Der Drachen fordert Anbetung

Der Jedi noch im Bau. Er soll später Thailands Nationalstolz werden.
Im Jedi werden die Mönche vergöttert.

In der Bibel wird geschildert, dass der Drache – Symbol für Satan – einmal in Zukunft seine Anbetung fordern wird. In Thailand entsteht zur Zeit eine Kultstädte, die in verschiedener Hinsicht an diese Prophezeiung erinnert.

Noch ist der Prunkbau, der auf dem Hochplateau den Issaan weit herum überragen wird, eine riesige Baustelle. Trotzdem ist der sechs überdimensionale Etagen zählende Tschedi (auch Jedi oder Chedi) bereits seit Jahren zugänglich. Der Ausblick vom ungedeckten Teil der zweiten Etage ist atemberaubend. Das Sonnenlicht wird vom weissen Marmorboden reflektiert. Erst beim Geländer angekommen, kann man die Augen ganz öffnen, ohne schmerzlich geblendet zu werden. Dort angelangt, ist der Anblick der florierenden Vegetation der Kornkammer Thailands überwältigend. Zig Quadratkilometer davon gehören zur Tempelanlage.

Zugleich ist der Issaan, der Nordosten Thailands, der Ärmste der fünf Landesteile. Der Tschedi – in einem solchen werden Reliquien von Gautama Siddhartha, besser bekannt als Buddha, aufbewahrt – will so gar nicht in diese Gegend passen.

Riesige, geschwungene Tore, vergoldete Drachen-, Schildkröten- und Fischmonumente in einer üppigen Gartenanlage und mitten drin der mehrgeschossige «Übertempel» voller goldener, Edelstein besetzter Figuren, Kultgegenständen und Bildern. All der teure Marmor, bunte, aufwändige Mandalas während wenige Kilometer weiter, unter auf Pfählen gebauten Hütten, verwahrloste Hunde streunen.

Neue Massstäbe

113 Meter hoch und mit acht Fronten steht der «Buddha Palast» innerhalb der Anlage. Doppelt so hoch und mit doppelt so vielen Fronten wie die bisher heiligste Stätte des Issaan, der «Thatphanom Shrine». Und dieser wird – obwohl er selbst zur Top Ten der heiligsten Orte Thailands gehört – weit in den Schatten gestellt.

Für die einen ist der «Pra Tschedi Maha Tschai Mongkun», wie dieser neue Übertempel heisst, bereits heute Wahlfahrtsstätte geworden und für die wenigen Touristen, die sich in den Issaan verirren, ist er schon jetzt schlicht ein Pflichtbesuch.

Diese Pilgerstätte bietet auf den ersten, westlichen Blick wunderschöne Kunst. Wir fragen aber, was steckt auch noch dahinter?

Bettelmönche leben teilweise in Villen

Noch ist der monumentale Tempel im Nordosten Thailands ein nationaler Geheimtipp. Den Nummernschildern der klapprigen Busse, wie denen der Luxuskarossen, ist zu entnehmen, dass aber bereits jetzt Thais aus allen Ecken des Landes zur neuen Kultstätte pilgern. Der Millionenbau in Thailands Niemandsland mutiert schon vor der geplanten Fertigstellung in rund sechs Jahren zum Publikumsmagnet.

Dem höchsten stehenden Buddha, der golden, überschlank und überproportional stolz 59 Meter hoch, auf einem 8,5 Meter hohen Sockel thronend, in den Himmel der Issaan-Provinzstadt Roi Et ragt, wird jetzt schon die Show gestohlen.

Seit längerem Leben die Mönche in den Gebäuden rund um den Tschedi. Manche in kärglichen Klausuren, andere aber auch in sündhaft teuren, kitschigen «Bettelmönch-Villen». Geht es nach diesen Mönchen, wird der Pra Tschedi Maha Tschai Mongkun gleiche Bedeutung erlangen wie der Taj Mahal (indische Grabanlage, 1648 vollendet) und die Chinesische Mauer.

Eine Ansicht, welche die Regierung offenbar teilt. Man entschied in Bangkok, die neue Nord-Süd Autobahn durch dieses Gebiet zu bauen. Längst hat das Wettrüsten der Imbissbuden, die oft nur ein Reis-Menü anbieten, sowie der Kitschhändler begonnen. Im Jahr 2010 soll der Tschedi fertig sein.

Buddhas Erben

Als würde man den Tresorraum einer Schweizerbank betreten, mutet die ebenerdige Etage an. Gold, Gold und nochmals Gold. Und in der Mitte steht nicht etwa Buddha, sondern Long Pu Sii. Ein Bettelmönch, ganz in Gold. Dank ihm in erster und der «Thai Oil Company» in zweiter Linie verdankt die Gegend, dass der Tschedi genau hierher zu stehen kommt. Hausieren gehen die Mönche nicht mit der Geschichte, die mittlerweile aber leidlich bekannt ist: Die Ölgesellschaft musste neue Quellen erschliessen, aber wusste nicht wo mit den Bohrungen beginnen? Die Antwort sollte Long Pu Sii in der Meditation empfangen. Die Manager der Firma versprachen, es würde sich lohnen. Sie stellten Geld in Aussicht, mit dem sich eine gigantische Tempelanlage bauen lässt.

Der Mönch beschwor die Geister des Wassers. Er drang zur Geisterwelt durch, ein riesiger Frosch kam aus dem Wasser und sprach zu Long Pu Sii. Der Frosch sagte dem Bettelmönch die genauen Koordinaten für das Bohrunternehmen. Pikant dabei: In der biblischen Offenbarung ist die Rede, von solchen unreinen Geistern, welche in Froschgestalt erscheinen und die Menschen verführen.

Diese neuen Ölquellen waren nicht etwa in der Nähe, sondern über 800 Kilometer entfernt, im Süden Thailands. Die Gesellschaft stiess tatsächlich auf ein enormes Rohöl Vorkommen.

Der Frosch kommt in der Firmengeschichte freilich nicht vor. Die Ausgaben für den Tschedi werden aber sehr wohl getätigt. Als Gegenleistung, wohlverstanden.

Frösche und Geister aus dem Wasser? Ja, davon ist bereits in der Bibel die Rede. Mehr dazu am Montag in der zweiten Folge.

Datum: 09.10.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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