«Alles Hokuspokus» – Sonntagszeitung hinterfragt Astrologie

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Die Sonntagszeitung hat ein engagiertes Plädoyer gegen die Gültigkeit der Astrologie, insbesondere der Geburtshoroskope, gebracht. Die Astrologie wird dabei als reines (Aber-)Glaubensgebäude entlarvt – ohne jede wissenschaftliche Nachweisbarkeit.

«Alles Hokuspokus», heisst es schon im Titel der Sonntagszeitung vom 14. September. Der Autor Balz Spörri erklärt darin: «Die Astrologie ist am Ende.» Zwischen der Planetenkonstellation und Ereignissen auf der Erde bestehe kein Zusammenhang. Zum Einstieg verweist er gleich auf ein pikantes Beispiel:

Pikanter Irrtum

Als Elizabeth Teissier im Sommer 2002 die Sterne befragte, wurde sie fast euphorisch: Die Börse, so befand die angeblich «beste Astrologin Europas», bekomme in den nächsten Monaten endlich wieder Aufwind. «Wer im August anlegt, kann im Dezember schon die Früchte ernten», liess sie am 8. Juli die Leser der «Schweizer Illustrierten» wissen. Der Schweizer Börsenindex SMI lag an diesem Tag bei 6002 Punkten. Am 30. Dezember notierte er bei 4630 Punkten!

Spörri ist überzeugt: Es ist reiner Zufall, wenn die Prognose eines Astrologen einmal zutrifft. Denn zwischen der Konstellation der Planeten und den Ereignissen auf der Erde bestehe schlicht und einfach kein Zusammenhang. Zu diesem Schluss kämen der englische Astrologieforscher Geoffrey Dean und der kanadische Psychologe Ivan Kelly in einer Studie, die vor kurzem im «Journal of Consciousness Studies» veröffentlicht wurde.

Darin untersuchten Dean und Kelly die Daten von 2100 Personen, die in den ersten Märztagen des Jahres 1958 in London geboren wurden. Bei 73 Prozent der Babys, und das mache diese Studie so einzigartig, lagen zwischen ihrer Geburt und der Geburt des nächsten Babys fünf Minuten oder weniger. Für Astrologen sind Menschen, die so nahe aufeinander geboren werden, so genannte «Zeit-Zwillinge».

Die Astrologie geht davon aus, dass jeder Mensch wesentlich vom Stand der Gestirne zum Zeitpunkt seiner Geburt geprägt wird. Jedes Horoskop beruht auf dieser Annahme. Hätten die Astrologen Recht, müssten Menschen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort geboren wurden, extrem ähnliche Charakterzüge, Fähigkeiten und Lebensläufe aufweisen.

Die Realität sieht anders aus

Doch die Realität sieht anders aus: «Wir fanden unter den Zeit-Zwillingen keinerlei statistisch relevante Ähnlichkeiten, wie sie gemäss der Astrologie hätten auftreten müssen», schreiben Dean und Kelly. Ihr Zahlenmaterial sei unverdächtig, befindet die Sonntagszeitung, denn ursprünglich habe es einem ganz anderen Zweck gedient. Die Daten der Babys wurden einst erhoben, um herauszufinden, ob die Umstände der Geburt die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes beeinflussen. Nach 11, 16 und 23 Jahren wurden die Kinder überprüft, wobei die Forscher 110 verschiedene Variablen untersuchten, darunter Grösse, Gewicht, IQ, Ängstlichkeit, Aggressivität, musische und sportliche Neigungen, Anfälligkeit für Unfälle, Beruf und Zivilstand.

«Die Bedingungen, um die Behauptungen der Astrologie zu stützen, hätten nicht besser sein können», meinen Dean und Kelly. Doch bei keinem der 110 Persönlichkeitsmerkmale liess sich ein astrologischer Effekt nachweisen!

Miserable Trefferquoten

Um zu belegen, dass die «Trefferquote» astrologischer Aussagen lediglich dem Zufallsprinzip entspricht, ziehen Dean und Kelly weitere empirische Untersuchungen bei. In einer Studie sollten 45 Astrologen anhand von Geburtshoroskopen bestimmen, welche der 160 Testpersonen besonders extrovertiert oder emotional instabil waren. Die Astrologen waren sehr erfahren, und die Testpersonen wurden speziell nach ihrer psychischen Auffälligkeit ausgewählt. Trotzdem schnitten die Astrologen miserabel ab. Ihre Aussagen trafen in genau 50,5 Prozent der Fälle zu. Das entspricht der Wahrscheinlichkeit, dass eine Münze auf «Zahl» fällt, wenn man sie in die Luft wirft – also reiner Zufall.

Solche Studien lösten allerdings unter den Astrologen wütende Proteste aus, so Spörri. Und sie täten alles, um sie in Zweifel zu ziehen oder ihre Autoren als voreingenommen zu erklären.

Doch lägen heute über 500 wissenschaftliche Studien vor, in denen der «Wahrheitsgehalt» der Astrologie untersucht worden ist. Da sowohl die Daten wie auch die statistischen Berechnungen für Aussenstehende kaum nachvollziehbar seien, gelangten die Studien nur selten an die breite Öffentlichkeit.

Streitpunkt

Der wichtigste Streitpunkt der empirischen Astrologieforschung der letzten Jahre drehe sich um die Befunde des französischen Psychologen Michel Gauquelin (1928-1991). Gauquelin und seine Frau erhoben seit 1955 in mühsamer Kleinarbeit statistische Daten von über 50 000 Horoskopen. Um den Einfluss der Planeten zu überprüfen, untersuchte Gauquelin zunächst die Geburtshoroskope von rund 20 000 berühmten Wissenschaftlern, Sportlern, Politikern und Künstlern auf gemeinsame Merkmale.

Dabei machte er eine erstaunliche Entdeckung: Bei Spitzensportlern, Berufssoldaten und Wissenschaftlern stand der Mars bei der Geburt signifikant häufig knapp über dem «Aszendenten» oder nach der «Kulmination». Dieser so genannte „Mars-Effekt“ sowie weitere Befunde Gauquelins werden bis heute äusserst verbissen diskutiert. Mehrere Folge-Hypothesen sind inzwischen widerlegt. So wurde dem französischen Psychologen zum Beispiel nachgewiesen, dass er bei der Einteilung der Personen in bestimmte Gruppen sein Wissen um die Planetenpositionen zu Gunsten seiner Hypothese einfliessen liess.

Umstrittene «Eminenz-Hypothese»

Bis heute nicht widerlegt sei allerdings die so genannte «Eminenz-Hypothese». Danach liessen sich die Einflüsse der Planeten nur bei Personen von «höchstem sozialen und kulturellen Rang» feststellen. Wichtigster Verfechter dieser These ist der emeritierte Psychologieprofessor Suitbert Ertel aus Göttingen. Er hat die Befunde Gauquelins in mehreren Studien überprüft. Für ihn besteht kein Zweifel daran, «dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Position von Planeten und dem beruflichen Schicksal berühmter Leute». Auf die Frage, weshalb dieser Effekt denn nur bei herausragenden Menschen wirken soll, meint Ertel, dies sei ein «Rätsel der Menschheit» – genauso wie die Frage, was bestimmte Künstler oder Wissenschaftler zu ihren herausragenden Leistungen befähige.

Skepsis bleibt angebracht

Doch auch Spörri bleibt dabei: „Skepsis ist angebracht: Denn was geschieht zum Beispiel, wenn man die Auswahlkriterien für ‚eminente’ Personen verändert? Bleibt der Befund derselbe?“ Von einem naturwissenschaftlichen Beweis planetarischer Einflüsse könne jedenfalls keine Rede sein. Der deutsche Religionswissenschafter Kocku von Stuckrad ziehe deshalb in seiner «Geschichte der Astrologie» ein nüchternes Fazit: «Eine objektive und konsensfähige Studie, die das Funktionieren der Astrologie eindeutig belegen könnte, liegt nicht vor.»

Spörri dazu: «Die Sterndeuter selbst wird dies allerdings wenig kümmern.» Die Astrologie habe noch nie eine kritische Studie akzeptiert, wird der kanadische Psychologe und Astro-Kritiker Ivan Kelly zitiert. «Und sie wird ihre Glaubenssätze auch niemals ändern. Egal, was die Wissenschaft beweist.»

Datum: 17.09.2003
Autor: Fritz Imhof

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