Schweizer Reformierte im roten Wunderland

Volle Kirche: Gottesdienst in Xian
Hochoffiziell: SEK-Ratspräsident Thomas Wipf im Gespräch mit dem Vertreter der chinesischen Religionsbehörde.
Thomas Wipf und der Kirchenvorsitzende der Provinz Shaanxi, H. R. Wang.
Alt und jung im Glauben: Frauen im Gottesdienst in Xian
Die Schweizer Gäste wurden herzlich begrüsst.

Ende April hat eine neunköpfige Delegation des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK und von mission 21 China und seine sehr rasch wachsende Kirche besucht.

Am Donnerstag letzter Woche informierten die SEK-Vertreter in Bern über ihre Eindrücke und die Herausforderungen, die sich den Kirchen im Reich der Mitte stellen. In Gesprächen mit chinesischen Regierungs- und Kirchenvertretern seien die bisherige Zusammenarbeit vertieft und neue Beziehungsformen geklärt worden.

Den Kirchenbund eingeladen hatte der Christenrat Chinas (China Christian Council). In ihm sind die seit 1980 von den kommunistischen Machthabern registrierten protestantischen Kirchen des Landes zusammengefasst. Der Kontakt zum SeK datiert aus den 80-er Jahren.

Bereits 18 Millionen registrierte Christen

Die staatlich registrierte Kirche, die sich auf dieser Grundlage unter Deng Xiao Ping entwickelte und Freiräume errang, spricht heute von 18 Millionen Gliedern in 50'000 Kirchen und Hausgemeinden – und es werden täglich mehr. (Von den nicht-registrierten, daher illegalen und teils verfolgten Hauskirchen, in denen sich noch deutlich mehr Christen versammeln, ist im SEK-Bericht fast nichts zu lesen.)

Mit dem unerhörten Wachstum hielt die theologische Ausbildung nicht Schritt. Die registrierte Kirche hat zwar in der kurzen Zeit von 20 Jahren 5'000 Geistliche ausgebildet. Doch wegen des Wachstums der Kirche wäre ein Vielfaches nötig. Der SEK will ihr in mehreren Schulen unter die Arme greifen; dies ist ein Zweck der Vereinbarung, die unterzeichnet wurde.

Einzelne greise Leiter der chinesischen Kirche erinnern sich noch an die Tätigkeit der Basler Mission in der vor-maoistischen Zeit. Von mission 21, ihrer Nachfolge-Organisation, reisten in der Delegation drei Vertreter mit. mission 21 unterstützt seit bald zehn Jahren die Ausbildung von kirchlichen Mitarbeitern in vier Provinzen.

Theologie im Kontext

Laut Walter Lüssi, Präsident von mission 21, will der Christenrat eine biblisch fundierte protestantische Theologie entwickeln, „welche im chinesischen Kontext verstanden und vermittelt werden kann“.

Die Kirchen müssen sich im Land, dessen Wirtschaft jährlich mit gegen 10 Prozent wächst, mit schweren sozialen Spannungen (vermutlich über 100 Millionen Wanderarbeiter!) auseinandersetzen.

Fehlende Wertegrundlage – Studenten lesen die Bibel

Bald 30 Jahre nach Maos Tod steckt das Reich der Mitte in einer Wertekrise. Wie SEK-Ratspräsident Thomas Wipf ausführte, hinterlässt die ungebremste „wirtschaftliche Entwicklung ohne Wurzeln ein weltanschauliches Vakuum“.

Umso bedeutsamer ist, dass „die praktische Alltagsethik des Christentums, der Gedanke von Schuld und Vergebung und vor allem das Studium der Bibel eine stark zunehmende Zahl besonders junger und gut ausgebildeter Menschen faszinieren“. Die meisten von ihnen leben in städtischen Regionen, die sich der westlichen Konsummentalität ergeben haben.

Ein Dach für alle

Bei alledem sucht der CCC seinen vom Staat vorgegebenen Zweck weiterhin zu erfüllen: alle evangelischen Christen unter einem Dach zusammenzufassen. Die Rede ist von „postdenominationaler“ Kirche ohne konfessionelle Gliederung.

Auch der Christenrat will zu der „harmonischen Gesellschaft“ beitragen, die die Pekinger Machthaber, auf konfuzianische Prinzipien zurückgreifend, zur Stabilisierung des Riesenlandes propagieren.

„Reglementierte Freiheit“

Als sie sich mit staatlichen Religionsbeamten trafen, brachten die Schweizer laut eigenen Angaben „im Einzelgespräch“ die mangelnde Religionsfreiheit im Land aufs Tapet. Dabei sei, so Wipf, die „regional sehr unterschiedlich fortgeschrittene Umsetzung und Implementierung der Menschenrechte offen anerkannt worden“. Im SEK-Bericht ist die Rede von einem „hohen Mass an reglementierter Freiheit“.

Der SEK lud die Religionsbeamten zu einem Seminar in die Schweiz ein, in dem Religionsfreiheit, Umgang mit neuen religiösen Bewegungen und weitere Menschenrechtsthemen gründlicher behandelt werden können.

Der Beamte vor Ort entscheidet

Christoph Waldmeier, Mitglied der Delegation, spricht aufgrund der regionalen Unterschiede von einem Flickenteppich. „Deshalb entscheidet sich die konkrete Menschenrechtslage in China letztlich nicht nur auf nationaler Ebene, sondern in erster Linie vor Ort, im Dorf, beim einzelnen leitenden Religions- oder Strafvollzugsbeamten auf der untersten Stufe der Verwaltung… Eine Predigt gegen Korruption kann auf lokaler Ebene durchaus auf Geheiss einer mächtigen Person zur Verhaftung des/der PredigerIn führen.“

SEK-Dossier zu China
www.sek.ch

Bilder: Copyright SEK/ITE, Christoph Stückelberger

Datum: 21.05.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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