Der Wein erfreue des Menschen Herz

Wein
Julia Klöckner

Dass die Bibel sich nicht nur mit «frommen» Themen auseinander setzt, sondern auch ganz Alltägliches beleuchtet, zeigt das Beispiel «Wein». Wein, das Produkt aus Trauben, deren Most vergoren ist, ist ein Geschenk, das die Natur, das Jahr, den Boden - die Schöpfung widerspiegelt. Ein Produkt, das sogar zwei «Schöpfer» hat: Gott, der gibt, der gedeihen und gelingen lässt, und den Winzer, der hegt und pflegt.

Der Wein und die Bibel sind Paare, die zusammen gehören, deren Sinn sich nicht lediglich auf den Genuss eines Getränkes und auf den Dank an den Geber beschränkt. In der Bibel sind der Wein, die Weinrebe und die Ernte keine Nebensache. Das Wort «Wein» kommt fast 200 mal vor. Nimmt man alle Wörter im Umfeld des Weines, der Bereitung und Pflege hinzu, so kommt man auf über 500 Stellen. Im Alten Testament kommen der Wein oder der Weinberg außer in Ruth und Jona in jedem Buch vor. Im Neuen Testament spielt er in allen Evangelien und in der Apostelgeschichte wie auch in vielen Briefen eine Rolle. Wozu? Er ist mitunter ein Bild für das Verhältnis Gottes zu seinem Volk; er ist ein Symbol für Gottes Reich und das versprochene Festmahl, das Gott den Menschen bereiten wird, die eine persönliche Beziehung zu ihm haben; er ist ein Zeichen der Erinnerung, der Hoffnung und der Freude.

Doch neben der Fülle und der Freude gibt es auch die Wüste und den Durst. So befand sich das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten auf der Wanderschaft durch die trockene, endlose Wüste. Im 4. Buch Mose hat es die dürre Wüste hinter sich gelassen und wusste, dass Gott für dieses Volk ein gutes Ziel bereit hielt. Was war nun dieses Gute, das da auf Israel wartete, das Gott ihm versprochen hatte, wohin alle wollten? Das «gelobte Land», in dem Milch und Honig fließen. Und so schickte Mose Männer aus, die das Land Kanaan auskundschaften und zum Beweis die Früchte des Landes mitbringen sollten, die sie vorfinden würden. So heißt es: «Die Männer brachen auf und erkundeten das Land (...) Sie schnitten sich eine Weinrebe ab, die so schwer war, dass zwei Männer sie an einer Stange tragen mussten.»1) Die beiden Kundschafter brachten als Zeichen des natürlichen Reichtums eine Traube aus dem Tal mit. Das bestätigt: wenn Gott etwas Gutes verspricht, gehören die Trauben und der Wein dazu. Das Land, in dem Milch, Honig und Wein fließen, ist ein Geschenk Gottes. So gehört es zu den guten Gaben eines Landes, Wein zu haben.

Das Bild vom Weinstock und dem guten Rebensaft weist jedoch über das Alte Testament hinaus auf Jesus hin. Die Zeit, als Jesus auf der Erde lebte, war eine Hoch-Zeit, in der nicht gefastet, sondern gefeiert wurde. Der Wein im Reich Gottes war Jesus so wichtig, dass er beim letzten Abendmahl erklärte: «Ich sage euch: Von jetzt an werde ich keinen Wein mehr trinken, bis ich ihn wieder mit euch im Reich Gottes trinken werde.» 2) So trank Jesus beim letzten Abendmahl zusammen mit seinen Jüngern diesen Wein, was wir in der Eucharistiefeier nachvollziehen. Der Wein beim Abendmahl will die Christen daran erinnern, dass ihr Feiern nicht nur den Tod von Jesus symbolisiert, sondern auch - bildlich ausgedrückt - die zukünftige «Hochzeit», also die Vereinigung von Jesus Christus mit allen Gläubigen. 3) Deshalb sollten unsere Gottesdienste auch etwas von dieser Freude widerspiegeln.

Es gibt Bilder und Vorstellungen in der Bibel, die aufzeigen, dass dereinst eine Zeit kommt, in der alles gut geworden ist - aus Lanzen werden Winzermesser. Gott wird dann dieses Festmahl für alle Völker bereiten. Brot und Wein gehören also nicht nur zum «gelobten Land», sondern zu diesem erhofften Festmahl: «Hier auf dem Berg Zion wird der Herr, der allmächtige Gott, alle Völker zu einem Festmahl mit köstlichen Speisen und herrlichem Wein einladen, einem Festmahl mit bestem Fleisch und gut gelagertem Wein.» 4) Zum Bild des endgültigen Daheimseins gehört wieder der Wein, der erlesene, gute Wein, der nicht ausgehen wird.

Julia Klöckner (30), D-Mainz
studierte Theologie, Politwissenschaft und Pädagogik, Bundestagskandidatin 2002
seit 1988 freie Autorin und TV-Moderatorin bei SWR (Mainz)
Co-Autorin des Buches «Der Wein erfreut des Menschen Herz - Geschichten über den Wein und die Menschen in der Bibel» (Paulusverlag, CH-Freiburg, 1988)
zahlreiche journalistische und fachpolitische Veröffentlichungen zum Thema Weinmarkt, Weinbaupolitik, Erzeuger- und Verbrauchertrends in Publikumszeitschriften und Fachmagazinen
derzeit Redakteurin der Zeitschrift Weinwelt sowie Chefredakteurin des Sommelier-Magazins

1) 4. Mose, Kapitel 13, Sätze 21-23
2) Markus, Kapitel 14, Satz 25
3) Offenbarung, Kapitel 19, Satz 9
4) Jesaja, Kapitel 25, Satz 6

Autor: Julia Klöckner

Datum: 19.03.2003
Quelle: Reflexionen

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service