Österreich: Beim Feiern die Jahre davor nicht vergessen

Reformierte Stadtkirche Wien
Stefansdom in Wien
Peter Krömer

Am Mittwoch haben die Evangelischen Kirchen in Österreich in Wien mit einer Feier der Errichtung der Zweiten Republik vor 60 Jahren gedacht. Eine Erklärung, die Bundespräsident Fischer übergeben wurde, ruft auf, das in der Nazizeit Geschehene, so dunkel es ist, nicht zu verdrängen.

Bei der Feier in der Reformierten Stadtkirche, an der Spitzen aus Kirche, Politik und Ökumene teilnahmen, stellte Synodenpräsident Dr. Peter Krömer die Erklärung der Evangelischen Kirchen zum Gedenkjahr 2005 vor und überreichte sie Bundespräsident Dr. Heinz Fischer.

Juden, auch Roma und andere Verfolgte

In der Erklärung sprechen die Evangelischen Kirchen Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses (Lutheraner und Reformierte) von ihrer Versagen in den 30er und 40er Jahren:

«Es belasten uns die schmerzlichen Erfahrungen von Schuld und Scheitern unserer Kirchen und einer grossen Zahl ihrer Mitglieder in der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere in Bezug auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sinti und Roma und andere verfolgte Gruppen, wo mutiger bekannt, treuer gebetet, fröhlicher geglaubt, brennender geliebt und entschiedener widerstanden hätte werden müssen.»

Kirche muss ethische Grundwerte vertreten

Die Erklärung spricht weiter darüber, dass die Erinnerung an dieses Versagen nicht verdrängt werden dürfe und die Kirchen weiterhin zu ständiger Selbstprüfung aufrufe.

An die Bürgerinnen und Bürger appellieren die Evangelischen Kirchen, ihre politische Verantwortung aktiv wahrzunehmen. Kirche könne und dürfe nicht an die Stelle des Staates treten. «Dort aber, wo in wichtigen Fragen Orientierung an ethischen Grundwerten erforderlich ist, haben die Kirchen das Recht und die Pflicht, Stellung zu nehmen.»

Einsatz für die Verfolgten

So sehe die Evangelische Kirche es heute als ihre Verpflichtung, für die Rechte derer einzutreten, die verfolgt werden. Wörtlich heisst es in der Erklärung:

«Denen, die aus Sehnsucht nach einem besseren Leben an unsere Türen klopfen, sind wir Achtung und Respekt vor der unverlierbaren Menschenwürde schuldig. Ihnen allen müssen faire Gelegenheiten gegeben werden, ihre Anliegen vorzubringen und für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.»

Neuanfang aus den Trümmern

Bundespräsident Heinz Fischer sagte in der Feierstunde, die Österreicher seien „in der Lage und guten Willens, mit unserer Geschichte vernünftig und verantwortungsvoll umzugehen“.

1945 habe man aus der Geschichte gelernt, den Geist der Zusammenarbeit und Versöhnung beschworen; trotz des katastrophalen Zustandes hätten Optimismus und Zuversicht geherrscht, unterstrich Fischer.

Es erfülle ihn mit „Freude, Dank und Verwunderung, mit welchem Eifer und welcher Vision die Menschen 1945 die Zweite Republik aus den Trümmern gehoben haben“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Mag. Herwig Sturm. Aus Österreich sei ein „begeistert demokratisches Land“ geworden, konstatierte der reformierte Landessuperintendent Mag. Wolfram Neumann.

Judenhass theologisch gestützt

Der römisch-katholische Weihbischof Dr. Helmut Krätzl sagte, die Kirchen hätten eine gemeinsame Schuld auf sich geladen, indem sie zu wenig gegen den Antijudaismus unternommen und ihn sogar noch theologisch untermauert hätten.

Gedenken bedeute, „sich erinnern, sich freuen und beten“, dass Österreich aus Asche und Ruinen auferstanden sei, erklärte Erzbischof Dr. Mesrob Krikorian von der Armenisch-apostolischen Kirche in seinem Grusswort.

Die Erklärung im Wortlaut
www.evang1.at/fileadmin/evang.at/doc_reden/ekoe_gedenkjahr2005.pdf

Quelle: Evangelische Kirche in Österreich

Datum: 30.04.2005

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