Provinz, Probleme, Liebe - ohne Sicherheitsabstand

Mit "Italienisch für Anfänger" hat die dänische Dogma-Regisseurin Lone Scherfing eine romantische Komödie jenseits der Hochglanzwelten von Hollywood geschaffen.

Eigentlich will Hal-finn (Lars Kaalund) ja ein innovativer Stadion-Beizer werden, nachdem es mit der Kicker-Karriere nicht geklappt hat. Seinen - gelinde gesagt originellen - Umgang mit den Kunden goutiert das Management allerdings überhaupt nicht: Es wirft den Rüpel im Juventus-Trikot in hohem Bogen raus. Zu seinem Glück ist Hal-finn nicht nur sprachbegabt, wenn's drum geht, einem renitenten Gast gehörig die Meinung zu sagen; so landet er postwendend als Italienischlehrer in der Volkshochschule eines dänischen Provinz-Kaffs. Die Schüler seiner Anfängerklasse sind allerdings nur bedingt wegen des Unterrichtsstoffs hier…

Sei's der schüchterne und mit Potenzproblemen kämpfende Motel-Angestellte Jørgen Mortensen (Peter Gantzler), der Maserati-fahrende und jung verwitwete Aushilfs-Pfarrer Andreas (Anders W. Berthelsen), die krankhaft ungeschickte und von ihrem tyrannischen Greisen-Vater drangsalierte Bäckereiverkäuferin Olympia (Anette Støvelbæk) oder Coiffeuse Karen (Ann Eleonora Jørgensen), deren Kunden von ihrer permanent im Salon auftauchenden alkoholkranken Mutter vergrault werden: Diese einsamen Herzen erhoffen sich von dem Kurs definitiv mehr als ein paar Vokabeln für den nächsten Urlaub.

Weder Kitschkomödie noch Problemfilm

Dass dieses Setting weder in Richtung kitischige Feelgood-Komödie noch bedeutungsschwanger-deprimierendem Problemfilm kippt ist wohl der Grund für den grossen Erfolg von "Italienisch für Anfänger" bei Kritik und Publikum. Möglich gemacht haben dies die aussergewöhnlichen Leistungen von Regisseurin Lone Scherfing und ihrem umwerfenden und hierzulande bislang nahezu unbekannten Schauspieler-Ensemble.

Scherfing hat dem bis auf "Mifune" bislang eher düster-brachialen Dogma95-Kanon des dänischen Filmwunders eine neue, hellere und optimistischere (weibliche?) Stimme hinzugefügt. Und das ohne die hehren, 1995 von Ausnahme-Regisseur Lars van Trier und seinen (allesamt männlichen) Kumpanen aufgestellten - Dogma-Regeln zu brechen: Nach wie vor ist der Zuschauer dank Handkamera immer ganz nah an Geschehen und Emotionen. Die Einstellungen wurden ohne spezielle Beleuchtung gedreht und Musik gibt's nur, wenn sie in der Szene selbst aus Radio und Stereoanlagen dudelt. Trotzdem klebt "Italian for Beginners" weniger stark an der Form als die früheren Dogma-Filme und gibt so Raum für die sich entwickelnde Geschichte und deren Figuren.

Happyend in Venedig

Diese werden von den Schauspielern mit einer immer wieder überraschenden Natürlichkeit und Authentizität verkörpert. Wenn Olympia ihre wieder gefundene Schwester Karen mit zeitgleich grosser Überschwenglickeit und Scheu umarmt, Jørgen der toughen und gleichzeit erzkatholischen italienischen Kellnerin Giulia mit dem Herzen in der Hose, aber wild entschlossen, einen Heiratsantrag macht, oder der suspendierte Alt-Pfarrer seinem Nachfolger Andreas die jahrelang aufgestaute Wut auf Gott ins Gesicht schreit, so ist es, als sähe man solches ganz neu auf der Leinwand.

Fast scheint es, als habe Lone Scherfing auch noch das Happyend neu erfunden: Der Klassenausflug - ausgerechnet nach Venedig - vereint sechs der Kursteilnehmer vorläufig definitiv zu Liebespaaren; ohne dass die persönlichen Probleme der Einzelnen und der zu hause wartende triste Alltag auch nur eine Sekunde an Realität verlieren würden. Aber genau so wie Venedig trotz aller geschmacklosen touristischen Fehltritte Schönheit und Charme nicht verlieren kann, so kommt der Zuschauer wohl nicht umhin, sich über die (vorläufige) Überwindung der Einsamkeit und das gefundene Liebesglück zu freuen. a2t

Italiensk for begyndere, Dänemark, 2000
www.cineman.ch/search/show/process.php3?size=all&radius=all&movie=id2237
www.miramax.com/italianforbeginners/
www.italienskforbegyndere.dk
www.dome95.dk

Datum: 28.03.2002

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service