«Wir setzen hier die Missionsarbeit des Paulus fort»
Stadt Konya (Türkei)
In Konya, mitten im türkischen Hochland, gedeiht eine christliche Gemeinde, die ihren Ursprung direkt auf den Apostel Paulus zurückführen kann. Feindliche muslimische Extremisten finden keinen Widerhall bei der Bevölkerung.
«Wir setzen hier
die Missionsarbeit des Paulus fort», sagt die Studentin Gözde von der
Konya Protestan Kilisesi. «Unter äthiopischen und georgischen Migranten.
Doch auch junge Türkinnen und Türken kommen vom Islam zu uns. Die
christenfeindliche Propaganda radikaler Gruppen weckt ihr Interesse. So finden
immer mehr von ihnen zu Jesus.»
Gemeindesaal und Migrantenunterkunft
Gözde, die an der
Universität Konya studiert, steht in einem Neubauviertel am unauffälligen
Eingang zu einem der schon sechs Gemeindezentren. Zwischen einem
«Kuaför» und dem Computergeschäft «Bilisim ve Güvenlik».
Das heisst auf Türkisch «Informatik und Sicherheit». Drinnen im «Gottesdienstraum»
rollen gerade afrikanische Frauen und solche aus dem Kaukasus ihre Matratzen
zusammen.
«Sie arbeiten in
Dörfern der Umgebung auf den Feldern, in Gärten und Ställen als
Tagelöhnerinnen. Da bekommen sie kein Dach über den Kopf», erklärt die junge
türkische Christin. «Wir geben ihnen hier eine Bleibe zum Übernachten und
hygienische Einrichtungen». Sie zeigt auf die Duschen und Toiletten.
2000-jährige Tradition
Nach Konya, damals
Ikonium, war Paulus auf seiner ersten Missionsreise gekommen (Apostelgeschichte Kapitel 14, Verse 1-7). Er
fand dort Gehör, stiess aber auch auf feindliche Ablehnung. Jedenfalls gab es
dort fortan durch fast zwei Jahrtausende ununterbrochen Christen mit
griechischer Sprache, später im Schoss der orthodoxen Kirche. Im 19.
Jahrhundert erfuhren sie durch Baptisten aus Mitteleuropa und amerikanische
Presbyterianer christliche Erneuerung.
Bei der grossen
Christenvertreibung aus der Türkei 1922/23 hoffte Konya zunächst, verschont zu
bleiben. Der griechische Bischof Prokopios verstand sich gut mit Atatürk. So
blieb wenigstens die Paulus-Kirche im Stadtzentrum als einzige in ganz
Kleinasien vor der Zerstörung bewahrt.
Wachsende evangelische
Gemeinde
Heute wirken dort zwei
katholische Schwestern aus Italien. «Zu Serena und Isabella haben wir ein
gutes Verhältnis», erzählt Gözde: «Sie müssen ohne Pfarrer auskommen,
nur an hohen Feiertagen kommt einer aus Istanbul.» Es gibt in Konya etwa
80 Katholiken – und bereits zehn Mal so viel Evangelische. Doch Gözde freut
sich festzustellen: «Eine von Frauen ohne Amtspriester geleitete Gemeinde
entwickelt sich in evangelikaler Richtung, mag sie auch der Rom-Kirche
angehören».
Wiedererweckte
Untergrundkirche
Abgesehen von der
Rettung der Paulus-Kirche blieben dann die Christen von Konya doch nicht von
der Vertreibung verschont. Einige wenige nahmen äusserlich den Islam an,
hielten aber in versteckten Hauskirchen am christlichen Glauben und Leben fest.
An diese «Untergrundchristen» wandten sich in den 1960er Jahren aus
Istanbul neue evangelische Glaubensboten. Die orthodoxe Kirche hat für sie zwar
wieder einen Bischof ernannt, der sich in Konya aber nie blicken lässt.
Unterstützung vom
Boulevard
Die erste evangelikale
Gemeinde von Konya erhielt bald Unterstützung aus den USA. Sie gewann Boden und
wurde von ihrer islamischen Umgebung erfreulich wenig angefeindet. Als jetzt
eine radikale Splittergrupe Plakate mit der Koran-Losung «Befreundet euch
nicht mit Christen» platzierte, löste das in der Bevölkerung und in den
Medien Empörung aus. Gözde zeigt das Boulevardblatt «Korkusuz»: Das
bedeutet «Furchtlos». Die Zeitung entspricht dem «Blick» in
der Schweiz. Und sie titelt auf Seite 1: «Ein Schandplakat!».
Die Stadtverwaltung
liess die Pamphlete sofort entfernen. Sie verhält sich überhaupt freundlich zu
den Christen von Konya. Dazu Gözde: «Von der Stadt bekommen nicht nur
Konyas sieben Moscheen gratis Strom, Wasser und Reinigungsservice. Auch die
Paulus-Kirche und unsere Gemeindezentren. Wir sind dankbar dafür ...»