Massive Attacke auf den Kinosommer – Krieg als Thema wird für Hollywood immer wichtiger

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Die Film-Saison fängt mit einem 150 Millionen Dollar kostenden Getümmel an. In Ridley Scotts Kreuzfahrer-Epos «Königreich der Himmel» werden Tausende von Soldaten über heissen Sand stapfen und brennende Pfeile auf die rekonstruierten Bastionen von Jerusalem niedergehen lassen.

Seit der Jahrtausendwende ist kein Kinosommer ohne Schwerterklirren oder Geschützdonner ins Land gegangen. Es scheint, als hätte Hollywood es sich zur Aufgabe gemacht, die grossen Schlachten der Menschheitsgeschichte noch einmal zu schlagen: von Gaugamela («Alexander») bis zum D-Day in Spielbergs «Der Soldat James Ryan».

Alle Sparten betroffen

Dabei spielt es keine Rolle, ob einer Produktion das offizielle Etikett «Kriegsfilm» anhaftet. Denn tatsächlich zieht sich der Krieg als roter Faden durch unterschiedliche Genres, macht sich das Militärische auf der Leinwand breit wie kaum je in der Filmgeschichte. Serien wie «Der Herr der Ringe», «Matrix» und «Star Wars» - deren dritte Episode ebenfalls im Mai startet - überbieten einander mit computergenerierten Vernichtungsszenarien.

Die Aliens der Science Fiction stehen auch in Spielbergs neuer Adaption des Genreklassikers «Krieg der Welten» (Start im Juni) wieder als stumpfsinnige galaktische Imperialisten da. Selbst der Horrorfilm zeigt eine Tendenz zur Ausweitung seiner Konflikte: Ein Monster tut es nicht mehr - Heerscharen müssen es sein.

Neue Technik

Natürlich hatte der Krieg im Kino immer schon einen Unterhaltungs- und Verkauftwert. Inzwischen aber ist Hollywood im Stande, Bilder zu entwerfen, wie sie früher nicht vorstellbar waren.

Ähnlich wie um die Wende zu den Achtzigern, als George Lucas mit der für die Raumschlachten in «Star Wars» erfundenen computerkontrollierten Kamera einen neuen Industriestandard setzte, hat heute die im «Herrn der Ringe» verwendete «Massive Software» das Business erobert. Ein «denkendes» Programm ermöglicht es, Massen - seien es nun Orks, Schwertkämpfer oder Roboter - mit einem nie da gewesenen Grad an Realismus über die Leinwand strömen zu lassen.

Kultur des Krieges

Den gesamten Trend auf neue technische Entwicklungen zurückzuführen, wäre allerdings eine Verkürzung. Selbst die fantastischsten Genrefilme Hollywoods öffnen Fenster zur Welt - und die ist von einer Phase relativen Friedens in eine Situation unabwägbarer neuer Krisen und Konflikte gestürzt. 1993 konnte der britische Militärhistoriker John Keegan noch sagen, der Krieg habe «möglicherweise seinen Nutzen und die ihm eigene Attraktion eingebüsst».

Keegans Optimismus stützte sich auf eine augenfällige Veränderung in der Materialität des Krieges. Die nukleare Bedrohung hatte nach vierzig Jahren weitgehend ihren Schrecken verloren. Seit Hiroshima und Nagasaki hat «die Bombe» niemanden getötet. «Die fünfzig Millionen Menschen, die seither in Kriegen ihr Leben verloren haben,» schrieb der Wissenschaftler in «Die Kultur des Krieges», «fielen grösstenteils billigen, massenhaft produzierten Waffen und kleinkalibriger Munition zum Opfer.»

Vor dem Hintergrund der neuen, zermürbenden, unter physischem Einsatz geführten Bodenkriege wirken selbst Hollywoods Historienschinken mit ihrem unmittelbar auf den Bauch zielenden, visuellen Überdruck gar nicht mehr so unzeitgemäss. Zumal einige der historischen Epics auf «heissem» Gelände angesiedelt sind.

Für die These, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen Globalisierung, konventionellen Kriegen und der Dominanz kriegerischer Motive im Kino gibt, spricht auch die Tatsache, dass Hollywoods Drang zu den Waffen in naher Zukunft kaum nachlassen wird.

Neben einer Reihe weiterer episch-historischer Projekte hat die Industrie wieder den klassischen Kriegsfilm auf den Plan gesetzt. Sam Mendes («American Beauty») verfilmt mit «Jarhead» die Memoiren eines Golfkriegsveteranen, eine «Schlacht um Falludscha» ist ebenfalls in Vorbereitung. Und Clint Eastwood, so meldete kürzlich der «Hollywood Reporter», adaptiert ein Buch über Iwo Jima, eine der grössten Schlachten des Pazifikkriegs.

Es geht auch anders

Der spektakuläre finanzielle Erfolg von Mel Gibsons Kinofilm "Die Passion Christi" hat es bewiesen: Für Ted Baehr und seine Mitarbeiter der "Christian Film & Television Commission", einer religiösen Lobbygruppe in Hollywood würden auch andere Themen die Kassen füllen. "Seit Jahren beobachten wir den Erfolg von christlichen Kinofilmen", so Baehr. "Jedes Jahr zeigen die Statistiken, dass Filme mit starken christlichen Überzeugungen einfach am meisten Geld einspielen und weitaus besser an der Kasse abschneiden, als etwa Kinofilme mit einer nichtchristlichen Weltanschauung".

Quelle: epd/livenet

Datum: 27.04.2005

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