«Wir zeigen ihnen, wie man in eine Bank geht, ohne sie auszurauben»

Schnörkelloser Blues: Bryn Haworth.
Bryn Haworth im Gespräch mit Livenet.ch (Foto: Jean-Daniel von Lerber).
Bryn unplugged.
Verträumter Blick, klare Musik.

Bryn Haworth ist ein begnadeter Blues-Musiker. Star-Allüren scheint der Engländer aber nicht zu kennen. Er teilt sein Leben mit Menschen, die im Gefängnis sitzen, und hilft ihnen, wenn sie wieder «draussen» sind.

Bryn Haworth ist eine Blues-Legende. Sein erstes Album kam im Jahr 1973 raus. Danach reihte sich eins ans andere. Seit 15 Jahren geht Bryn Haworth auch ins Gefängnis. Nicht als «Kunde»; er teilt sein Leben mit den Insassen. «Ich mache Musik und gebe Bibelstunden», sagt Haworth. Seine christliche Gemeinde, die zur anglikanischen Kirche gehört, leitet diese Arbeit.

«Wir halten Gottesdienste ab und resozialisieren die Gefangenen, zeigen ihnen, wie sie sich nach der abgesessenen Strafe wieder in der Welt zurechtfinden.» Dies sei der schwierige Teil, sagt Bluser Bryn Haworth. Im Gefängnis leben sei leicht. «Draussen wird es schwer. Es ist schwer, eine Stelle zu kriegen und wieder in die Gesellschaft reinzukommen. Wir begleiten sie, helfen ihnen beim Stellensuchen und wenn sie wollen, sind sie in unserer Gemeinde willkommen. Da sind die Leute freundlich zu ihnen.» Bryn lächelt: «Aber nicht zu freundlich.»

Jetzt prügelt er nicht mehr

Die Schicksale, die er dort antrifft, seien zum Teil erschütternd. «70 Prozent der Insassen können nicht lesen und schreiben. Aber das brauchen sie, wenn sie eine Stelle kriegen wollen. Mit 14 oder 15 haben sie die Schule verlassen und sich als Kriminelle über Wasser gehalten. Wir zeigen ihnen, wie es auch anders geht, und wie man zum Beispiel in eine Bank geht, ohne sie gleich auszurauben.»

Einer sei mit 15 erstmals im Gefängnis gewesen. «Heute ist er 45. Die meiste Zeit seines Lebens war er im Knast. Dann wurde er Christ und wollte zum ersten Mal in seinem Leben lesen lernen – für ihn eine grosse Sache. Er ging zurück zu seiner Frau und seinen sechs Kindern. Sein Leben hat sich seitdem völlig geändert, und er schlägt die Leute nicht mehr zusammen.»

Viele der Insassen haben ihre Emotionen nicht unter Kontrolle. «Sie werden schnell sehr böse und kämpfen. Da kann der Heilige Geist helfen. Wir sagen ihnen, dass es nicht aus eigener Kraft geht. Man braucht seine Kraft. Die kommt aus einem neuen Leben mit Christus.»

Neue «ID»

«Ein Lied auf meinem neuen Album heisst „A new ID“. Die Leute in den Gefängnissen mögen es, weil es um eine neue Identität geht. Ein anderes heisst „Wash me clean“. Es entstand aus dieser Arbeit heraus. Ich sang das schon im Gefängnis und manche wollten sich danach taufen lassen. Wegen einem Song.»

«Im allgemeinen funktioniert das nicht, wenn man die Leute im Gefängnis bloss eine Zeitlang wegsperrt. Etwas anderes ist es, wenn so dort lesen und schreiben lernen – und Jesus die Kraft gibt, dass sie ein neues Leben anfangen können. Dann kann der Knast ein Segen sein. Sie sind sechs bis sieben Jahre drin und überlegen sich, was mit ihrem Leben geschehen soll. Das ist also eine ausgezeichnete Gelegenheit für solche Gedanken und auch, um sich wirklich zu ändern. Wir sagen ihnen, das sei nun ganz ihre eigene Entscheidung, nicht die eines anderen.»

Im Folgenden beantwortet Bryn Haworth den Fragebogen dieser Website:

Eine Schwäche, die Sie durch den Glauben besser in den Griff bekommen haben ...
Ich habe Schwächen, aber die bespreche ich mit Gott. Er bringt die Schwäche ans Licht. Man kann sie überwinden, wenn man mit ihm darüber spricht, und durch sein Wort herausfindet, was er will, wie er hilft und stärkt. Manchmal muss man mit anderen Menschen darüber reden und ihnen sagen, ich habe da oder dort ein Problem. Das muss ich auch manchmal machen.

Eine Stärke, die Sie durch den Glauben gewonnen haben ...
Eine einfache Sache: richtig Auto fahren. Ein Mann will schnell fahren, schneller als der andere. Da half mir der Heilige Geist. Ich muss nicht mehr schnell sein. Ich muss keinem mehr etwas beweisen. Sondern ich weiss, wer ich bin. Ich bete nun immer, bevor ich den Motor anlasse.

Egal, was wir machen – wir brauchen seine Hilfe. Ich nehme zum Beispiel meinen Terminkalender und bete: «Hilf mir dabei, Herr». Das ist mein bestes Gebet.

Was begeistert Sie am meisten an Gott?
Ich komme aus einem kaputten Elternhaus. Mein Vater und meine Mutter hatten sich getrennt, als ich noch klein war. Meine Zeit mit Vater war schwer. Später dann fand ich heraus, dass Jesus Gott seinen Vater nennt. Das war schwer für mich, weil ich ihn mit meinem eigenen Vater verglich.

Selbst als Christ verstand ich während vielen Jahren seine Liebe, Gnade und Gunst nicht. Ich wusste nicht, was dieser Vater für mich empfindet. Das ging recht lange so – aber jetzt liebe ich Gott, meinen Vater. Es ist etwas Schönes, wenn man im Leben einen guten Vater hat, eine wahre Autorität. Das zu entdecken begeistert mich am meisten.

Welche Eigenschaft von Gott verstehen Sie nicht?
Warum es so lange dauert, bis Jesus zurückkommt und alle Not hier ein Ende hat. Denn wir leiden sehr in dieser Welt. Kinder werden versklavt oder müssen arbeiten. Ich mag das nicht. Ich denke dann immer: Wäre ich Gott, würde ich sagen: «Es ist genug!» und würde endlich den neuen Himmel und die neue Erde schaffen. Aber vermutlich will Gott, dass noch so viele wie möglich dann dabei sind.

Klagen Sie Gott manchmal an? Wenn ja: Wie?
Ich hab schon manchmal zu Gott geschrien: «Warum ist das passiert?» Heute mach ich das nicht mehr so. David war in den Psalmen sehr direkt zu Gott und brachte seine ganzen Zweifel, Ängste und Fragen. Ich stelle Gott einfach meine Fragen – mir gefällt das in dieser Beziehung.

Ein Tipp, wie man Gebet und Bibellesen interessant gestalten kann ...
Meine Frau und ich haben ein Buch, mit dem man in einem Jahr die Bibel durchlesen kann. Das ist wunderbar. Wir haben das schon mehrfach gemacht. Wir reden dann über das, was wir gelesen haben. Es ist interessant, auf wie verschiedene Weise Gott oft zu einem spricht.

Wir machen uns einen Tee, dann lesen wir und beten. Wir haben eine Gebetsliste für Menschen, Familie, Freunde und weltweite Anliegen. Ich kann die Liste nicht jeden Tag ganz durchgehen, aber an sich ist so eine Liste etwas Gutes. Das bringt Routine und Disziplin. Wenn man müde oder beschäftigt ist, kann man es ein andermal machen.

Wie sind Sie Christ geworden?
Wir fuhren mit dem Auto durch die Gegend und entdeckten ein Zirkuszelt. Ich dachte, da ist ein Zirkus, und wir gingen rein. Es war aber eine Evangelisation. Wir waren Ende 20 und wussten eigentlich nichts über Jesus und die Bibel. Am Ende des Gottesdienstes lud ich Jesus in mein Leben ein.

Eigentlich hatte meine Suche bereits drei Jahre vorher begonnen, als ich Dinge tat, von denen ich dachte, sie würden Gott gefallen. Ich hörte mit den Drogen auf, wurde Vegetarier, rauchte nicht mehr und spendete einiges an Geld. Aber das brachte nichts, und wir sind wieder auf die alten Gleise zurückgefallen.

Dort im Zelt hörten wir aber, dass Jesus der Weg sei und die Wahrheit und dass niemand zum Vater komme, ausser durch ihn. Das war das einzige, was ich an diesem Abend verstanden hab. Und so betete ich: „Jesus, wenn du der Weg bist, will ich mit dir gehen.“ Diese Worte hatten Wirkung, er kam in mein Leben.

Beschreiben Sie ein spezielles Erlebnis, das Sie mit Gott gemacht haben.
Früher fühlte ich seine Anwesenheit körperlich. Wie im Alten Testament, als die Menschen auf ihr Angesicht fielen und der Geist Gottes auf ihnen ruhte. Das ist toll; er ist dann nicht der Gott eines Buches, sondern er wurde handfest erlebbar. Das half mir sehr in einigen Schlüsselmomenten.

Generell lebt man aber im Glauben und Vertrauen an ihn. Später fühlte ich das nicht mehr so körperlich. Aber ich hatte die Bibel, sein Wort, und das ist auch sehr stark.

Warum denken Sie, dass sich ein Leben als Christ auf Dauer lohnt?
Es geht gar nicht so sehr um den Himmel, sondern um das Jetzt. Als Christ geht es viel um das Heute, um das tägliche Leben: wie Gott uns durch den Tag begleitet und unser Denken bestimmt; wie man mit den Menschen umgeht, sein Autos fährt, Geld spendet und woran man sich freut.

Es geht um alles. Will man eine Maschine bedienen, sollte man wissen, wie das geht. Genauso ist es mit dem Leben. Die Bibel ist dafür unsere Bedienungsanleitung.

Steckbrief:

Zivilstand: Verheiratet.
Gemeinde: Eine anglikanische Gemeinde.
Arbeit in Gemeinde: Wenn ich da bin, Worship-Leiter. Und Gefängnisarbeit am Sonntag. Meine richtige Gemeinde ist der Hauskreis.
Hobbys: Malen und Laufen.
Beruf: Musiker (Songwriter, Gitarrist, Sänger).
Wohnort: Ebson; das liegt bei Darby, das durch Pferderennen bekannt ist.
Herkunft: England.
Lieblingsbibelstelle: Jesaja 53, das ganze Kapitel.

Website: www.brynhaworth.com

Datum: 27.01.2007
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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