EKD: Islam ein „Sonderfall einer nichtchristlichen Religion“

Islam
Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber

In einem Papier legt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dar, in welchen Bahnen Kontakte mit Muslimen möglich sind – und was sie von ihnen erwartet. Christlich-muslimische Amtshandlungen werden ausgeschlossen.

Im Dialog mit dem Islam hat sich die EKD eindeutiger positioniert. In einer neuen "Handreichung" für alle Kirchenmitglieder, die eine Schrift aus dem Jahr 2000 ergänzt, fordert sie die muslimischen Gesprächspartner auf, sich klar von allen Haltungen abzuwenden, die einem konstruktiven Zusammenleben unter einer gemeinsamen Wertordnung entgegenstehen.

Gemäss dem EKD-Ratsvorsitzendern, Bischof Wolfgang Huber, können auch Glaubensüberzeugungen es nicht rechtfertigen, "dass man anderen den Respekt versagt, grundlegende Menschenrechte in Frage stellt und die Achtung der eigenen Überzeugung durch Einschüchterung, Drohung oder Gewaltanwendung einfordert".

Gegen falsche Toleranz

Im 120-seitigen Papier unter dem Titel "Klarheit und gute Nachbarschaft" wünscht die EKD, dass der Islam als eine Religion mit mehr als drei Millionen Anhängern in Deutschland zum friedfertigen Zusammenleben beiträgt. „Muslime, die in einer westlichen Gesellschaft leben, sollten kritische Anfragen an ihre Tradition und Kultur sowie bestimmte Interpretationen des muslimischen Glaubens zulassen, um ein konstruktives Zusammenleben unter einer gemeinsamen Wertordnung aktiv zu fördern.“ Irrtümer und Gewaltbereitschaft müssten selbstkritisch geprüft werden; wer sich uneinsichtig und unbelehrbar zeige, verdiene keine Toleranz, auch nicht christliche.

Die Handreichung, an der die evangelikale Bonner Islam-Wissenschaftlerin Christine Schirrmacher mitgearbeitet hat, warnt vor einem falschen Toleranzbegriff. "Wahrhafte Toleranz gedeiht nach evangelischer Überzeugung nur im Vertrauen auf die konkrete Wahrheit Gottes, nicht durch ihre Verleugnung", schreiben sie.

Islam macht mit der Bibel, was er will

Die EKD hält fest, dass sich die beiden Religionen in der Gottesvorstellung deutlich unterscheiden: „Die Feststellung des ‚Glaubens an den einen Gott’ trägt nicht sehr weit. Der Islam geht von einem eigenen Glauben und Gottesbild aus, auch wenn er auf die Bibel und ihre Lehren verweist. Deren Darstellungen ordnet er seiner neuen Lehre unter, die weder die Trinitätslehre noch das Christusbekenntnis und die christliche Heilslehre kennt. Die evangelische Kirche kann sich jedoch bei ihrem Glauben an Gott in Christus nicht nur mit einer ungefähren Übereinstimmung mit anderen Gottesvorstellungen begnügen. Glaube ist nach christlichem Verständnis personales Vertrauen auf den Gott der Wahrheit und Liebe, der uns in Christus begegnet.“

„Konfliktfreie Zone der Gottesverehrung“ gibt es nicht

Mit Verweis auf Luther heisst es, woran der Mensch sein Herz hänge, das sei sein Gott. An den im Koran beschriebenen, von Muslimen verehrten Gott könnten Christen ihr Herz schwerlich hängen. Daher kann es laut der EKD „eine konfliktfreie Zone der Gottesverehrung nicht geben, wenn der Anspruch beider Religionen, Gottes Offenbarung zu bezeugen, ernst genommen wird.“ Dabei räumt die EKD ein, dass den Gemeinsamkeiten der beiden Religionen (ein Schöpfer) abzulesen ist, „dass sich der Gott der Bibel auch Muslimen nicht verborgen hat“. Aber: „Diese Spuren begründen keinen gemeinsamen Glauben und erst recht keine gemeinsame Verkündigung oder Frömmigkeitspraxis.“

Mission gehört zum Christsein

Für die EKD gehört Mission zum Wesen einer christlichen Kirche. Auch im interreligiösen Dialog müssten Christen den dreieinigen Gott bezeugen, „der den Menschen durch Jesus Christus zu wahrer Menschlichkeit befreit. Es ist für die evangelische Kirche ausgeschlossen, dieses Zeugnis zu verschweigen oder es Angehörigen anderer Religionen schuldig zu bleiben.“

Weiter bekräftigt die EKD das kategorische Nein zu Überlegungen, nicht mehr genutzte Kirchen Muslimen zu überlassen. Den Dialog-gewillten eigenen Geistlichen macht die Kirchenleitung klar: "Gemeinsame christlich-muslimische Amtshandlungen sind nicht möglich."

Die EKD-Handreichung als PDF

Kommentar

Die EKD positioniert sich in einer theologischen Eindeutigkeit, die viele Christen bei den Schweizer Landeskirchen schmerzlich vermissen. Man erinnert sich an die interreligiöse Feier im Berner Münster am 5. März 2003, am Vorabend des Irak-Kriegs. In ihr formulierten die Spitze des Evangelischen Kirchenbunds SEK und Vertreter der Bischofskonferenz zusammen mit führenden Muslimen und Juden: „Wir bezeugen den gemeinsamen Glauben an den einen barmherzigen Gott der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens“.

Anfang dieses Jahres hat der SEK-Rat sieben Ziele für die Beschäftigung mit dem Islam in der Schweiz skizziert (Bulletin 1/2006). Zwar hält er fest, der dreieine Gott sei „mit seinem Befreiungsangebot in Jesus Christus das Fundament christlichen Glaubens und Handelns“. Christen sollten dies bezeugen. Dann aber – ohne dass weiter von Jesus Christus die Rede ist – heisst es ganz undifferenziert: „Gott wirkt in Christen wie auch in Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen.“ Gegenüber den 120 Seiten der neuen EKD-Handreichung wirken solche Sätze der Herausforderung durch den Islam nicht angemessen.

Weiter lässt der Kirchenbund erkennen, dass die Bedrängnis verfolgter Christen in islamischen Ländern und die Probleme von Muslimen in der Schweiz für ihn auf derselben Stufe stehen. Während die EKD Pflöcke einschlägt, auch das Recht auf christliche Mission festhält, nimmt der SEK-Rat seine theologische und menschenrechtliche Verantwortung nicht wahr.

Wenn Schweizer auf der Suche nach einer tragenden christlichen Identität vom Kirchenbund Hilfe erwarten, werden sie enttäuscht. Damit leidet der Protestantismus hierzulande Schaden und die Verunsicherung in der Gesellschaft wächst.

Datum: 01.12.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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