Das Kriegsgebet der Mächtigen

Beide wollen den Sieg und rufen zum Gebet.
Jahrhunderte lang wusste man Gott in allen Kriegen auf der eigenen Seite
Gebet statt Krieg: Das Gebet ist die Zwiesprache mit Gott und nicht Instrument des Krieges. Foto: gebetsaktion.at
Wir müssen auf Gott sehen , hören und vertrauen lernen!
Gefaltete Hände tun nichts Böses, tun keine Gewalt

Präsident George Bush betet für die Soldaten und schickt sie in den Krieg. Saddam Hussein betet für den Sieg im Heiligen Krieg. Beide rufen zum Gebet und der Berner Münsterpfarrer Jürg Welter fragt sich: Wozu beten?

Es ist Krieg, und Saddam Hussein und George Bush rufen zum Gebet auf.

In den vergangenen Wochen wurde die vermeintlich «religiöse» Sprache Bushs angeprangert und diskutiert. Im unmittelbaren Nacheinander der Reden beider Kriegskontrahenten wird offenbar, dass es keine religiöse Sprache ist, sondern eine Sprache, die Religion, die Gott und das Gebet instrumentalisiert.

Gott an der Seite?

Es ist ein altes Spiel. Die europäischen Kirchenvertreter wissen sehr genau, dass diese Instrumentalisierung von Religion bis vor wenigen Jahrzehnten auch auf dem alten Kontinent gang und gäbe war. Jahrhunderte lang wusste man Gott in allen Kriegen auf der eigenen Seite.

Von Jesus her zieht sich nur eine dünne Spur von einigen wenigen Menschen und religiösen Gruppierungen durch die Geschichte der Kirche, die konsequent dem Frieden und der Gewaltlosigkeit nicht nur das Wort geredet, sondern auch danach gehandelt und gelebt haben. Die uns befremdende neuerliche Verbindung von politischem Handeln und «religiöser» Überzeugung sollte uns eher Anlass zur Selbstbesinnung sein.

Das Gebet - ein tiefes Bedürfnis der Menschen

Es gilt zu beachten: Zurzeit findet eine Art Renaissance statt. Fundamentalistische Konfessionen in allen Weltreligionen gewinnen an Attraktivität in einer unstabilen und gefährdeten Welt. Das andere ist eine Besinnung auf die Funktion des Betens in diesen Tagen. Ein Beten, das uns selbst von den agierenden Mächtigen dringend ans Herz gelegt wird. Sie spielen mit einem tiefen, echten Bedürfnis der Menschen.

Ein Ehepaar, das sein Kind im Münster taufen liess, hat in einem Brief darum gebeten, bei der Taufe ihres Sohnes doch auch für die andern Kinder in dieser Welt zu beten, weil ihnen der Zusammenprall von freudigem Familienfest und bedrückender Weltlage zu schaffen macht: «Wäre es nicht möglich, wenigstens gemeinsam für Frieden beziehungsweise für ein rasches Kriegsende zu beten, für eine lebenswerte Welt im Grossen wie im Kleinen, nicht nur für die Taufkinder, sondern für alle Kinder dieser Erde?»

Öffnung für andere

Beten wird hier verstanden als eine Öffnung für andere. Es möchte am eigenen Glück Anteil geben und Segen und Bewahrung teilen. Aus dem Wunsch der Eltern spricht auch die Erfahrung der eigenen Ohnmacht angesichts der politischen Vorgänge. Damit wird zugleich eine wichtige Differenz zu den Gebetsaufrufen der Politiker sichtbar. Hier wird das Gebet nicht zum Eigennutz eingesetzt, sondern Ohnmächtige und ans Leben und an Mächte Ausgelieferte rufen zu Gott.

Umgehen mit der Ohnmacht

Beten versucht, mit der eigenen Ohnmacht umzugehen. Wie sich Ohnmacht und Zorn und Angst in lauten Demonstrationszügen Luft machen, kann sich Ohnmacht auch in der Stille und im Beten Luft machen.

Betende Hände, indem sie ruhig gestellt werden, sich falten, sich öffnen, wie auch immer... betende Hände «entmächtigen» sich selbst. Betende Hände tun nichts Böses, tun keine Gewalt sie ruhen und sind doch nicht einfach passiv in den Schoss gelegt. Die gefalteten Hände verweisen auf die enge Verbindung von Hand und Wort, sie entfalten in der einsetzenden Suche nach Sprache eine Gegenwelt und eine Gegenmacht. Im Beten geht es um Sprache, um religiöse Sprache. Sie hat nichts zu tun, mit diesen aktuellen Aufrufen zum Gebet.

Auch Beten kann verlogen sein

Auch Beten kann dumm und verlogen sein. Es gibt eine Grammatik des Betens.
Beten ist eine Sprachkunst, die sich auf der Grenze zum Verstummen bewegt. Religiöse Sprache umkreist auch im Gebet immer das Geheimnis Gottes. Sobald sie dieses Geheimnis instrumentalisiert, Zwecken und Absichten unterwirft, begeht sie Verrat. Meister Eckhart sagte im 14. Jahrhundert, dass Gott so zu einer Milchkuh werde, die wir wegen der Milch und des Käses und zum eigenen Nutzens lieben. In diesem Sinne rufen uns Bush und Saddam zum Gebet auf. Gott wird so zur Kuh der Politik und soll den Spielen der Macht gefügig gemacht werden.

Wir wissen genau: Er wird nicht hinhören. Er wird nicht eingreifen. Mit dem, was in seinem Namen jetzt geschieht, hat er nichts zu tun. Eckhart sagt: «Das Allerbeste und Alleredelste, wozu der Mensch in diesem Leben gelangen kann, ist, dass er schweigt und Gott in sich wirken und sprechen lässt.»

Überarbeitung: Livenet.ch, Antoinette Lüchinger

Leserbriefe

Datum: 07.04.2003

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