Schweizer Bevölkerung hat kaum noch Erwartungen an die Kirche

Kirche St. Arbogast in Muttenz

Eine Umfrage des Zürcher GfS-Forschungsinstituts hat ergeben, dass rund zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung kaum noch oder gar keine Erwartungen mehr an die Kirchen haben. Befragt wurden 718 Personen aus 70 Gemeinden, 75 Prozent aus der Deutschschweiz und 25 Prozent aus der Romandie.

Insgesamt sehen die Resultate für die Kirchen nicht allzu verheissungsvoll aus, heisst es im GfS-Bericht über die Umfrage. So antworteten über 50 Prozent der Befragten, dass sie von den Kirchen überhaupt nichts erwarteten.

Über weitere 20 Prozent beantworteten die entsprechende Frage nicht. «Zusammen ergibt dies gut 70 Prozent, die eigentlich keine Erwartungen gegenüber den Kirchen äussern», schreibt das Institut.

Die Umfrage zeige auch, dass Protestanten noch weniger von ihren Kirchen erwarten als Katholiken oder Mitglieder anderer Konfessionen. Frauen äusserten mehr Erwartungen gegenüber den Kirchen als Männer, Westschweizer erwarten öfter überhaupt nichts von den Kirchen als die Deutschweizer.

Die Stadt-Land-Unterschiede seien eher gering. Aber nehme man die Werte für «keine Antwort» und «erwarte nichts» zusammen, dann zeige sich, dass auch ältere Menschen kaum mehr von den Kirchen erwarten als die jüngeren Generationen, schreibt die GfS.

Doch gibt es auch noch die Minderheit, von der 16 Prozent von den Kirchen mehr Offenheit und Toleranz erwartet. Jeder zehnte möchte mehr kirchliches Engagement in der Jugendarbeit, fast ebensoviele nennen Übernahme sozialer Aufgaben durch die Kirchen als bedeutsam und 8 Prozent wünschen sich eine bessere Seelsorge sowie mehr Anpassung an modernes Denken.

Deutlich weniger oft werden schliesslich noch Engagement in der Entwicklungshilfe, in der Asylpolitik sowie Unterstützung und Betreuung alter Menschen genannt. Anstoss zur Umfrage gab nach Angaben des Instituts die in verschiedenen Kantonen zur Diskussion stehende Neuregelung des Verhältnisses von Staat und Kirche und die Frage nach der staatlichen Abgeltung gesamtgesellschaftlicher Leistungen der Kirchen.

In diesem Zusammenhang sei auch die Frage von Interesse, in welchen Aufgabenbereichen die Bürger mehr Engagement der Kirchen erwarteten.

Zu allgemein formuliert?

In Kurzkommentaren haben am Freitag der Präsident des Rates der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Thomas Wipf und Bischof Amédée Grab, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz zur GfS-Umfrage „Was erwartet die Bevölkerung von der Kirche?“ Stellung genommen.

Bischof Grab zeigte sich zwar „überrascht“ von den Ergebnissen der Umfrage. Man sollte doch annehmen, dass so etwas Wichtiges, Zentrales wie die letzten Sinnfragen die Leute beschäftigten. Andererseits meinte Grab, die Fragen der Erhebung seien für ein so schwieriges Thema doch recht allgemein formuliert worden. Wenn man so beispielsweise nach den Erwartungen gegenüber der Politik fragen würde, käme dabei vermutlich ähnliches heraus wie jetzt bei der Umfrage über die Kirchen.

„Die Kirche ist kein Selbstzweck, sie steht für etwas Grösseres“, betonte seinerseits Thomas Wipf. Aber sie sei natürlich herausgefordert: „Wie nahe kann sie bei den Menschen der heutigen Zeit sein, wie nahe bei den Problemen der Gesellschaft, und wie nahe bei Gott?“ Und es gebe die Herausforderung für die Menschen, ob sie eine solche Kirche wollten und unterstützten.

Datum: 31.03.2002
Quelle: RNA

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