Der Papst und das Spanien, das katholisch war

Benedikt XVI. hat an die Spanier appelliert, ihrem katholischen Erbe treu zu bleiben. Der öffentlichen Kritik an Ministerpräsident Zapatero, der den Homosexuellen Eherechte gewährt hat, enthielt sich der Papst und betonte den einzigartigen Wert der Familie. Dass sich Spanien tiefgreifend verändert und die beherrschende Stellung der katholischen Kirche dahin ist, wurde auch so deutlich.
Benedikt XVI am Familientreffen im spanischen Valencia
Kirche in Valencia
Auf dem Gelände des Familientreffens
Palme
In der burgartigen Altstadt von Peniscola bei Valencia
„Zuweilen Engelchen, zuweilen Teufelchen – aber immer ich“: spanisches T-Shirt.
Die Touristenströme haben den sozialen Wandel in Spanien beschleunigt.

Das Land habe tiefe katholische Wurzeln und habe viel zur Ausbreitung des Glaubens in der Welt beigetragen, betonte der Papst vor den spanischen Bischöfen in Valencia. "Wer von Gott absieht, wer so tut, als wenn er nicht existierte oder wer den Glauben auf das rein Private zurückdrängt, bedroht die Wahrheit vom Menschen und belastet die Zukunft der Kultur und der Gesellschaft."


Rasante Säkularisierung

Im Gegenteil sei Gott ein "Garant von Freiheit und Wahrheit". Sich an ihm zu orientieren sei eine Voraussetzung für die Zukunft einer neuen Menschheit. Die christliche Tradition habe das Leben Spaniens in der Geschichte begleitet und müsse auch angesichts der fortschreitenden Säkularisierung lebendig und wirkungsvoll erhalten bleiben, betonte der Papst. Die Welt sei heute in besonderer Weise darauf angewiesen, dass das Zeugnis Gottes in der Welt verkündet werde.

Lustbetont statt gehorsam und fromm

Dass der katholische Glaube in Spanien jahrhundertelang mit einer Militanz sondergleichen durchgesetzt und andere Bekenntnisse unterdrückt wurden, hat im Zeitalter nach Franco, in dem Spanien der EU beitrat, zu einer massiven Reaktion in Politik und Gesellschaft geführt. Linke Regierungen haben den Staat von der Kirche losgelöst. Spanien hat die Zivilehe für Homosexuelle (samt Adoptionsrecht) und vor einem Jahr auch "Express-Scheidungen" zugelassen. Im EU-Vergleich haben die Abtreibungen in Spanien in den letzten zehn Jahren am stärksten zugenommen: um 75 Prozent auf gegen 80’000. Niemand wartet mit dem Kinderkriegen länger zu als die Spanierinnen.

Messe ohne Zapatero

Die katholische Kirche, einst staatstragend, verliert an Einfluss, obwohl noch 94 Prozent der Einwohner ihr angehören. Die Zahl der Priester, die in den Diözesen arbeiten, ist in den vergangenen 35 Jahren um rund 30 Prozent auf 18'000 gesunken. Die spanischen Steuerzahler können – wenn sie wollen – 0,52 Prozent ihres Steuerbetrags der katholischen Kirche zukommen lassen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz hat die Regierung kürzlich aufgefordert, diesen Ansatz auf 0,8 Prozent zu erhöhen.

Die sozialistische Regierung und die Bischöfe liegen miteinander im Dauerclinch. Es verwunderte daher nicht, dass der Papst sich mit Ministerpräsident Zapatero nur kurz unterhielt (gegenüber 35 Minuten mit der Königsfamilie) und dieser der Messe und der Verabschiedung des Papstes fernblieb.


Ermutigung für Eltern

Dieser versuchte in Valencia in der gesellschaftlichen Diskussion des Landes für den Katholizismus zu punkten, ohne seine Kritiker und Gegner zu provozieren. Hatte er früher im Blick auf Scheidung, aussereheliche Verbindungen und Homosexuellen-Ehen vor einer "anarchischen Freiheit" gewarnt, so verzichtete er jetzt auf ähnlich deutliche Worte. Die Botschaft, die er zum Abschluss des katholischen Welttreffens der Familien mitbrachte, war weder neu noch kämpferisch: ein Bekenntnis zur Familie, die auf der Ehe zwischen Mann und Frau gründet, eine Ermutigung an die Eltern, ihren Glauben zu leben und weiterzugeben.

In Liebe und Treue Familie gestalten

In seiner Ansprache, die immer wieder von Beifall unterbrochen wurde, wandte sich Benedikt XVI. gegen eine Banalisierung von menschlichen Beziehungen und eine Liebe, die nur auf Luststreben ausgerichtet ist. Er legte dar, dass christliche Ethik und Ehemoral die gegenseitige Liebe von Mann und Frau keinesfalls unterdrückt, sondern sie wirklich frei, stark und reif macht.

Die Familie sei der Ort, wo der Mensch aufwachse und seine sozialen Fähigkeiten entwickle, hob der Papst in seiner Predigt hervor. Mit Nachdruck wandte er sich gegen ein autonomes Freiheitsverständnis. Es gebe starke Strömungen, die das soziale Leben nach subjektiven und wechselhaften Wünschen gestalten wollten, ohne dabei auf Menschenwürde und Verantwortung für andere Rücksicht zu nehmen.


Familie als „Schule der Menschlichkeit“

Benedikt XVI. rief die Gläubigen zu einem Leben als Hauskirche auf und forderte die angemessene Würdigung der Grosseltern. Weiter hob er die Gemeinschaft der Generationen hervor. "Die Familie ist eine Schule der Menschlichkeit", unterstrich das Kirchenoberhaupt. Zuvor hatten zahlreiche Familien aus unterschiedlichen Weltregionen in persönlichen Zeugnissen die Bedeutung des Glaubens für ihr Leben geschildert. Vertreter orientalischer und evangelischer Kirchen unterstrichen die gemeinsamen Anliegen in der Glaubensweitergabe von Generation zu Generation.


Am Rande der Papstmesse (angeblich von insgesamt 2,2 Millionen Menschen, teils über Videoübetragung verfolgt) kam es am Sonntagmorgen zu vereinzelten Protesten gegen die Politik der sozialistischen Madrider Zentralregierung. Teilnehmer des Weltfamilientreffens warfen dem Kabinett Zapatero vor, familienfeindlich zu agieren und die "Kirche zu verfolgen".


Datum: 11.07.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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