Waldenserkirche

Staat streicht, Bürger stützen

Die Krise in Italien trifft auch die evangelischen Waldenser. Doch erhält die Freikirche 2012 mehr Gelder aus der Mandatssteuer. Fast ein Drittel der Summe geht in Hilfs- und Entwicklungsprojekte in Osteuropa und Übersee.
Präsenz der Migranten: Bridget Mah Fomundam steht der Waldenser-Gemeinde von Pisa vor.

Die italienischen Steuerzahler können acht Promille (otto per mille, OPM) ihrer Steuer einer anerkannten Kirche zuweisen, für sozialdiakonische Arbeit. 2012 erhält die Union der Waldenser- und Methodistengemeinden 14,1 Millionen Euro, zwei Millionen mehr als im Vorjahr. Damals berücksichtigten 412‘000 Bürger die Chiesa Evangelica Valdese – deutlich mehr als die 20‘000 steuerpflichtigen Kirchenmitglieder. Diese finanzieren das gottesdienstliche Leben weiterhin durch ihre privaten Beiträge.

Dass die Kirche die beiden Bereiche sauber trennt dies klar kommuniziert, wird als ein Grund für den Erfolg in der Öffentlichkeit angesehen. Die OPM-Zunahme bringt laut Maria Bonafede, der Leiterin der Waldenser, «Anerkennung für unsere Präsenz in der italienischen Gesellschaft» zum Ausdruck. Die Kirche will die OPM-Gelder namentlich einsetzen, um jungen Italienern den Weg in die Erwerbstätigkeit zu ebnen.

Rückenwind für die Barmherzigkeit

Ab 2013 wird die Waldenserkirche auch einen Anteil der nicht zugewiesenen Mandatssteuern erhalten; dies könnte einen Anstieg auf über 20 Millionen Euro bewirken. Davon soll die Hälfte der Mittel ins Ausland fliessen. Für ihre eigenen Sozialwerke kann die Kirche das Geld dringend brauchen. Laut dem Jahresbericht des Deutschschweizer Waldenserkomitees «werden staatlich vereinbarte Vergütungen an Heime, Schulen, therapeutische Einrichtungen gekürzt oder gestrichen». Einige befinden sich im Süden des Landes, in Neapel und auf Sizilien. Ohne OPM müssten Angebote für Bedürftige aufgegeben werden.

Junge Afrikaner mischen alte Gemeinden auf

Migranten haben das Gesicht der ältesten evangelischen Kirche Italiens stark verändert: Sie besteht zur Hälfte aus jungen Afrikanern – mit grossen regionalen Unterschieden. Laut dem Jahresbericht «braucht die Integration noch sehr viel Zeit» und kostet Kraft. Die Gemeinden von Brescia und Bologna haben die Migranten integriert; anderswo haben sich autonome Afrikaner-Gemeinden gebildet, die mit den Alteingesessenen (viele Senioren) monatlich einen Gottesdienst feiern.

In der Regionalsynode 2011 in Torre Pelice (Piemont) kamen die Spannungen zur Sprache. Das vor Jahren beschlossene Vorhaben, «gemeinsam Kirche zu sein», wurde von einer Teilnehmerin als gescheitert bezeichnet; die Gottesdienste müssten wieder gesondert durchgeführt werden. Eine aus Afrika stammende Synodale widersprach mit Verweis auf die Apartheid. – Die Waldenserkirche will verstärkt evangelistisch aktiv werden; die Synode der Kirche wird Vorschläge einer Kommission diskutieren.

Zum Thema:
Bridget Mah Fomundam im Interview am Rande der Waldenser-Synode 2011

Webseite:
Union der Waldenser- und Methodistengemeinden

Datum: 04.07.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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