«Credo», lautet einer der vielen Titeln zum Thema Glauben und Religion in diesem Bücher-Herbst. In dem bei DVA (Deutsche Verlags-Anstalt) erschienenen Traktat mit dem Untertitel «Warum die Rückkehr zur Religion gut ist» stellt Wolfram Weimer, Chefredakteur des Politmagazins «Cicero», die These auf, dass sich der Säkularisierungsprozess umkehrt: Die Gesellschaft wandert vom postmodernen ins neo-religiöse Zeitalter. Die Neo-Religiosität habe in der Weltpolitik längst Fuss gefasst, erklärt Weimer. In den USA erstarkten die religiösen Rechten, die Vitalität des Islam nehme ungebrochen zu und Osteuropa lade sich religiös auf. Europa wirkt nach Weimers Darstellung nur noch wie eine agnostische (ungläubige) Insel in einem Meer neo-religiöser Bewegungen. Dass Religion - nicht zuletzt wegen der Auseinandersetzung mit dem militanten Islam - wieder ein Gegenstand öffentlicher Debatten ist, bestreitet auch Ulrich Körtner nicht. Die Rede von der «Wiederkehr der Religion» hält der Wiener Professor für evangelische Theologie aber für irreführend und versieht sie in seinem im Gütersloher Verlagshaus (GTV) erschienenen Buch mit gleichnamigem Titel mit Fragezeichen. Aus einem gestiegenen Interesse an religiösen Themen, besonders in den Medien, lasse sich keineswegs ohne weiteres auf eine Zunahme der Religiosität schliessen, weder in der Gesellschaft noch auf individueller Ebene, so Körtner. Das angebliche Wiedererstarken der Religion ist demnach differenziert zu betrachten. Doch die Verlage reagieren auf eine neue Suchbewegung in Richtung Glauben. Die Rückbesinnung auf (christliche) Wurzeln, Werte und Rituale scheint wieder «in». Vielleicht der Grund, aus dem ein Buch mit dem verhaltenen Titel «Warum wir wieder glauben wollen» (Fischer Verlag, 2006) Stapelware ist - zumindest in der entsprechenden Fachabteilung eines grossen Bücherkaufhauses in Frankfurt. Darin konstatiert der Fernsehjournalist Stefan Kulle, der nach einer Querschnittslähmung wieder laufen gelernt hat, eine natürliche Sehnsucht des Menschen nach Gott und beschreibt, auch anhand eigener Erfahrung, wie man Glauben lernen kann. Gefragt sind offensichtlich Vorbilder und Bekenntnisse in Glaubensfragen - allen voran der Papst. Zunehmend erscheinen aber nicht nur Bücher über ihn, sondern auch von ihm. So etwa beim Verlag Katholisches Bibelwerk: «Die Botschaft der Psalmen - Mit dem Papst beten.» Immer wieder geben sich aber auch Fernseh-Prominente als gläubig zu erkennen oder zeigen sich an christlichen Inhalten interessiert: Im Frühjahr erschien Hape Kerkelings «Ich bin dann mal weg - Meine Reise auf dem Jacobsweg» (Malik), jetzt erzählt Nina Ruge biblische Geschichten für Kinder (GTV). Literaturhinweise Ulrich H.J. Körtner: Wiederkehr der Religion? Das Christentum zwischen neuer Spiritualität und Gottvergessenheit, Gütersloher Verlagshaus, 176 Seiten, 16,95 Euro. Stephan Kulle: Riss im Glück. Diagnose: Querschnittslähmung - Wie ich wieder auf die Beine kam, Kiepenheuer & Witsch, 240 Seiten, 18,90 Euro. Nina Ruge: Nina Ruge erzählt die schönsten biblischen Geschichten, Gütersloher Verlagshaus, 236 Seiten, 17,95 Euro.Differenzierter betrachten
Sehnsucht nach Gott
Prominente outen sich
Wolfram Weimer: Credo. Warum die Rückkehr der Religion gut ist, DVA Sachbuch, 80 Seiten, 9,90 Euro.
Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg - Meine Reise auf dem Jakobsweg, Malik Verlag, 352 Seiten, 19,90 Euro.
Autorin: Stephanie von Selchow
Datum: 09.10.2006
Quelle: Epd