Nationalräte in Israel entgehen knapp Raketen

Um nur zwanzig Minuten verfehlten vier Raketen vier Schweizer Nationalräte in Sderot. Während fünf Tage machte sich die Delegation der Parlamentariergruppe «Schweiz Israel» in Israel ein Bild der Lage. Der letzte Besuch galt der Stadt Sderot, nahe dem Gazastreifen. Zwanzig Minuten nachdem die Delegation weg war, wurde die Stadt mit Raketen angegriffen. Livenet.ch war dabei.
Daniel Däster: Auf seiner Farm landeten 120 Katjusha Raketen (alle Fotos: Daniel Gerber).
Hier legen Christian Waber (l.) und Christian Miesch einen Kranz in Yad Vashem nieder.
Ahmed Sabah: «Ohne Ostjerusalem keinen Friedenvertrag.»
Die Schweizer Delegation beim Verlassen der Knesseth, auf dem Sprung zum nächsten Termin.
Diese fünf Nationalräte der Gruppe «Schweiz Israel» besuchten das Land der Bibel (v.l.n.r.): Simon Schenk, Walter Glur, Christian Miesch (alle SVP), Peter Malama (FDP) und Christian Waber (EDU).

Die fünf Nationalräte Walter Glur (SVP), Peter Malama (FDP), Christian Miesch, Simon Schenk (beide SVP) und Christian Waber (EDU) bereisten während fünf Tagen den Staat Israel. An der Grenze zum Libanon und Syrien informierten sie sich über die Bedrohung durch die Nachbarstaaten, die offiziell im Krieg mit Israel stehen. Neben Besuchen in der Knesseth (dem israelischen Parlament), in Ramallah und anderen Orten, legte die Gruppe in Yad Vashem einen Kranz nieder.

Die Bedrohung auf israelischer Seite wurde am Tag der Rückkehr (Dienstag, 31. März 2009) deutlich: am Vormittag besuchten die Parlamentarier die Stadt Sderot. Bürgermeister David Bouskila erklärte: «8000 Rakten sind in den letzten acht Jahren allein auf dem Stadtgebiet niedergegangen. 70 Prozent der Bevölkerung sind in psychologischer Behandlung.»

Man habe nur 15 Sekunden von der Zeit des Abschusses bis zum Einschlag. Darum stehen überall Bunker, damit die Menschen möglichst rechtzeitig in einen Schutzraum rennen können.

Raketen knapp «verpasst»

In Sderot ist die Gefahr gegenwärtig. Damit Kinder zum Beispiel Geburtstagspartys feiern können, wurde ein grosser Spielbunker errichtet. Ansonsten wäre eine Feier mit vielen Teilnehmern zu gefährlich - dieses Monument, das die Unmenschlichkeit des Terrors unterstreicht, war der letzte Programmpunkt im dichtgedrängten Terminkalender der Schweizer.

Um 12.00 Uhr verliess die Delegation die Stadt. In einem kleinen Restaurant ausserhalb Sderots legten die Parlamentarier eine kurze Mittagsrast ein. Das Restaurant lag ebenfalls in Raketenreichweite. Was die Schweizer nicht wussten: eine Attackenwelle lag unmittelbar bevor.

12.40 Uhr: Die Fahrt ging weiter, in Richtung Tel Aviv, zum Rückflug in die Schweiz. Was die Gruppe unterwegs nicht mitbekam: Noch während der Fahrt stand der Ort, denn sie soeben besucht hatten, unter Raketenbeschuss. Eine Frau wurde verletzt, sie brach sich ein Bein auf der Flucht vor dem Geschoss.

Nach der Landung in der Schweiz wurde die Bundeshausdelegation darüber informiert, wie knapp sie nicht Augenzeuge des Angriffs wurde.

«Kein Krieg mehr!»

In der Knesseth traf sich die Gruppe «Schweiz Israel» zu Gesprächsrunden mit Politikern von links bis rechts. So etwa mit David Rotem (Parteichef von «Unser Haus Israel»). In seiner Kindheit flüchteten die Eltern mit ihm aus Nazi-Deutschland ins heutige Israel. «Sie machten mir Hoffnung. Wir werden nun niemals mehr bekriegt, sagten sie.» Die Realität freilich sah anders aus.

«Später sagte ich dann meinen Kindern, dass wir nun hier in Frieden leben werden.» Leider habe er sie enttäuscht. «Heute sage ich meinen Grosskindern, dass sie dereinst in Frieden leben werden. Und ich bin sicher, dass es diesmal stimmen wird.»

Allerdings müsse der Verhandlungspartner dem Terror abschwören. «Wir können nicht Frieden machen mit jemandem, der in einer Hand einen Olivenzweig hält und in der anderen ein Messer.»

Frieden liegt in weiter Ferne

In weiter Ferne scheint der viel zitierte Frieden zu liegen. So schilderte der stellvertretende Aussenminister der palästinensischen Autonomiebehörde Ahmed Sabah gestenreich, dass der international gepriesenen «Zweistaatenlösung» nur dann zugestimmt werde, wenn die Palästinenser Ostjerusalem als Hauptstadt erhalten werden. Dem werde Israel nie zustimmen, schilderte die israelische Seite. Jerusalem sei nie eine Hauptstadt eines anderen Landes gewesen, und vorher habe es zu Jordanien gehört. Auch aus Sicherheitsgründen (Tempelberg) würde man dies nie abgeben.

Auch sonst sei ein solcher Staat gefährlich: Terroristen könnten dann auf palästinensischem Land auf bis zu neun Kilometer an den Ben-Gurion-Flughafen herankommen und startende und landende Flieger zu beschiessen versuchen.

Gefahr durch Iran

Aviv Shiron, einst Botschafter in Bern und nun bald in Wien, schilderte, dass das Land seit der Gründung 1948 in Gefahr sei. Heute durch den Iran, dieser freilich sei auch für die Araber eine Bedrohung. Die persische Regierung stelle sich über die arabischen Länder. «Das wurde gerade eben im Fussball-WM-Qualifikationsspiel deutlich: Saudi-Arabien siegte in Teheran mit 2:1 Toren. Fünf Minuten später entliess Staatspräsident Mahmud Ahmedinejad den iranischen Trainer!»

120 Raketen auf eine Schweizerfarm

Einen Einblick in den Alltag an der libanesischen Grenze erhielt die Delegation bei Daniel Däster im Kibbutz Malkiya. Der Schweizer lebt hier seit rund zwei Jahrzehnten, er half, eine sozialistische Farm aufzubauen. Für ihn ist die islamische Hisbollah, aufgerüstet und bepfründet durch den Iran, täglicher Terror: «120 Raketen gingen auf meinem Land nieder. Man hört einen dumpfen Knall, wenn sie abgefeuert werden. Dann hat man etwa zehn Sekunden Zeit, in einen Bunkerraum zu rennen.»

Perfid sei das Vorgehen, da die Raketen - die auch im Jahr 2009 geflogen kamen und kommen - gerne um die Uhrzeit auf Israel abgeschossen würden, zu der die Kinder auf dem Weg zur Schule sind.

Angriff mit Nervengift?

«Diese Raketen werden auch in Syrien hergestellt», schildert Däster. «Dort wird nun daran gearbeitet, diese mit Nervengift zu bestücken. Wegen einem Unfall vor wenigen Wochen wurde die Sache publik, rund 300 Armeeangehörige starben. Diese Meldung schaffte es aber nicht in die westlichen Medien.» Däster befürchtet, dass er, sowie das nördliche Drittel Israels, früher oder später mit chemischem Kampfstoff angegriffen wird.

Die Hisbollah beobachtet die Grenze. Auch die parlamentarische Gruppe sah den Posten der «Partei Allahs», wie sich die schiitische Partei bezeichnet.

Botschafter gratulierte

Der Schweizer Botschafter in Tel Aviv, Walter Haffner, gratulierte den Besuchern zum Programm: «Es war bei ihnen nicht so, dass sie nur eine Seite besucht haben!»

Gegründet wurde die parlamentarische Gruppe «Schweiz Israel» im letzten Jahr. Die Reise nach Israel war die erste grössere Aktivität. Der Gruppe gehören 49 Mitglieder an, 47 Nationalräte sowie je ein Bundes- und Ständerat.

Audio-Statements der Teilnehmer:
Christian Miesch, SVP-Nationalrat
Hans Moser, Parteichef EDU
Christian Waber, EDU-Nationalrat
Walter Glur, SVP-Nationalrat
Simon Schenk, SVP-Nationalrat

Datum: 02.04.2009
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service