Stark ohne Gewalt

„Wir haben uns für den Frieden entschieden!“

„Ob Gewalt oder der Friede in Alltagssituationen obsiegt, ist die persönliche Entscheidung eines jeden“, betont das Projekt „Stark ohne Gewalt“ für Jugendliche und junge Erwachsene. Mit Geduld, Verständnis und Fantasie sollen neue Möglichkeiten zur Lösung von Auseinandersetzungen gefunden werden.
Genrosso
Band Genrosso

Der Höhepunkt des von der Fokolar-Bewegung durchgeführten Projekts hat kürzlich in Baar stattgefunden. An einer Musical-Aufführung der Band Genrosso und zwei Projekttagen nahmen insgesamt 2.500 junge Menschen teil. Die Fokolar-Bewegung ist eine Laienorganisation, in der Katholiken und Evangelische zusammen arbeiten und die Gottes Liebe konkret in diese Welt tragen möchte.

Krisenstimmung – es gibt Hilfe

„In Schwanden ist Krisenstimmung. Schweizer, Latinos und Jugendliche vom Balkan beschimpfen und bekämpfen sich. Letzthin rannten uns zudem Tibeter mit Messern in den Händen nach“, berichtet Donato Colluto, ein Projekt-Teilnehmer aus Glarus. Andere erzählen von Erpressung wegen Geld und Ausgrenzung in der Schule.

Junge Menschen werden immer wieder mit Druck von Seiten der Lehrer, Eltern oder Kirche konfrontiert. Donato fährt fort: „Ich habe an diesem Workshop mit vielen Leuten gesprochen. Hier akzeptieren sich alle – egal, woher sie stammen. Ich möchte gewaltlos reagieren und mich trotzdem nicht schlecht machen lassen. Das braucht Mut!“

Diesen Mut hat Charles. Er ist die Hauptfigur im Musical von Genrosso, das auf einer wahren Geschichte basiert. Der Machtkampf zweier verfeindeter Strassengangs in Chicago prägt das Leben des afroamerikanischen Jugendlichen. In dem düsteren, von Hoffnungslosigkeit gezeichneten Slum findet Charles Freunde, die seinen geheimen Traum von einer friedlichen und geeinten Welt teilten.

Seine Streetlight-Band singt von Toleranz, die Hass überwindet, und von Geschwisterlichkeit, die Verschiedenheiten überbrückt. Doch jäh scheint eine Schiesserei diese Hoffnungen zu zerreissen. Die Freundin von Charles Gefährte Jordan wird erschossen. Charles versucht trotz Drohungen, Jordan und seine Gang von den Rachegelüsten abzubringen. Dieses Engagement muss er mit dem Leben bezahlen. Darauf jedoch entscheidet Jordan, sich auf den Weg von Charles – den Weg des Friedens – zu machen.

Einschreiten erfordert Mut

Dieses starke Beispiel ist der Auftakt zum vorläufigen Höhepunkt des Projekts „Stark ohne Gewalt“ gewesen, das in der Schweiz seit rund einem Jahr läuft. Es folgt ein Projekttag mit Workshops und einem Postenlauf zu diesem Thema. Mit ungefähr 100 Jugendlichen wird einerseits der Umgang mit eigenen Aggressionen thematisiert. „Nur wer sich selber ganz annehmen kann, braucht seine Schattenseiten nicht als Feinbild im anderen zu bekämpfen“, erklärt Marcel Caduff, Erziehungsberater und Kursreferent. Andererseits wird das direkte Ansprechen von Konfliktpunkten geübt. „Es gilt, Präsenz zu markieren, Grenzen zu setzen und Beziehungen aufzubauen“, fährt der Erziehungsberater fort.

„An unserer Schule gibt es einen Aussenseiter“, erzählt Diego Bigger aus Bern. Dieser trage keine trendigen Kleider und sei nicht so cool. Fünf Kameraden haben sich daran gemacht, ihn in den Brunnen zu werfen. Doch Diego hat da nicht zuschauen wollen: „Ich schritt ein und forderte die Jungs auf, den Ausgegrenzten wenigstens in Ruhe zu lassen.“ Zu seinem Erstaunen haben sie sofort von ihrem Tun abgelassen. Kursleiterin und Lehrerin Elisabeth Reusser empfiehlt überdies: „Stark sein ohne Gewalt ist vor allem dann möglich, wenn untereinander ein Zusammenhalt da ist.“ Mit dieser Stärke könne dann das Gespräch zu schwierigen Mitschülern gesucht werden – oder aber gegenüber Lehrern, die zu starken Druck auf die Klasse ausüben.

Auch die Kirche wurde und wird mit innerer und äusserer Gewalt konfrontiert. Laut Pfarrer und Kursleiter Leo Rüedi braucht es eine breite Bewusstseinsveränderung, damit sich diese vermehrt in Richtung Dialog entwickelt. „Nicht nur die offizielle Kirche, sondern wir alle sind in diesem Prozess wichtig“, unterstreicht er.

Im Alltag entscheiden

„Wenn wir von Gewalt hören, fühlen wir uns oft hilflos!“ Ein Postenlauf geht dieses Problem an. Oft wird vergessen, dass es in kleinen Alltagssituationen an jedem persönlich liegt, ob Gewalt oder Friede siegt. Oft gibt es solche Konflikte: beim Drängeln in einen Bus oder in eine Parklücke, beim Anpöbeln von ausländischen Jugendlichen am Bahnhof. In Rollenspielen werden solche Gegebenheiten nachgespielt und verschiedene Reaktionen darauf getestet.

„Die Jugendlichen möchten wir 'stark' machen, indem sie sich ihrer eigenen Werte und Talente bewusst werden und sie ausdrücken“, heisst es in der Zielsetzung des Gesamt-Projekts. Hierzu haben die 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den von der Band Genrosso organisierten Workshops Gelegenheit.

Beni Enderle, Schweizer Mitglied der internationalen Band und Leiter des Chors, bestätigt: „Es ist etwas passiert, das neu ist. Die jungen Leute setzen sich ein, verlieren ihre Ideen, ihren Stolz und gehen auf andere zu.“ Der Chor begeistert an der gemeinsamen Schlussveranstaltung das Publikum, ebenso das gewaltige Orchester. Die Theatergruppe stellt ihre Erkenntnis dar, dass das Ziel „Stark ohne Gewalt“ nur erreicht werden kann, wenn alle am selben Strick ziehen. Eine Gruppe von Teens, welche Graffitis zum Thema hergestellt haben, meint dazu kurz und bündig: „Wir haben uns für den Frieden entschieden!“

Das Projekt „Stark ohne Gewalt“

Im von der Fokolar-Bewegung getragenen gesamtschweizerischen Projekt „Stark ohne Gewalt“ werden Ängste, Aggressionen und Intoleranz von Kindern und Jugendlichen thematisiert. Zielgruppe sind 12- bis 29-jährige Jugendliche und junge Erwachsene. Mitmachen können sie bei sportlichen oder musikalischen Anlässen sowie Initiativen für Frieden und Unterstützung von Altersgenossen in Krisengebieten. Sie sollen sich dabei ihrer eigenen Werte und Talente bewusst werden – stark werden. Die christlichen Werte werden dabei nicht in den Vordergrund gestellt, sind aber immer unterschwellig präsent.

Datum: 19.11.2003

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