Nach den Londoner Anschlägen: Helfen, beten, aufdecken – und kämpfen

Tony Blair

Der britische Premier Tony Blair unterstrich am Freitag die Entschlossenheit der Briten, ihre Werte und Freiheit zu verteidigen. Sie sei grösser als der Wille der Terroristen, dem Westen mit „Tod und Zerstörung Extremismus aufzuzwingen“, sagte Blair sichtlich betroffen.

Der Union Jack über Buckingham Palace wurde auf Halbmast gesetzt – der 7.7.2005 geht als einer der schwärzesten Tage in die Geschichte Londons ein. Ein Kommentator vermerkte, dass die acht in Schottland zum Gipfel versammelten Staatsführer – die mächtigsten Männer der Welt – für eine Stunde machtlos waren. Präsident Bush setzte in seinem Statement der Hass-Ideologie der Islamisten eine „Ideologie der Hoffnung“ für die Menschen, Hoffnung auf eine Zukunft in Freiheit, entgegen.

Zerbrochene Herzen verbinden

Nach den Terror-Anschlägen in London haben Geistliche an den Explosionsorten traumatisierte Fahrgäste und Passanten betreut. Rowan Williams, Erzbischof von Canterbury und Oberhaupt der anglikanischen Kirche, sprach von einem Schock durch den Terror. Er lobte das selbstlose Engagement der Hilfskräfte.

Joel Edwards von der britischen Evangelischen Allianz sagte: „Wir beten eindringlich für alle, die Angehörige verloren oder Verletzungen erlitten haben, und rufen Gott an, die zerbrochenen Herzen zu verbinden.“ Er bat die Bevölkerung, nicht in Panik zu geraten und Gefühle der Rache aufkommen zu lassen. Im Land wurden zahlreiche Gebetsveranstaltungen anberaumt.

Test für die Zivilisation

Die Gulf News im Golfstaat Dubai stellen neben die Londoner Opfer die viel grössere Zahl von Menschen, die im Nachbarstaat Irak in Stücke gerissen oder schwer verletzt worden sind. Hier wie dort gehe es um das Recht einfacher, anständiger Menschen, die Frieden, Sicherheit und ein zivilisiertes Leben wollen, schreibt der Leitartikler der Gulf News.

Die Fanatiker müssten marginalisiert und die tieferen Ursachen, welche „idealistische junge Menschen“ anzögen, behoben werden. Dem Terror müsse entschieden die Stirn geboten werden.

Europa als neue Front der Terroristen?

Der Sicherheitsexperte der Jerusalemer Zeitung “Haaretz“, Zvi Barel, verweist darauf, dass die westeuropäischen Staaten, von den Madrider Anschlägen abgesehen, bisher von Terroranschlägen verschont blieben. Doch „the new terror front is Europe”.

Wer in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen habe, dass die Terroristen sich auf das Schlachtfeld Irak konzentrierten, sei gestern eines Anderen belehrt worden. Barel vermutet angesichts des (umstrittenen) Bekennerschreibens, das Terrornetzwerk könnte seinen Krieg aus dem Irak in Staaten exportieren wollen, die es als Rivalen um die Herrschaft im Irak ansehe. Italien und Dänemark, die in der Koalition mittun, wurden gestern bedroht, nicht aber Frankreich und Deutschland.

Ringen im Irak unentschieden

Dies weist laut Barel darauf hin, dass die Islamisten ihr Hauptziel, Irak von der Welt abzuschneiden und anstelle Afghanistans zu ihrer Basis zu machen, nicht erreicht haben. Trotz der Ermordung des führenden ägyptischen Diplomaten, der am letzten Wochenende entführt wurde, halten die Verbindungen der neuen irakischen Regierung zu den arabischen Staaten.

International und sehr flexibel

Daraus leitet Barel die frostige Perspektive ab, dass die Islamisten mit zwei Terrorsystem operieren könnten: eines im Irak, ein zweites international, wo immer sich Ziele anbieten. „So könnten die radikalen Organisationen die taktischen Fähigkeiten ihrer flexiblen Struktur voll zur Geltung bringen.“

Internationale Terror-Organisationen seien schwerer zu zerstören, weil sie sich nicht auf die Infrastruktur lokaler Gemeinschaften stützten, schreibt Barel. Die britischen Geheimdienste wurden am Donnerstag überrascht.

Gebetsaufruf der britischen Evangelischen Allianz
http://www.eauk.org/contentmanager/content/prayer/prayer.cfm

Datum: 09.07.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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