Heisse Eisen in Jugendarbeit

Authentische Beziehungen sind wichtig

Verbindlichkeit, Social Media, Sex, Bibellesen, das sind die immer aktuellen Themen unter Jugendlichen. Die Jugendleiter Jessie und Silvan Gabrieli aus Flüelen berichten über ihre persönlichen Erfahrungen.
Jessie und Silvan Gabrieli

Jessie (36) und Silvan (30) Gabrieli sind Eltern von zwei Kindern und Leiter einer Jugend-Kleingruppe. Als Ehepaar leiten sie seit diesem Jahr den JU-HU für junge Erwachsene im Alter von 18 bis ca. 25 Jahre in der «Chilä im griänä Hüüs», FEG Altdorf (Uri). Jessie hat schon sehr lange ein Herz für Jugendliche, insbesondere die «Freaks» und freut sich, sich gemeinsam mit ihrem Ehemann in diese Menschen zu investieren.

Im Interview erzählen die beiden von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Faszinationen in der Arbeit mit Jugendlichen.

Livenet: Heute beklagen sich viele Gemeinden über die mangelnde Verbindlichkeit der Jugendlichen. Wie geht ihr damit um?
Jessie: War es früher besser? Es gab immer einen, der zu spät kam oder gar nicht erschien. Was sich sicher geändert hat, ist die immense Auswahl von Angeboten. Via Sozialer Medien wird man daran erinnert, was wer wo macht... Die Einstellung, sich ja nicht gleich definitiv entscheiden zu müssen, zieht sich dann auch im Leben durch. Wie gehen wir damit um? wir haben einerseits den JU-HU am Dienstag, da laufen nicht viele Partys. Wir treffen uns bei uns zu Hause. Einmal im Monat gibt es ein Znacht und wir erinnern unsere Jungs und Mädels jeden Dienstag am Morgen via unserem JU-HU Chat.

Silvan: Für uns ist es zentral wichtig, dass die Beziehungen zu den Jugendlichen echt sind. Wir wollen sie auch annehmen wie sie sind, mit all ihren Lasten und Problemen. Wir sprechen Dinge aber auch offen an, selbst wenn es auf beiden Seiten schmerzt. Interessanterweise nimmt die Verbindlichkeit und auch Pünktlichkeit so zu, ohne dass wir es einfordern.

Wie sprecht Ihr über Suchtverhalten?
Silvan:
Ach ja, das ist eine geniale Fragen, viele kuschen davor. Wir haben das Privileg, dass ich bei Novizonte Sozialwerke arbeite, darum können wir mit diesem Thema einfacher umgehen. Anderseits wissen die Jungen, dass Jessie eine Vorgeschichte mit verschiedenen Süchten hat. Dadurch werden wir bei dem Thema ernst genommen und auch oft mit Fragen gelöchert. Unser Credo dabei ist: ECHT SEIN, nichts beschönigen, auch nicht verteufeln.

Wie stehen eure Jugendlichen für ihren Glauben ein?
Jessie:
Wir haben alles: Einerseits der volle «Missionar-Typ», dann der «stille Beter» und auch die «ist-mir-doch-egal-Haltung». Wenn es aber darum geht, etwas zu pushen, beten alle!

Wie haltet ihr es mit Sex vor der Ehe?
Silvan: Im Markus-Evangelium Kapitel 10, Vers 8 lesen wir, dass Mann und Frau eins sind mit Leib und Seele. Sie sind also nicht länger zwei voneinander getrennte Menschen. Bevor wir Jesus-Nachfolger wurden, dachten wir: «Das ist Bullshit...» Aber wenn ich ein Vorbild sein will, das den Glauben vorlebt, kann ich nicht irgendwelche Passagen aus der Bibel streichen. Für uns ist klar, dass Jesus recht hat!

Jessie: Ich trage da Narben, die wir unseren Jugendlichen ersparen wollen.

Thematisiert ihr auch Themen wie Selbstbefriedigung, Pornografie, usw.?
Silvan:
Es wird teilweise darüber diskutiert. In unseren Mini-Gruppen (zwei bis drei Personen des gleichen Geschlechts) sind wir «offener». Wir beide sind auf jeden Fall der Meinung, dass da noch Handlungsbedarf besteht, vor allem im Bereich «Porno». Das ist ein extrem aufkommendes Thema und vor allem immer noch nicht als Suchtgefahr erkannt wird – es wird einfach so toleriert. Und es kann den Mann oder die Frau zerstören, wie auch den Partner.

Welche Erfahrungen macht ihr mit fremder Spiritualität und Okkultismus?
Jessie:
Wir leben hier in einem Katholischen Kanton. Da ist es üblich, dass man mit den Verstorbenen Kontakt hat. Das wird oft unter dem Deckmantel «Schutzengel» (Engelverherrlichung) versteckt. Dadurch kommen wir oft in den Kontakt des Okkulten, wie auch verschiedener Praktiken der Magie.
Wir durften schon Befreiungsgebete anbieten, die auch genutzt wurden. Aber es war und ist immer wieder eine Herausforderung, denn die unsichtbare Welt ist im Kampf. Bei einem Befreiungsgebet ziehen wir immer mindestens eine dritte Person aus unserer «Chilä im Griänä Hüüs» mit ein.

Wie erlebt ihr den Umgang eurer Jugendlichen mit der Bibel?
Jessie:
Erstaunlicherweise wollen sie mehr erfahren und das vor allem direkt aus der Bibel, ohne BIBABO (Bibel-Bastel-Bogen)!
Momentan lesen wir miteinander von Anfang an und sind im 1.Mose. Es ist sehr spannend. Obwohl die meisten Geschichten aus dem Kindergottesdienst, der Jungschi, Adonia, usw. bekannt sind, lernen wir alle daraus. Wir hatten erst Angst, dass sich die Jungen mit dem Alten Testament langweilen und dann nicht mehr kommen. Aber das Gegenteil geschah: Wir diskutieren über das scheinbar Banale, wie beispielsweise, warum da genau eine Tamariske gepflanzt wurde? Und plötzlich öffnen sich unsere Augen und wir staunen, dass Gott uns genau da was sagen will.

Silvan: Wir können nur staunen über den Hunger unserer Jungs und Mädels für Gottes Wort und danken Gott, dass dieser Hunger auch uns immer wieder ansteckt.

Zum Thema:
«Jugend-frei»: Identität stärken – Pornosucht überwinden
Sichtweise eines 21-Jährigen: Warum so viele Jugendliche die Gemeinden verlassen
Digitaler Glaube: Jugendliche sprechen im Internet eher über ihren Glauben

Datum: 23.10.2018
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service