten durchaus auch Spass machen könne. „Aber die entscheidenden Schritte kommen für uns erst“, ist einer der potenziellen künftigen Wirtschaftsführer überzeugt. Im nächsten Ethikakzent im Fach „Moral – Ethik – Recht“ soll denn darum der Zielkonflikt zwischen der Rendite eines Unternehmens und seiner ethischen Verantwortung hinterfragt werden.

Gelungener Brückenschlag

Die Lehrkräfte, die den ersten Ethik-/Ökologieakzent bestritten haben, ziehen ein positives Fazit. Der Brückenschlag zwischen den einzelnen Fächern sei gelungen, die Motivation der Schulklasse habe die Erwartungen übertroffen. Die von zwei Ethikern gestalteten Einführungstage, die der ganze Lehrkörper der Akzentklasse im Vorfeld besucht hat, aber auch die anschliessenden Diskussionen zur konkreten Unterrichtsgestaltung seien auch eine persönliche Bereicherung gewesen. Trotz dem grossen organisatorischen Aufwand des Projekts hoffen die Pädagogen, dass der Schwung anhält.

1 gekürzt und bearbeitet durch die Redaktion.
2 Markus Lerchi ist Leiter der VBG-Arbeit unter Mittelschullehrern und Verfasser des Artikels auf den Seiten 6-8 dieser Ausgabe.
3 Die Kantonsschule Hottingen bezeichnet sich als eine „leistungsorientierte allgemeinbildende Schule“. Dazu gehört die Förderung des Bewusstseins für soziale, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Verantwortung, wie es im Leitbild heisst. Ein zentraler Schritt zur Umsetzung dieses Ziels ist das Pionierprojekt „Akzentklasse Ethik/Ökologie“ unter dem Patronat von Sozialethiker Hans Ruh. Die Schüler absolvieren den normalen vierjährigen Maturitätslehrgang mit wirtschaftlich-rechtlichem Profil, doch wird in jedem Quartal ein interdisziplinärer Akzent in Ethik und Ökologie gesetzt, dessen Inhalte in Arbeitswochen und Sozialeinsätzen vertieft werden.

Datum: 22.06.2005
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Bausteine/VBG

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