«Die Schwarzen Brüder»: Hoffnung trotz allem im Schaffhauser Musical

Foto: Franco Greco / Lichtkunst Gerry Hofstetter
Gilles Tschudi als Kinderschlepper Luini mit Giorgio und Alfredo auf dem Weg nach Mailand.
Der Bund der Schwarzen Brüder wird besiegelt.

Geschichte fasziniert auf der Bühne: Nach dem Emmental-Drama „Täuferjagd“ und „Basileia“, der Reise ins Basler Mittelalter, zieht derzeit das harte Los der Tessiner Knaben, die Mailands Schornsteine mit blossen Händen ausrussen mussten, Zuschauer an.

Mit dem Musical «Die Schwarzen Brüder» nach dem Kinderbuchklassiker von Lisa Tetzner macht eine Innerschweizer Künstlergruppe Schaffhausen zur Musicalstadt. Die stillgelegte Stahlgiesserei von Georg Fischer gibt ein ebenso geräumiges wie düsteres Ambiente ab, passend zum dramatischen Schicksal der Buben aus Tessiner Bergtälern, die von ihren Eltern nach Mailand verdingt wurden. Der historische Bezug – das Elend der Spazzacamini liegt erst wenige Generationen zurück – fährt umso mehr ein, als heute in zahlreichen Ländern weltweit Kinder schamlos ausgebeutet werden.

Die Hoffnung der Ausgebeuteten

Der Schlepper, der Giorgio und Alfredo über die Grenze schmuggelt und in Mailand verschachert, das Narbengesicht Luini (Gilles Tschudi), verkörpert groben, menschenverachtenden Zynismus. Einige der Mailänder Kaminfeger, die sich um die zwei Burschen balgen (die anderen sind auf dem See ertrunken), stehen ihm mit ihrer ausbeuterischen Gier nicht nach. Giorgios neuer Meister ist unfähig, ihn vor den Bosheiten seiner Frau (Corin Curschellas) und der Niedertracht des von ihr gehätschelten Sohns Anselmo in Schutz zu nehmen. Können sich die Versklavten in der Fremde eine Hoffnung bewahren? Wo ist Licht? Die Sehnsucht der misshandelten, in den Qualm der Kamine gesteckten und schlecht ernährten Buben nach der heilen Welt trägt das Musical, das dem Bösen mannigfache Gesichter gibt. „Wenn ich ein Engel geworden bin“, tröstet ihn die todkranke Tochter des Meisters, „kann ich dich beschützen“.

Überleben durch „die Kraft wahrer Freundschaft“

Das zweieinhalbstündige Werk des russischen, in Luzern lebenden Kompo­nisten Georgij Modestov und des Librettisten und Regisseurs Mirco Vogelsang stellt das qualvolle Ringen der Buben effektvoll in den Mittelpunkt. Erschwert wird es durch die Strassenbande der Wölfe, bei denen Anselmo Giorgio anschwärzt. Doch die kleinen Kaminfeger überleben durch die „Kraft wahrer Freunschaft“: Sie haben sich Treue geschworen, sie sprechen einander Mut zu, kämpfen gemeinsam, gehen durch die dunkelsten Stunden (Alfredos Beerdigung) und können schliesslich fliehen. Die hellen, feinen Stimmen der Buben, bravourös dargestellt von Zürcher Sängerknaben, heben sich herzerwärmend ab vom Gebrummel und Streit der Erwachsenen.

Sinnieren über das entschwundene Glück

Die Wende zum Besseren leitet ein Wohltäter aus Lugano ein. Im Gang der Szenen (Marktfrauen, Arbeit im Kamin, Familienelend, Jugendgangs) kommen auch einige der Ausbeuter ins Sinnieren übers entgangene Glück. So beklagt der versoffene Luini seine abgründige Einsamkeit. „Ich wollte so viel, warum bin ich jetzt so leer?“ fragt sich Giorgios Meister. Auch der Boss der Wölfe hat einen weichen Kern und wehrt dem Hass.

Unter dem anhaltenden Applaus der Zuschauer stimmen alle Darsteller ein ins Schlusslied Giorgios: „Will mich entdecken, wie ich auch sei. Nie mehr verstecken! Ich bin so frei!“

Weitere Aufführungen in der Stahlgiesserei Schaffhausen bis am 13. Mai.
Mehr Informationen unter: www.dieschwarzenbrueder.ch

Bilder: Die schwarzen Brüder

Datum: 23.04.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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