Schon immer hatte die Anette Götz (56) ein Auge für
Menschen mit Wunden. Zusammen mit ihrem Mann Roger teilt sie ihr grosses Haus
in Dübendorf mit sieben jungen Leuten. Einige wurden vom Leben weniger
verwöhnt. Ihnen von ihrer «Sonne» weiterzugeben, der Liebe, die Anette bei
Jesus findet – dafür schlägt ihr Herz.
Anette Götz
Wen wundert’s? Anette Götz wird im Sommer in Essen D
geboren. Zusammen mit ihrer älteren Schwester erlebt sie eine liebevolle,
sorglose Kindheit. Ganz unbeschwert ist sie jedoch nicht: «Ich hatte als
Teenager oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein», sagt Anette. Obwohl ihre
Eltern nicht an Gott glauben, spürt sie schon früh eine Verbindung zu ihm,
spricht vor dem Einschlafen bekannte Kindergebete. «Gott war für mich wie ein
Vater, er bot mir Schutz. Trotzdem war ich manchmal tagelang traurig, weil ich
Angst hatte, (ihm) nicht zu genügen. Heute weiss ich, dieser hohe Anspruch kam
allein von mir. Ich hatte keinen Grund, so zu denken.»
Geliebt – brutto!
Mit 17 wird Anette in eine christliche Jugendgruppe
eingeladen. Dort liest sie erstmals vertieft in der Bibel und tauscht sich mit
anderen darüber aus. Anette erinnert sich: «Es war so befreiend. Ich verstand
auf einmal, dass ich Gott genüge, samt meiner Fehler und Schwächen. Jesus hat
sie durch seinen Tod am Kreuz 'ausgebügelt'. Er verurteilt mich nicht, er liebt
mich und nimmt mich an, so wie ich bin. Diesem Jesus wollte ich nachfolgen.»
Düsseldorf – Dübendorf
Ihre Überzeugung teilt Anette mit Roger, den sie einige
Jahre später kennen- und lieben lernt. 1987 heiratet die gelernte
Physiotherapeutin den Schweizer Ton- und Bildingenieur und zieht drei Jahre
später mit Roger von Düsseldorf nach Dübendorf. Sohn Pascal ist damals fünf
Monate alt, 1992 folgt Benjamin. 15 Jahre arbeitet Roger beim Schweizer Fernsehen,
bis er 2001 umsattelt und eine theologische Ausbildung absolviert. So glücklich
Anette in ihrer Ehe auch ist – sie weiss, dass Ehen scheitern können: «Immer
öfter begegnete ich Frauen in Trennung oder Scheidung, die durch ihre Krise zu
Gott fanden. Sie benötigten Ermutigung und Begleitung in ganz praktischen
Dingen», sagt Anette. Die Vision von gemeinschaftlichem Wohnen, von einer
Lebensgemeinschaft wird geboren. Ein grosses Haus musste her – und wird auch
gefunden, umgebaut und 2006 bezogen.
Ehen stärken, Leben teilen
Quasi zeitgleich steigen Roger und Anette bei «FAMILYLIFE»
ein, einem Zweig der Schweizer Missions- und Schulungsbewegung «Campus für
Christus». Sie konzipieren und führen Kurse zur Ehevorbereitung durch,
begleiten ratsuchende Ehepaare und starten den Kurs «lieben-scheitern-leben»
für Betroffene einer Trennung oder Scheidung.
Längst wohnen nicht mehr nur alleinerziehende Frauen in dem
grossen, bunten Chalet. «Wir bieten jungen Menschen mit den unterschiedlichsten
Hintergründen und Herausforderungen ein Zuhause und achten auf eine gesunde
Durchmischung. Alle, die hier einziehen, möchten Jesus nachfolgen und wünschen
sich, dass wir sie darin unterstützen», erklärt die Hausmutter. In allem
schöpft sie Kraft bei Jesus, der in der Bibel, im 23. Psalm, als fürsorglicher
Hirte vorgestellt wird: «Seine Liebe zu uns Menschen ist grenzenlos. Aus dieser
Liebe heraus kann ich mich und andere lieben», sagt Anette.
Ehrlich – auch mit sich selbst
Es kommt vor, dass die jungen Bewohner Hilfe und Halt
bei anderen Quellen suchen, etwa beim Alkohol und Drogen. Es komme ab und zu
vor, dass ein ehrliches Gespräch nötig sei, sagt Anette: «Wir sprechen die
Sache offen an, ohne die Person zu verurteilen, fragen, ob und wie wir helfen
können. Ich weise immer darauf hin, dass es in jungen Jahren viel einfacher
ist, eine schlechte Gewohnheit loszuwerden.»
Auch Anette hat Laster, schafft es manchmal nicht, Mass zu
halten mit Süssem oder klebt an Frusttagen stundenlang vor dem TV. «Es ist
wichtig, barmherzig zu sein – mit sich selbst und mit anderen», sagt sie. Das
gibt ihnen Raum, sich zu öffnen. Ich wünsche mir, dass sie immer näher an das
Herz ihres «guten Hirten» finden und durch seine Liebe Veränderung erleben.»