Marilyn Manson: Spiegel im Tal des Todes

Marilyn Manson

Er passt so gar nicht in die Glitter- und Promi-Welt des internationalen Musikgeschäfts: Schockrocker Marilyn Manson. Zur Zeit bewegt er die Gemüter evangelischer Christen in Mexiko.
Wie ist dieses Phänomen einzuordnen? Was soll man mit ihm anfangen? – Ein Psychotherapeut und eine christliche Heavy-Metal-Band nehmen Stellung.

Am 5. November 2003 tritt Manson in Monterrey (Stadt in Mexikos Norden) auf. Bereits trafen sich über 100 evangelische Christen um Lieder zu singen und für seine Seele zu beten.

In seiner Show singen nicht ein paar hübsche Leute ein paar nette Lieder. Düstere Texte sowie eine Horrorshow mit Filmblut, zerrissenen Bibeln und brennenden Amerika-Flaggen sind sein Markenzeichen.

Er ist der personifizierte Albtraum des Etablissements. Seine Auftritte gehen allerdings nicht in irgendwelchen finsteren Spelunken in zwielichtigen Stadtvierteln über die Bühne, sondern auf den ganz grossen Schauplätzen. Wie beispielsweise vor rund zwei Jahren im Zürcher Hallenstadion.

Schockrocker Marilyn Manson interessiert. Warum? Livenet.ch macht sich auf Spurensuche. Unter anderem singt Manson über Sinnlosigkeit und dass man sich daher das Leben nehmen könne. Suizid ist einer der Schwerpunkte in der Arbeit von Psychotherapeut Reinhard Egg.

«Sicher provokativ»

«Wir sind nutzlose Jugendliche», singt Manson beispielsweise. Häufig singt er von Hoffnungslosigkeit und dass die Menschheit keine Zukunft habe. Kritiker sagen, er rufe zu Hass und Gewalt auf. Er selbst entgegnet: Das Böse sei schon im Menschen drin. Er sei bloss derjenige, der sich das auch auszudrücken traue. Psychotherapeut Reinhard Egg auf die Frage, wie «MM» auf ihn wirke: «Musikalisch sehr antiquiert. Seine Harmonien, Rhythmen und Kombinationen habe ich schon vor dreissig Jahren gehört. Manches erinnert mich an den Umkreis von „Jesus Christ Superstar“, was damals wegweisend war.» Vom Musikalischen her sei er beim ersten Hören enttäuscht gewesen. «Textlich ist das Problem – das viele andere auch haben –, dass man gar nicht versteht, was er singt. Aber ich habe die Texte gelesen und kann sagen, dass sie sicher provokativ sind.»

«Mehr als eine Spielerei»

Auf die Gesellschaft wirke sich Manson bestimmt aus; sonst hätte er nicht diesen Erfolg. «Ich erlebe das Schweizer Pop-Publikum als kritisch», résümiert Egg. «Es frisst nicht alles, was aus den Staaten kommt. Ich denke, dass Manson keine Denkprozesse auslöst; die laufen ja schon. Aber vielleicht führt er die Leute darin weiter.» Wesentlich seien die Texte. «Die wollen zuerst schockieren, wie er im Begleittext sagt. Damit tut er das, was die anderen auch wollen. Sie schockieren in einer ganz typisch amerikanischen Art. Ich kann mir vorstellen, dass man dort viel stärker schockiert ist. Weil dort ein ganz anderes, allgemein verbreitetes Gottesbild herrscht, im Gegensatz zu hier.» Und doch fallen bei ihm klar satanistische Motive auf, in den Texten wie in der grafischen Ausstattung der CD, z.B. von «Holy Wood. In the shadow of the valley of death». Jedenfalls wenn man sich überlegt, was Satanismus eigentlich ist. Das griechische Wort für den Teufel, also „Diabolos“, heisst wortwörtlich übersetzt „Durcheinander-Werfer“. Genau das macht Manson. Er wirft durcheinander, indem er Negatives zum Positivem erklärt und Positives zu Negativem, genau wie im Satanismus.» Im Falle von Manson habe er aber – bezogen auf die Schweiz – keine grossen Bedenken: «Der Satanismus spielt in der Schweiz eine weniger grosse Rolle als in Deutschland oder den skandinavischen Ländern.» Es sei aber mehr als eine Spielerei, führt Egg aus. Rein schon vom psychischen Standpunkt betrachtet. «Spiel hat ja immer auch mit unseren unbewussten Anteilen zu tun. Im Spiel lebt man einen Teil davon aus. Das geschieht auch im Satanismus. Aber ob dies eine gute Art ist, sein Unterbewusstsein auszuleben, das bezweifle ich als Psychotherapeut.»

«Er schockiert, aber er führt nicht weiter.»

Manson sagt, er mache nichts anderes als Elvis, John Lennon, Alice Cooper, die zu ihrer Zeit auch provozierten. Elvis im damaligen Stil wäre heute ein braver Junge. Alle sagten, sie hielten der Gesellschaft den Spiegel vor. Daher die Fragen an Reinhard Egg: Braucht es solche Reflektoren, und hat die Gesellschaft denn auch das Gefühl, sie sehe sich in diesem Spiegel? «Zum Teil funktioniert es, und ich denke, dass es dies auch braucht. Wenn man weit zurückblickt in die Geschichte der Menschheit, stellt man fest, dass diejenigen, die ihr den Spiegel vorgesetzt haben, sie damit weitergebracht haben. Das fing bei den alten Philosophen an. Was machte Sokrates denn anderes als den Menschen den Spiegel vorzuhalten? Was tat Jesus Christus anderes? Auf keinen Fall will ich Manson in diese Linie stellen. Aber er will die Leute anregen, über sich selbst nachzudenken. Was fehlt, ist ein Lösungsweg. Der kommt in seinen Texten einfach nicht vor. Er schockiert, und es mag sein, dass er den einen und anderen zum Kopfnicken bringt. Aber er führt nicht weiter. Das empfinde ich als Mangel.»

Fördert er die Hoffnungslosigkeit, oder regt er zum Suchen an? Nochmals Reinhard Egg: «Ich sehe bei Manson keine Anregung zu einer Suche.» Zu einer Hoffnungslosigkeit führe er aber auch nicht. «Dafür hat er zu wenig Tiefgang, textlich wie musikalisch.»

«In einem Punkt sind wir uns einig ...»

Sie spielt sogar noch härter als Marilyn Manson und kommt aus Uster in der Schweiz: die christliche Heavy-Metal-Band «Detonation». Während ersterer aber singt, es gebe keine Zukunft, keine Hoffnung, und wir seien alles Jugendliche ohne Lebenssinn, sind die drei Musiker von Detonation vom Gegenteil überzeugt. Im Lied «God cares» (dt. Gott schaut zu uns) singen sie über Magersucht, über das Gefühl, zu dick zu sein, und andere gesellschaftlichen Probleme. Ihre Worte sind konstruktiv, nämlich dass man Gott so gefällt, wie man ist, und dass er einen nicht vergisst. Die drei Musiker sagen, sie hätten eine starke Botschaft zu einer starkn Musik. Detonation sind: Michael Scherrer (Gitarre), Daniel Donnabauer (Schlagzeug) und Toni Kälin (Bass). Gesang: Alle. Manson singt, es gebe keine Hoffnung, man könne sich umbringen, Detonation singt, dass es einen Ausweg gibt und dass Gott einem liebt. Wer hat Recht? Toni Kälin: «In einem Punkt sind wir uns mit ihm einig: Nämlich dass der Mensch von sich aus nicht viel zustande bringt. Der Hauptunterschied ist, dass wir unsere Hoffnung auf Gott setzen können. Wer Recht hat, kann der entscheiden, der sich mit den Texten auseinandersetzt und die Wahrheit im Leben sucht.»

Scherrer: «Ein weiterer Unterschied ist, dass wir die Erfahrung mit Jesus gemacht haben, dass er uns in unserem Leben konkret begegnet ist. Das können wir niemandem beweisen. Das muss und kann aber jeder selbst erleben und spüren.» Inwiefern ist der Ansatz nun aber anders? Manson singt schliesslich auch von Gott.

Kälin: «Er setzt sich anscheinend ebenfalls stark mit dem Leben und seinem Sinn auseinander. Und er ist recht frustriert und sieht keine Hoffnung und keinen Ausweg. Und er ist fast ein wenig verbittert. Ich persönlich hatte Angst vor dem Tod. Es hiess, es sei, wie wenn man ins Bett gehe, einschlafe und nicht mehr aufwache und dabei einfach nichts träumt. Ich wurde suchend. Der Unterschied zu Manson ist nun, dass wir Jesus finden durften und den Mitmenschen nun auch davon erzählen. Wir zwingen niemanden, dass er das glaubt. Wir haben es so erlebt und du kannst es auch haben, wenn du willst. Aber es ist kein Zwang. Wie setzen unsere Hoffnung auf Jesus und wissen, was immer passiert in unserem Leben, er hat die Kontrolle. Und wir wissen, das ist nicht alles sinnlos.»

«... wir aber gehen einen Schritt weiter»

Anders gesagt: Detonation hat den gleichen Ansatz wie Manson, mit dem Unterschied, dass die Gruppe 'mal dort begann, wo jener heute noch steht. Detonation ging einen Schritt weiter. Donnabauer: «Wohl im Gegensatz zu ihm durften wir die Liebe von Jesus erfahren. Wir haben das Angebot von ihm angenommen, und ich denke, Manson ist dort stehengeblieben oder will diese Liebe nicht annehmen. Darum ist er in einem Zwist.»

Zentraler Inhalt der Detonation-Songs ist der Frieden mit Gott, den die Menschen durch Jesus haben können, und dass Gott nicht so ist, wie man oft denke. «Er kennt jeden Menschen, jeden Gedanken und Fehler und liebt uns trotzdem und nimmt uns an.» Donnabauer: «Unsere Texte zeigen auch, dass bei Gott jeder eine Chance hat. Er ist nicht der Gott nur einer Chance, und wenn die vorbei ist, ist es gelaufen. Sondern wenn man versagt hat, kann man wieder zu ihm kommen. Er ist die Liebe und zeigt einem, was man unter Liebe verstehen darf.»

Plakativ gesagt: Manson singt vom Tal des Todes, Detonation von der Brücke zum Leben. Warum? Kälin: «Es gibt nichts Besseres zum Besingen. Klar, wir könnten auch davon singen, dass es schöne Bäume gibt und die Pizzas gut schmecken und so weiter ... Halt über die Sachen im Leben. Aber das ist zu wenig. Und das Beste, von dem wir erzählen können, sind von unseren Erfahrungen mit Jesus und dass diese Möglichkeit für jeden offen ist.»

Die neue Gefühlswelt

Oft hören die Musiker von Detonation, dass man ihre Musik gut finde, man aber mit den Texten nichts anfangen könne. Auch interessante Gespräche würden sich ergeben. Jemand fragte beispielsweise nach Durchsicht des CD-Booklets, ob die drei Musiker das Christentum verulken wollten. Im CD-Booklet ist beispielsweise ein Übergabegebet abgedruckt.

Kälin: «Jeder sucht den Sinn des Lebens. Die einen mehr die anderen weniger. Viele fragen, was nach dem Tod kommt oder warum alles ist, wie es ist. Es gibt zwei Arten ihn zu finden. Bei mir war es so: Ich hatte einen Freund, der Christ ist. Ich merkte bei ihm, dass etwas dahinter ist. Durch ihn fand ich Gott, so wuchs ich in die Beziehung mit ihm hinein. Ich bekehrte mich dann an einer Jugendevangelisation. Dann kam ich in der Bibel nicht mit und mein Christsein rückte in den Hintergrund. Dann las ich das Buch „Jesus unser Schicksal“ und erlebte die Wiedergeburt. Es ist nicht so, dass man ein zweites Mal in die Welt kommt. Aber die Gefühlswelt wird wie ein zweites Mal geboren. Wie wenn man in einen dunklen Raum kommt und ein Licht angezündet wird. Ich begann die Bibel zu verstehen. Ich merkte, ich habe einen riesigen Schritt nach vorne gemacht, und dass das Alte nicht mehr ist und dass meine frühere Welt nicht mehr meine Welt ist.»

Autor: Daniel Gerber

Weiterführender Link: www.detonation.ch

Die Namen

Praktisch alle aktuellen und ehemaligen MM-Bandmitglieder setzen ihre Künstlernamen zusammen aus einem weiblichen Vornamen (einer amerikanischen Diva) sowie dem Nachnamen eines bekannten männlichen Serienmörders:

Daisy Berkowitz (Ex-Mitglied): David Berkowitz soll in den Jahren 1976 und 77 sechs Personen getötet haben. Sieben weitere Übergriffe endeten mit schweren Verletzungen. Er sandte Briefe an die «Daily News» und behauptete, sein Stiefvater «Sam» zwinge ihn zu diesen Taten. Sam war ein Hundebesitzer. Das Hundegebell liess Berkowitz nicht schlafen. Er behauptete, der Hund habe ihm die Mordbefehle gegeben. Er wurde zu 365 Jahren Gefängnis verurteilt.

Olivia Netwton Bundy (Ex-Mitglied): Ted Bundy hinter seiner hübschen und charmanten Fassade lauerten Abgründe und Perversionen. Er spielte den hilflosen Verwundeten und gelangte so in die Wohnung junger, hübscher Frauen. Er soll sich an 22 Frauen vergangen und sie anschliessend ermordet haben.

Ginger Fish: Hamilton "Albert" Fish war sechsfacher Vater als ihn seine Frau verliess. Er wurde zum Kindermörder. Er soll 15 Menschen getötet haben.

Madonna Wayne Gacy: John Wayne Gacy genannt "Pogo, der Clown", weil er oft in einem Clownskostüm Kinder in einem Krankenhaus unterhielt. Gacy soll sich an 33 jungen Männern und Knaben vergangen und sie nachher getötet haben.

Gidget Gein (Ex-Mitglied): Edward Gein brachte mehrere Frauen um. Der Sohn eines alkoholsüchtigen Farmers und einer dominanten Mutter fand nie ins Leben.

Sarah Lee Lucas (Ex-Mitglied): Henry Lee Lucas hatte ebenfalls eine schwierige Kindheit. Lucas soll weit über hundert Menschen auf dem Gewissen haben.

Marilyn Manson: Charles Manson war einer der berüchtigsten Mörder der USA.

Twiggy Ramirez: Richard Ramirez soll 16 Menschen das Leben genommen haben.

Angaben zu den Namen ohne Gewähr.

Quelle: www.marilyn-manson.net/de/menschen.htm

Datum: 24.10.2003
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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