850'000 vertriebene Juden

Islamische Welt blendet das Thema aus

Die Vertreibung der Juden aus den arabisch-islamischen Ländern ist in westlichen Medien kaum je ein Thema. Ihre Zahl ist aber grösser als die der vertriebenen Palästinenser. Der Hintergrund.
Vertreibung der Juden, Flughafen Lod (Israel) (Bild: Wikipedia)

Alljährlich wird weltweit am 15. Mai der «Nakba» gedacht, des Beginns der Abwanderung von etwa 700'000 Arabern aus Palästina. Unter ihnen befand sich auch eine – kleine – Schar von Christen, die nicht im damals neu geschaffenen Staat Israel leben konnten oder wollten. Zum Teil wichen sie nur den israelisch-arabischen Kampfhandlungen aus, in der Hoffnung, bald wieder in ihre Dörfer und Stadtviertel heimkehren zu können. Auf Nimmerwiedersehen wurden jedoch – teils sofort, teils in einem längeren Vertreibungsprozess – über 850'000 Juden aus der arabisch-islamischen Welt gejagt.

Kein Thema – Schuldgefühle des Westens?

In Israel und der jüdischen Diaspora wird ihres erzwungenen Exodus von Marokko bis zum Golf jeweils am 30. November gedacht. Doch in den internationalen Medien findet dieser Gedenktag kaum Beachtung. Diskriminierung, Flucht und Vertreibung der Juden aus den islamisch dominierten Staaten sind kein Thema. Während die rund drei Millionen «Palästinenser», Nachkommen der Flüchtlinge aus Israels Unabhängigkeitskampf von 1948 und dann nochmals vom Sieben-Tage-Krieg 1967, einen propagandistischen Dauerbrenner darstellen.

Vielleicht spielen dabei verdrängte Schuldgefühle eines christlichen Westens mit, der den Juden in der Hand von arabischen Ultranationalisten, fanatischen Muslimen und nahöstlich-nordafrikanischen Gewaltherrschen kaum beigestanden ist. Er hat zum Teil sogar von ihrem Untergang mitprofitiert. Wer weiss schon, dass sich die Schweizer Botschaft in Kairo im Haus einer jüdischen Familie befindet, das unter Präsident Nasser enteignet wurde? Hingegen war es auch ein Schweizer, Bruno Heim aus Olten, der 1969 den letzten zurückgehaltenen Kairoer Juden regelrecht freikaufte!

Grossartige Integrationsleistung

Es wird bis heute behauptet, Israel habe den Grossteil von Palästinas eingesessener Bevölkerung vertrieben. Viel zu selten wird anerkannt, dass es mit der Eingliederung einer halben Million orientalischer Juden eine grossartige, beispiellose Integrationsleistung erbracht hat.

In diesem Zusammenhang ist meist nur von den überlebenden Opfern der Schoah die Rede. Dennoch machten in Israel bis zum Eintreffen osteuropäischer Juden ab der Wende von 1990 die Nachkommen der Vertriebenen aus den arabischen Staaten, der Türkei und Iran fast 70 Prozent der Bevölkerung aus.

Auch in der Schweiz

Aber nicht nur in Israel fanden die aus der arabisch-islamischen Welt vertriebenen Juden Aufnahme. Besonders erfreulich war die Bereitschaft der Schweiz, ihnen Zuflucht zu geben und eine neue Heimat zu bieten. Die einst aus Livorno nach Alexandria Ausgewanderten italienischer Sprache liessen sich wie die bekannte Familie Menasche im Tessin nieder. Nach der Romandie kamen – wie das Handelshaus Bondy – viele andere ägyptische Juden mit französischer Umgangssprache. In der Deutschschweiz sind heute libysche Juden besonders im Umfeld des Zürcher Wiedikon zu finden.

Das Beispiel Esther

Dort bestand schon lang vor dem Exodus der arabischen, türkischen und iranischen Juden eine Flüchtlingsgemeinde, die sich vor den Pogromen im Russland der letzten Zaren an die Limmat gerettet hatte. Zwar handelt es sich um strikt orthodoxe Ostjuden, doch haben die orientalischen Sefarden ihre schützende Nähe gesucht. So Frau Esther (Name geändert) in der Birmensdorfer Strasse. Sie wird Libyens «Judenhatz» zum Feuerschein der brennenden Synagoge im Juni 1967 in den Gassen der Altstadt von Tripoli nie vergessen. Daheim spricht sie mit ihren Enkeln nach wie vor Arabisch.

Zu ihren christlichen Nachbarn hat Frau Esther ein gutes Verhältnis. Das war schon in Libyen so, wo es einst unter den italienischen Migranten Waldenser aus dieser vorreformatorischen Freikirche in Piemont gab. Sie waren in die Kolonie geschickt worden, um nicht länger das katholische Italien zu stören. Auch jetzt hat Esther die Chiesa Valdese von Zürich in ihrer Nähe: «Ich gehe gern dorthin. Auch um Italienisch zu sprechen. Aber vor allem: Wir Juden und Christen sind zum Zusammenhalt berufen! Im Namen des Messias, seines Kommens und seiner Wiederkunft!»

Zum Thema:
Antisemitismus auch vom Islam: «Juden sollen nicht mehr überall in Deutschland Kipa tragen»
Früher hasste er Juden: Muslim findet Jesus durch eine Lüge
90'000 bis Ende 2021: Zahl jüdischer Einwanderer auf Rekordhoch

Datum: 04.12.2020
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service