Titanic auf dem Thunersee

Reichtum, Glück und Untergang

Hundert Jahre nach der Kollision mit einem Eisberg geht die Titanic im Thunersee unter. Das Musical packt vor der Alpenkulisse mit den durch die Unglücksfahrt verwobenen Schicksalen und letzten Fragen.
«Gute Reise, bis zur Wiederkehr»: Passagiere beim Auslaufen der Titanic in Thun.
Ein reiches Leben: Das Liebespaar auf dem untergehenden Schiff.

1912 ist heute. Die Titanic lädt zur Fahrt ins Glück. Das Land von Milch und Honig scheint den rothaarigen Irinnen zum Greifen nah. Die Atlantik-Passage dritter Klasse haben sich die Migrantinnen vom Munde abgespart. Mit dem Oldtimer werden die Millionäre zum Dampfer gefahren. Mit ihnen bezieht der in allen Schlachten siegreiche britische Offizier eine Suite. Der Reeder selbst fährt mit, um den Ruhm seines Superdampfers zu fördern und mit einem Transatlantikrekord in die Geschichte einzugehen. Den Reichen und Berühmten endlich nahe sein will Bertha Lehmann mit ihrem Mann Jakob, Eisenhändler in Burgdorf.

Dreiklassengesellschaft

Die Thuner haben es gewagt, das auf dem Kontinent wenig gespielte Musical von Peter Stone, Maury Yeston und Wolfgang Adenberg in die Alpen zu holen. Sie haben es gestrafft und mit Lehmanns unüberhörbar schweizerisch angereichert. Unter der Regie von Max Sieber wird ohne Pause kontrastreich durchgespielt: beschwingte Tänze und fürstliches Dinner, spitze Dialoge und verliebtes Getuschel –  Dreiklassengesellschaft mit zunehmendem Beklommenheitsfaktor.

Trennungsschmerz und Horror

Die Katastrophe kündigt sich mit Eiswarnungen an, die Kapitän Smith wegwischt. In mondloser Nacht reisst der kalte Berg Lecks in die Steuerbordseite der Titanic. Das Creative Team der Thunerseespiele hat sich einiges einfallen lassen, um Ratlosigkeit und Verwirrung, Wut und Todesangst, Trennungsschmerz und Horror auf die Bühne zu bringen. «Näher, mein Gott, zu dir», spielt die Kapelle, wie der Superdampfer mit all seiner Glorie im finsteren Thunersee versinkt.

1912 und die Folgen

Der Untergang am 15. April 1912, von Technikgläubigkeit und Übermut provoziert, hielt die Europäer nicht davon ab, zwei Jahre später blind-begeistert in den Weltkrieg zu marschieren. Den selbstgemachten Katastrophen des 20. Jahrhunderts, Tschernobyl inklusive, folgte letztes Jahr Fukushima. Auf dem Dampfer Europa drängt sich im Krisensommer 2012 die Frage ins Bewusstsein, wer wie davonkommen wird, falls...

Unterhaltung mit Tiefgang

Das Musical gerät in der Thuner Inszenierung zum Gleichnis für die berauschende Vielfalt des Lebens, das doch ehernen Gesetzen folgt: Wir fahren auf demselben Dampfer, wie zusammengewürfelt, nach Glück verlangend, mit ungleichen Voraussetzungen, Mitteln und Überlebenschancen, bis der Tod uns scheidet. Und dann? Auf der Seebühne finden sich zur Schlussszene die Überlebenden in Wolldecken ein – die Ertrunkenen und Erfrorenen treten nach hinten ab.

Statt Übermut Glaube

Das Leben geht weiter. Doch die Zuversicht, mit der sich die Menschen 1912 im Angesicht des Todes näher bei Gott wähnten, hat sich ein säkulares Jahrhundert später verflüchtigt. Sind wir heute vor titanischer Überheblichkeit gefeit? Das Musical wirft die Frage auf, was in unseren Tagen zur Abwendung von Grosskatastrophen geboten ist – und stellt die Frage, ob unser Glaube ausreicht, solche Ereignisse zu bewältigen. 


Titanic – das Musical auf der Thuner Seebühne, Mittwoch-Samstag, bis 30. August. Infos und Tickets finden Sie hier.

Datum: 14.07.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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